Mordprozess im Fall Hanna W. aus Aschau
„Ich will wissen, warum jemand so etwas macht“: Aufgewühlte Eltern sprechen über getötete Hanna
„Innerlich total aufgewühlt“: Die Aussagen der Familie standen im Mittelpunkt des zweiten Tages im Mord-Prozess um die getötete Hanna W. aus Aschau im Chiemgau. Was Eltern und Bruder seit dem schicksalhaften Tag mitmachen.
Traunstein – Es war ein schwerer Gang für die Eltern Rosalie (53) und Andreas W. (51) sowie für den Bruder Andreas (21). „Ich vermisse sie so unendlich“, sagte die Mutter. „Sie fehlt halt so sehr“, sagte der Vater. Beide hatten mitunter Mühe, weiterzusprechen, es drohte die Stimme zu brechen.
Die Aussagen der Familie zu ihrer ermordeten Tochter Hanna (23) standen im Mittelpunkt des zweiten Verhandlungstages im Prozess um den Mord an Hanna W. am Landgericht Traunstein. Verantworten im so genannten „Eiskeller-Fall“ muss sich Sebastian T. (21). Wie die Familie des Opfers stammt er aus Aschau.
Liebenswürdig, hilfsbereit und selbständig: So war Hanna W.
Hannas Eltern zeichneten das Bild einer weltoffenen, liebenswürdigen, hilfsbereiten und selbständigen jungen Frau, die im Mittelpunkt eines großen Kreises von Freunden und Bekannten stand. So sei ihre Hanna gewesen: ein Mensch, der einfach positiv auf andere gewirkt habe, sagte Rosalie W. (53). „Mit Hanna konnte man nicht streiten.“
Ob er jemals Hanna zornig erlebt habe, fragte ein Gutachter. „Nein“, sagte der Vater entschlossen. „Sie war kein zwiderner Mensch.“ Der Sohn sei da der gleiche, „die beiden gehen einem Streit eher aus dem Weg“. „Sie hat schon auch den Ton angegeben“, sagte ihr Bruder Andreas (21). „Sie stand im Leben.“
Dass die Familie so nah am Tatort wohnt: „Kaum auszuhalten“
Vor den zahlreichen Beobachtern des Prozesses – wie schon am ersten Tag (Donnerstag, 12. Oktober) war auch die Empore des großen Sitzungssaals besetzt – entstand das Bild eines unfassbaren Verlustes. Sie sei „innerlich total aufgewühlt“, noch immer, sagte die Mutter. „Ich will wissen, warum jemand so was macht.“
Auch Hannas Vater steht vor dieser Frage: „Dass sie so einfach ermordet wird, ist sehr schlimm für uns.“ Beide mussten nach der Tragödie um psychologische Hilfe bitten, konnten zumindest eine Zeitlang nicht mehr arbeiten. Er habe es versucht, sagte der Vater, doch irgendwann „musste ich erkennen, dass es nicht mehr geht“. Lange hätten seine Frau und er nicht schlafen können. „Das macht einen fertig.“ Und dann ist da diese Nähe der Schauplätze. „ Für uns ist es fast nicht auszuhalten, dass wir so nah am Tatort wohnen“, sagte die Mutter.
Niemand wunderte sich, dass Hanna sich nicht meldete
Vater wie Mutter schilderten vor der 2. Jugendkammer des Landgerichts ähnlich wie der Bruder, dass Hanna weder naiv noch unvorsichtig gewesen sei. Sie sei aber immer auch sehr selbstständig gewesen, eine, die nicht umsorgt werden wollte, sich sogar dagegen wehrte.
So erzählte die Mutter von einem Vorfall, als Hanna während ihres Praktikums einmal nicht wie verabredet zum Mittagessen erschien. Stunde um Stunde verging, schließlich rief die Mutter aus Sorge eine Reihe ihrer Freundinnen und Bekannten an. Hanna kam dann am Abend – sie hatte durchgearbeitet, ihr Handy im Spind eingeschlossen und von der Aufregung zunächst nichts mitbekommen. Von ihren Rundrufen in Hannas Bekanntenkreis sei ihre Tochter peinlich berührt gewesen, erzählte die Mutter.
Die Eltern wähnten Hanna auf einer Party
Niemand nahm Anstoß, als die Tochter nicht in der Nacht heimkehrte. Es sei nicht unüblich gewesen, dass jemand im Bekanntenkreis seinen Spezln eine Schlafgelegenheit angeboten habe. Schon wegen der Möglichkeit, dass zuvor Alkohol getrunken worden sei – was für jenen tragischen Abend auf den 3. Oktober 2022 der Fall gewesen war. Wie Mutter Rosalie erläuterte: „Nicht dass noch jemand fahren muss.“ Bekannt war ja auch, dass Hanna ohnehin zu einer Freundin in Frasdorf wollte, die zu einer Feier eingeladen hatte.
Es brach der Morgen des 3. Oktober 2022 an, es kam der Mittag. Am frühen Nachmittag fand ein Spaziergänger den leblosen Körper einer jungen Frau in der Prien treibend. Und Hannas Familie ahnte noch immer nichts Böses. „Wir dachten, sie sei die Nacht über in Frasdorf bei Freunden geblieben“, berichtete der Vater.
Noch als die Polizei schon den Fundort der Leiche absuchte und Beamte beim „Eiskeller“ auftauchten, war für sie alles normal. Die Tochter habe man noch immer bei der Freundin im Nachbarort gewähnt. „Wir sind spazieren gegangen, mein Mann und ich“, sagte die Mutter. „Das Polizeiaufgebot haben wir nicht bemerkt.“
Hanna musste doch packen, sie wollte nach Cluj zurück
Erst im Laufe des Abends wurden die Eltern unruhig. „Sie musste doch packen“, sagte die Mutter, „sie wollte am nächsten Tag ja nach Cluj zurückfliegen.“ Dort, in Rumänien studierte Hanna Medizin. Die Eltern telefonierten herum, nun sorgten sie sich ernsthaft – niemand ihrer Freunde hatte sie am Montag gesehen. Irgendwann am späteren Abend habe er dann den Notruf angewählt, sagte der Vater.
Kurz vor 23 Uhr sei das gewesen, ließ sich seitens der Polizei feststellen. Seitdem ist nichts mehr wie es war im Hause der Familie. „Wir haben keine Nacht mehr geschlafen“, sagte der Vater, man habe sich Hilfe bei der Trauma-Ambulanz geholt. „Man macht sich lange Gedanken, dass man sein Kind nicht hat schützen können in dieser Nacht.“ Am ersten Verhandlungstag (Donnerstag, 12. Oktober) war bekannt geworden, dass Hanna am frühen Morgen des 3. Oktober 2022 noch versucht hatte, auf ihrem Mobiltelefon zu Hause anzurufen. Doch da hatte sie nur noch wenige Sekunden zu leben.
Aschau – ein Ort steht hinter Hannas Eltern
Mutter Rosalie W. berichtete übrigens nicht nur über die Qual, in der Nähe des Tatortes zu wohnen, an dem ihre Tochter zu Tode kam. Sie äußerte sich auch dankbar über die Reaktionen der Aschauer. „Jeder leidet mit uns. Das ganze Jahr über stehen immer wieder Kerzen vor der Tür und Blumen.“