Altstadtbahn Wasserburg
Trotz „Nein“ des Freistaats: Gibt es noch Hoffnung für die Reaktivierung der Altstadtbahn?
Totgesagte leben länger: Gilt das auch für die Altstadtbahn Wasserburg? Seit 1987 fährt sie nicht mehr, die Strecke ist seit 2020 stillgelegt. Ein neues Gutachten des Freistaats lehnt eine Reaktivierung ab. Warum ein Funken Hoffnung bleibt und daraus sogar eine Flamme werden könnte.
Wasserburg – Verspätungen und Sanierungsstau: Trotz dieses Negativimages gehört der Bahn die Zukunft, soll der Verkehrskollaps auf den Straßen verhindert werden. Gilt dies auch für die Altstadtbahn Wasserburg? Im Zusammenhang mit der geplanten Elektrifizierung des Filzenexpress und des ebenfalls vorgesehenen S-Bahn-Anschlusses von Reitmehring hat der Freistaat Bayern erneut geprüft, ob die Strecke reaktiviert werden könnte. 2021 gab es ein entmutigendes Zwischenergebnis, jetzt liegt der endgültige Bericht vor, teilte Bürgermeister Michael Kölbl (SPD) im Stadtrat mit. Die Machbarkeitsstudie empfehle erneut keine Wiederinbetriebnahme. Denn der Kosten-Nutzen-Faktor werde mit 0,33 berechnet. Für eine öffentliche Förderung sei ein Faktor 1,0 erforderlich. Das heißt: Der volkswirtschaftiche Nutzen muss mindestens genauso hoch sein wie die Kosten.
Klare Sache also? Die Totenglocken klingen? Mitnichten. Das Ergebnis bewirkte im Stadtrat eher das Gegenteil. Denn ein detaillierter Blick auf die Zahlen des Gutachtens zeigt: Es geht auf der Strecke jetzt von etwa 1400 Fahrgästen täglich (pro Werktag Hin- und Rückfahrten) aus. Die vom Freistaat geforderte Mindestsumme liege bei 1000. Bei der Untersuchung im Jahr 2010 war noch von 700 Fahrgästen ausgegangen worden. Damals lag der Kosten-Nutzen-Faktor bei 0,21, berichtete Andreas Hiebl, im Rathaus zuständig für den öffentlichen Personennahverkehr. „Die Zeit arbeitet für die Wiederinbetriebnahme“, findet er deshalb. Denn der Kosten-Nutzen-Faktor und die prognostizierten Fahrgastzahlen würden zwar immer noch nicht ausreichen, es sei aber eine erkennbare Steigerung eingetreten. Wobei Hiebl auch ein Problem der Analyseverfahren ansprach: Wie genau der Kosten-Nutzen-Faktor berechnet werde und welche Faktoren einfließen würden, „das bleibt wohl ein Geheimnis der Planer“.
Nach der Stilllegung folgt Entwidmung
Doch auch Hiebl gab zu bedenken: Noch liege der volkswirtschaftliche Nutzen der Wiederinbetriebnahme der Altstadtbahn weit unter der Zahl 1. Darauf wies auch Bürgermeister Michael Kölbl hin, der daran erinnerte, dass die Stadt vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Klage gegen die Stilllegung gewonnen habe. 2010 habe der Stadtrat einen Beschluss gefasst, im Fall einer Stilllegung auch die Entwidmung der Strecke anzugehen. Denn auf ihr herrscht, weil sie noch für den Zugverkehr gewidmet ist, nach wie vor das Eisenbahnrecht. Das heißt laut Kölbl: Teilbereiche könne die Stadt als Eigentümerin für andere Zwecke verpachten oder vermieten, nicht aber verkaufen.
Eine Entwidmung ist jedoch im Stadtrat umstritten, zeigte sich in der Diskussion deutlich. Christian Stadler, Fraktionsvorsitzender der Grünen, warnte davor, eine Entwidmung in diese Richtung per Antrag voranzutreiben. Denn es gehe darum, künftigen Generationen nicht die Chance auf eine Altstadtbahn zu verwehren. Die Prognose für die Fahrgastzahlen sei bereits besser geworden, weitere Entwicklungen wie die MVV-Einführung, das Deutschlandticket noch gar nicht berücksichtigt. Es komme die Express-S-Bahn, die Züge auch auf den Nebenstrecken würden modernisiert: All dies werde dem Bahnverkehr auch im Raum Wasserburg sogar noch einen weiteren Pusch geben, zeigte sich Stadler überzeugt.
Er stellte außerdem das Gutachten des Freistaates infrage, kritisierte die Verfahren für die Berechnungen, etwa bei den Investitionskosten, „die sich auf wundersame Weise verdoppelt“ hätten. Das brachte ihm den Vorwurf Kölbls ein, polemisch zu argumentieren. Der Bürgermeister hatte auch angeboten, einen Vertreter des Verkehrsministeriums in den Stadtrat zu holen, der das Gutachten erklären solle, Stadler und weitere Stadtratsmitglieder forderten, dass in diesem Fall auch Pro Bahn gehört werden müsse.
Neue Dynamik bei Fahrgastzahlen
Schützenhilfe bekam Stadler von Günther Flemisch (ÖDP) und Dr. Hermann. Budenhofer (Freie Wähler Reitmehring-Wasserburg). Auch sie plädierten dafür, von der Entwidmung Abstand zu nehmen, um zukünftigen Generationen nicht die Möglichkeit der Wiederbelebung zu verbauen. Wolfgang Janeczka und Friederike Kayser-Büker von der SPD sahen ebenfalls die Notwendigkeit, bei einer Bewertung des Gutachtens beide Seite, das Ministerium und die Befürworter der Altstadtbahn, zu hören. Sie wiesen auf die neue Dynamik hin, die bei der Entwicklung der Fahrgastzahlen deutlich zu sehen sei.
Warum dieser Druck in puncto Entwidmung, wollte Dr. Martin Heindl (SPD) wissen. In den Augen von Kölbl steht eine Entscheidung dazu an, weil es einen diesbezüglichen Stadtratsbeschluss von 2010 gebe. Nach der Stilllegung müsse die Entwidmung angegangen werden. Ist sie durch, „dann ist die Reaktivierung gestorben“. Aus den Arealen rund um die Gleise würden Grundstücke, die im Außen- und Innenbereich oder in Wohngebieten sowie auf dem Industrie- und Gewerbegebiet der Firma Meggle liegen würden.
„Einfach liegenlassen“?
Markurs Bauer (CSU) schlug deshalb einen pragmatischen Ansatz vor: das Thema „einfach liegenlassen“. Will heißen: den letzten Schritt erst einmal nicht gehen, die Strecke nach Eisenbahnrecht gewidmet lassen. Der Bürgermeister wandte ein, dann brauche er einen Stadtratsbeschluss. Aus Reihen des Gremiums kann die Ankündigung, einen Antrag zu formulieren.
Noch ist das Projekt Altstadtbahn also nicht begraben. Das ist auch Bernd Meerstein, Vorsitzender der Regionalgruppe Pro Bahn in Wasserburg, wichtig. „Wir müssen die Entwidmung verhindern, damit wir uns für die Zukunft in puncto Altstadtbahn alles offenhalten“, sagt er auf Anfrage. Denn es sei und bleibe ein Kuriosum, das nicht in die Zeit passen: Wer mit der Bahn nach Wasserburg fahre, lande in Reitmehring und müsse dann wieder umsteigen in den Bus Richtung Altstadt. Das sei unpraktisch für Pendler, die vielen jungen Leute, die in der Schulstadt eine Bildungseinrichtung besuchen würden und mit dem Zug kämen, sowie für Touristen.