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„Berry“ Meerstein, der „Mann der Sterne“ im Portrait

Der Tausendsassa von Wasserburg: „Wenn´s langweilig wird, muss ich was Neues machen“

Berry“ Meerstein an seinem Lieblingsplatz: am Caféhaustisch im Kramerlladl.
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„Berry“ Meerstein an seinem Lieblingsplatz: am Caféhaustisch im Kramerlladl.

Sein Leben ist so bunt, dass es nicht zwischen zwei Buchdeckel passt: Bernd Meerstein, den die Wasserburger „Berry“ rufen, ist ein Tausendsassa. Über einen Mann, der Band-Manager, Kneipen-Wirt, Straßenbauer und vieles mehr war. Und der von sich selbst mit 77 sagt: „Ich bin ein Berufsjugendlicher.“

Wasserburg – Er prägt seit vielen Jahren das Stadtbild in Wasserburg: Bernd Meerstein ist hier mit dem Rad unterwegs, seit einigen Jahren mit dem E-Bike. Er sitzt auf einen Kaffee im „V“, der Eisdiele am Marienplatz, im Café Central oder im für ihn schönsten Geschäft in der Stadt, dem Kramerladl– stets bereit für einen Ratsch. Das Lieblingsthema: seine Wahlheimat Wasserburg, von der der leidenschaftliche Radler angesichts der Topografie nie gedacht hätte, dass der Drahtesel hier einmal so beliebt werden könnte.

Dabei ist der 77-Jährige gar kein „echter“ Wasserburger. Er stammt aus der Nähe von Dresden, flüchtete mit seiner Familie 1954 als Achtjähriger „rüber“ in die BRD. Das war das erste Abenteuer seines Lebens. Viele weitere folgten. Denn die Biografie von Meerstein wird geprägt durch ein ständiges Auf und Ab, durch viele Höhen, aber auch Tiefen.

Nach der Flucht und einem Aufenthalt im Auffanglager in Neuburg an der Donau zog es die Familie 1955 nach Wasserburg, denn Meersteins Stiefvater fand als Leiter der Butterei bei der Molkerei Bauer Arbeit. Der Start in der Stadt, die er heute so liebt, war holprig, erinnert sich Meerstein. Er sprach Sächsisch und wurde in der Volksschule deswegen verspottet. Erst auf dem Luitpold-Gymnasium in Wasserburg lief es besser. „Ich bin dann sogar gern in die Schule gegangen“, erinnert er sich. Trotzdem hat es ihn zweimal „durchgehauen“, berichtet er schmunzelnd. Das Lernen war nicht so sein Ding. Deshalb endete die Schullaufbahn ohne Abiturzeugnis in der Tasche. Egal, der „Berry“ zeigte als junger Mann bald, wo sein Haupttalent liegt: im Organisieren. Er wurde Manager der Band „Strangers“. Die wilde Truppe spielte die Songs der Beatles und Stones. Meerstein sorgte dafür, dass die Band bekannt wurde. Geld dafür gab es keins, aber viel Ehr.

Festival mit Peter Maffay

Dabei half das erste große Festival in Edling, dass der junge Manager mit seinem Team auf die Beine stellte. Dazu gehörte auch ein Band-Wettbewerb, den nicht die „Strangers“ gewannen, sondern ein aufstrebender junger Musiker aus Waldkraiburg: der damals noch unbekannte Peter Maffay. Es folgte ein Festival à la Woodstock in den 70iger Jahren: 5000 kamen zum Open-Air in Edling, für das Meerstein in ganz Deutschland Plakate geklebt hatte und gar keine Genehmigung hatte. Es ging trotzdem gut, obwohl die Fans auf den Wiesen campten und es keine Toiletten gab.

Ein Studium an der Staatsbauschule München von 1969 bis 1971 (heute Fachhochschule) brach er ab: zu wenig Zeit, sich reinzuknien, wie er schmunzelnd erzählt. Also heuerte er Anfang der 70er Jahre einfach als Ungelernter bei Ingenieurbüros in Haag und Wasserburg an. Viele Straßen in der Region hat Meerstein geplant, viele Strecken sind unter seiner Bauleitung entstanden. Er arbeitete außerdem als Betonbauer und zwischenzeitlich sogar als Eier-Verkaufsfahrer.

Musikkneipe in Trostberg

Doch seine große Leidenschaft war und blieben das Musikgeschäft und das damit verbundene Nachtleben. Meerstein führte mit „drei bis vier Spezls“ in Wasserburg ein privates Jugendzentrum und in den späten 70igern die legendäre Musikkneipe „Stiang“ in Trostberg. Hier wurde jedoch nicht die damals angesagte Disco-Musik aufgelegt. „Dafür waren wir nicht brav genug“, sagt er grinsend, „wild und rockig“ sei es stattdessen zugegangen.

Bernd Meerstein ist leidenschaftlicher Radfahrer. Mit seinem E-Bike ist er viel in der Stadt unterwegs.

Fast ganz Mitteleuropa durchradelt

Trotzdem wurde der wilde Berry 1979 „vernünftig“, wie er sagt: Er holte sein Abitur nach, an der Fachoberschule (FOS) in Wasserburg, sogar mit Traumnote 1,3. Den Erfolg verdankte er jedoch in erster Linie der Kunst, zu spicken und sich geschickt versteckte Merkzettel zu schreiben, gibt er lachend zu. Egal, 1980 ging es zum Studium der Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Touristik und Verkehrswesens nach Worms. Hier mietete der Student gleich ein ganzes Haus. Das Geld verdiente er als Rad-Reiseleiter, Beginn einer großen Leidenschaft für das Fahrradfahren. Von 1985 bis 1992 organisierte und entwickelte Meerstein für den Veranstalter Klingenstein Studienreisen per Rad.

Fast ganz Mitteleuropa hat Meerstein, der von 1992 bis 1995 auch Marketingleiter bei Klingenstein war, mit dem Drahtesel erkundet und viele Reiseführer geschrieben (unter anderem einen Bodensee-, Donau- und Mosel-Radweg-Führer). Seine Lieblingsroute: nach Prag, 35 Mal ist er hierhin geradelt. Da liegt es auf der Hand, dass er bei der Gründung der Ortsgruppe Wasserburg des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs maßgeblich mitwirkte. Bis heute wird das Radfahren in Wasserburg mit dem Namen Meerstein verbunden.

Von 1983 bis 1985 legte er außerdem noch einmal eine Karriere-Station als Kneipen-Wirt ein: In Worms führte er gemeinsam mit Freunden die Studentenkneipe „Taberna“.

Heute als Unternehmensberater tätig

Seit 1995 ist Meerstein selbstständig tätig: als Unternehmensberater, Kommunikationstrainer, Dozent und Coach. Seine inhaltlichen Schwerpunkte: Touristik, Gastronomie, Verkehrswesen. Er lehrt den Umgang mit Gästen auch aus anderen Kulturen. Er zeigt, wie zeitgemäße Angebote entwickelt werden oder sogar die Speisekarte zum Marketingobjekt wird.

Bekannt wurde er seit 2004 außerdem als „Mann der Sterne“. Für die Bayern Tourist GmbH (BTG), eine Tochter der Bayerischen Gastgeber AG und des Bayerischen Hotel- sowie Gaststättenverbands Dehoga, überprüft Meerstein als Mitglied der Bereisungskommission Hotels auf die Frage, ob sie die Kriterien für die verliehenen Sterne erfüllen. Für diese Aufgabe ist er auch im Alter von 77 Jahren noch auf Tour: Meerstein kontrolliert in ganz Bayern Klassifizierungen.

„Der Winkler war ein fantastischer Mensch“

Das schönste Hotel war und ist für ihn die Residenz von Sternekoch Heinz Winkler in Aschau. „Der Winkler, das war ein fantastischer Mensch“, schwärmt Meerstein. Mittlerweile sei das Niveau in vielen Hotels auch im mittelpreisigen Segment in Bayern sehr hoch, findet Meerstein, der zwischen Spessart und Rhön fast jedes klassifiziertes Hotel ab drei Sternen schon einmal kennengelernt hat. Der Tourismus in Bayern habe sich sehr gut entwickelt, freut er sich.

So umtriebig wie früher ist Meerstein heute zwar nicht mehr, eine schwere Erkrankung sorgt dafür, dass er es etwas langsamer angehen muss. Trotzdem findet sein Wort immer noch Gehör, egal, ob er sich im ADFC zur Fahrradfreundlichkeit von Wasserburg äußert, als Sprecher von Pro Bahn in der Ortsgruppe Wasserburg den Finger in die Wunden der stillgelegten Altstadtbahn legt, als Carsharing-Fan das Modell des Autoteilens forciert oder sich als Sozialdemokrat in die Kommunalpolitik einbringt.

„Ich brauche permanent Bestätigung“

Und auch wenn er heute eher bedächtig in der Wortwahl als unruhig wirkt, sagt er von sich: „Ich bin im Herzen ein Berufsjugendlicher geblieben. Wenn`s langweilig wird, muss ich was Neues machen.“ Offen gibt der 77-Jährige außerdem zu: „Ich brauche permanent Bestätigung.“ Auch dafür gibt es eine Erklärung, die in seiner Biografie zu finden ist, wie Meerstein erklärt. Er erfuhr mit 18, „dass mein Vati gar nicht mein Vati ist“. Heinz Meerstein war sein Stiefvater. Sein Leben lang hatte sich der Sohn mit ihm nicht besonders gut verstanden. „Wir waren so verschieden, heute weiß ich warum.“

Erst mit 43 lernte Meerstein seinen richtigen Vater kennen. Über viele Umwege kam der Kontakt zustande. Er wurde herzlich aufgenommen in der Familie seines leiblichen Vaters, unternahm mit ihm noch einige Reisen, stellte viele Ähnlichkeiten fest. Und gewann noch eine Schwester hinzu, von der er gar nichts wusste. Eine weitere Bereicherung eines Lebens, das schon reich gefüllt war und immer sein wird.

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