RVO will fünf Linien nicht mehr befahren
Sind Schülerbeförderung, Tourismus und Verkehrsverbund im BGL in Gefahr?
Nach der Schocknachricht der RVO, fünf Linien im Landkreis Berchtesgadener Land nicht mehr befahren zu wollen, ist die Sorge groß. Kommen Kinder dann noch zur Schule, Touristen zu den Ausflugszielen und Einheimische ohne Auto zur Arbeit? Und steht jetzt der geplante Verkehrsverbund mit Traunstein auf der Kippe?
Berchtesgadener Land – Die RVO hat aus wirtschaftlichen Gründen die dauerhafte Entbindung von der Betriebspflicht bei der Regierung von Oberbayern für insgesamt fünf Buslinien im Berchtesgadener Land beantragt. Betroffen sind folgende Strecken:
- 837 Berchtesgaden – Maria Gern – Hintergern
- 838 Berchtesgaden – Dokumentation – Buchenhöhe – Christophorusschule
- 848 Berchtesgaden – Oberau – Rossfeld
- 9515 Traunstein – Teisendorf – Freilassing
- 9526 Traunstein – Inzell – Bad Reichenhall
Viele Schüler und Touristen nutzen diese Busse. Kommen Kinder und Jugendliche ab dem Herbstfahrplan Ende Oktober nicht mehr in die Schulen? Sind touristische Hotspots wie die Dokumentation Obersalzberg und das Rossfeld bald nur noch mit dem Pkw erreichbar? Wie gelangen Einheimische ohne eigenes Auto zur Arbeit?
Busse für das CJD „von existenzieller Bedeutung“
Die Linie 838 fährt die Schulen des CJD auf der Buchenhöhe sowie am Dürreck an. „Die Busbeförderungen sind für unsere Schulen und unseren Schulstandort von existenzieller Bedeutung und deswegen sprechen wir uns nachdrücklich gegen diese negative Entwicklung aus“, erklärt der Gesamtleiter des CJD Bayern, Florian Ott, gegenüber BGLand24.de.
Das CJD habe bereits eine umfangreiche Stellungnahme beim Landratsamt abgegeben und werde sich mit der lokalen Politik in Verbindung setzen. „Wir setzen uns intensiv für die Erhaltung der Linien ein und sind überzeugt, dass auch in den kommenden Jahren unsere Schülerinnen und Schüler verlässlich an unsere Schulen befördert werden“, so Ott.
Das Landratsamt spricht sich gegen eine Entbindung aus
Zunächst muss man sagen, dass noch nicht sicher ist, ob die Regierung von Oberbayern den Anträgen der RVO überhaupt stattgeben wird. Das Landratsamt Berchtesgadener Land hat bereits angekündigt, dass es die Anträge für nicht zulässig hält und sich daher klar gegen eine Entbindung aussprechen wird. Seine Stellungnahme wird aktuell finalisiert und in den kommenden Tagen an die Regierung von Oberbayern versendet.
Inzwischen finden auch schon wichtige Gespräche statt. „Der Landkreis, die Gemeinden und der Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden sind in Abstimmung mit den Schulen bereits im engen Austausch für die Erarbeitung einer Lösung, um die Busverkehre im Falle einer Entbindung weiterhin sicherzustellen“, heißt es aus dem Landratsamt.
Schulen und Ausflugsziele müssen erreichbar bleiben
Die Marktgemeinde Berchtesgaden und der Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden äußern sich auf Anfrage gemeinsam. „Es kann nicht sein, dass Teile der Bevölkerung, die kein eigenes Fahrzeug besitzen bzw. nicht mehr bedienen können, vom öffentlichen Leben abgeschnitten werden“, sagen Bürgermeister Franz Rasp und Vorstand Bartl Wimmer.
Die Buslinien in die Oberau, nach Maria Gern und auf den Obersalzberg müssten insbesondere für den Schülerverkehr sowie für die Erreichbarkeit der Kindergärten sichergestellt werden. „Auch aus touristischer Sicht ist es für die Region Berchtesgaden unerlässlich, dass unsere Ausflugsziele, die Ausgangspunkte für Wanderungen und natürlich auch unsere Gastgeber vor Ort mit dem ÖPNV erreichbar sind.“
Tourismus-Studie: Verkehrsproblematik hat höchste Priorität
Sollten die Anträge der RVO bei der Regierung von Oberbayern durchgehen, würde sich die angespannte Verkehrssituation im Talkessel wohl noch weiter verschärfen. Eine kürzlich vorgestellte Studie hat die Auswirkungen des Tourismus auf die Region aufgezeigt. Bei den negativen Effekten wurde klar: Die Unzufriedenheit ist in der Bevölkerung ohnehin bereits groß. Oberste Priorität hat die Lösung des Verkehrsproblems.
In den vergangenen Monaten sei schon viel getan worden, etwa die Ausweitung des Angebots mein Watzmann-Express und der Ringlinie Schönau sowie das geplante Rufbussystem, sagte Wimmer an dem Abend. Für die RVO sind jedoch solche erweiterten Angebote nur finanzierbar, weil es hierbei um Zubestellungen handelt, die über ein Ausschreibungsverfahren an die RVO vergeben wurden. Sie gehen somit wirtschaftlich nicht zulasten des Unternehmens.
„Gerade im Zeitalter des Klimaschutzes ist es unser Ziel, den ÖPNV in der Region weiter auszubauen und somit die Attraktivität der öffentlichen Verkehrsmittel zu steigern“, so Rasp und Wimmer in ihrer Erklärung. Auch wenn es für Details noch zu früh sei: „Die Marktgemeinde Berchtesgaden und das Bergerlebnis Berchtesgaden sind sich der Notwendigkeit bewusst, den ÖPNV auch abseits der Hauptlinien aufrecht zu erhalten.“
Notvergabe als mögliche Zwischenlösung
Andreas Datz, Niederlassungsleiter der RVO, hat als Alternative eine Notvergabe vorgeschlagen. Der Aufgabenträger hätte so die Möglichkeit, die bisherige Leistung für maximal zwei Jahre an den Unternehmer zu vergeben. Am Ende der zwei Jahre würde dann eine Ausschreibung folgen. Das Landratsamt zeigt sich nicht abgeneigt: „Die Notvergabe ist hierbei eine Möglichkeit, die als Überbrückung bis zur Schaffung einer langfristigen Lösung in Erwägung gezogen wird.“
Wie steht es um den geplanten Verkehrsverbund?
Zu den defizitären Linien der RVO gehören auch zwei, die die beiden Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land verbinden, nämlich die zwischen Traunstein und Freilassing sowie zwischen den beiden Kreisstädten. Ist damit der geplante Verkehrsverbund gefährdet? Das Landratsamt Traunstein drückt sich hier relativ vage aus. Der Verkehr bleibe aufrecht erhalten. „Darüber hinaus bleibt eine spürbare strategische Weiterentwicklung des ÖPNV im Landkreis Traunstein die klare Zielsetzung.“
Klarer lautet hingegen die Antwort aus dem Landratsamt Berchtesgadener Land:
Neben der Einführung eines einheitlichen Tarifs übernimmt ein Verkehrsverbund noch viele weitere Aufgaben im öffentlichen Personennahverkehr. Dazu gehört u.a. die Planung und Organisation eines landkreisübergreifenden ÖPNV bzw. im Verbundgebiet. Bei einem absehbaren Rückgang der Eigenwirtschaftlichkeit im ÖPNV werden Verbundstrukturen zur Organisation des ÖPNV wichtiger denn je, um der Bevölkerung einen attraktiven öffentlichen Verkehr anbieten zu können. Daher hält der Landkreis Berchtesgadener Land weiterhin an den Plänen zur Verbundintegration mit den benachbarten Regionen fest.
mf
