Zeitpunkt für Probebetrieb steht auch schon fest
Neues Rufbus-System im Berchtesgadener Land: Droht beim Tarifkonzept ein Streit?
Als Ergänzung zum normalen Linienbus- und Schienenverkehr beabsichtigt das Landratsamt einen landkreisweiten On-Demand-Verkehr mit Kleinbussen und ÖPNV-Taxis. Am Mittwoch wurde das Konzept erstmals präsentiert. Welche Tarife gibt es? Was hat es mit den drei Betriebsbereichen Nord, Mitte und Süd auf sich? Und warum herrscht bei einer Servicepauschale Streitpotenzial? Die Vorstellung im Ausschuss für Umweltfragen, Energie, Landkreisentwicklung und Mobilität lieferte erste Antworten.
Bad Reichenhall - Schon seit vielen Monaten wird an dem Projekt gearbeitet, im Sommer folgten die ersten Details. Bürgermeister und Kommunalvertreter aus den 15 Gemeinden, Mobilitätsdienstleister und Interessengruppen: Es gab seitdem viel abzustimmen und zu besprechen. Auch lokale Taxi-Unternehmen spielen eine wichtige Rolle, wie bei der Vorstellung durch Stefan Löw, als Leiter der Stabsstelle Landkreisentwicklung auch für Mobilität zuständig, deutlich wurde. „Es wird ein Mischsystem aus Rufbus und ÖPNV-Taxis“, schildert Löw. Es soll sich am Rosenheimer Rufbus Rosi orientieren, der nicht nur im Landkreis Rosenheim gut ankommt.
Das erarbeitete Haltestellenkonzept sieht einen Radius von grundsätzlich 300 Metern vor. In abgelegenen oder gestreuten Siedlungen kann der Radius auch überschritten werden, die maximale Entfernung soll bei 500 Metern liegen. Ausschussmitglied Thomas Gasser (CSU) hakte hier ein und fragte, ob beispielsweise ältere Fahrgäste auch von Haus zu Haus gebracht werden können. „Nein, das ist nicht vorgesehen, die Busse fahren nur von Haltestelle zu Haltestelle. Wir wollen den eigentlichen Taxiverkehr nicht gefährden“, so Löw. Neben den bereits bestehenden Haltestellen aus dem Linienverkehr wird es auch neue geben. „Dadurch kann die räumliche Erschließung von circa 80 Prozent auf künftig 93 Prozent der Siedlungsflächen im Landkreis verbessert werden.“
Landkreis in drei Betriebsbereiche aufgeteilt
Der Landkreis wird in die drei Betriebsbereiche Nord, Mitte und Süd eingeteilt, da die Bedienung der gesamten Nord-Süd-Ausrichtung lange Fahrzeiten bedeuten würde. Dementsprechend lange wären die Fahrzeuge im Einsatz und von Gemeinde zu Gemeinde herrschen auch unterschiedlichen Anforderungen. „Das können wir den Fahrern nicht zumuten und administratorisch wäre das sehr schwer umzusetzen“, erklärte Löw.
Zum Bereich Nord gehören Laufen, Saaldorf-Surheim, Freilassing, Teisendorf (ab 2027) und Ainring (ab 2027). Dem Bereich Mitte werden Anger, Piding, Bad Reichenhall, Bayerisch Gmain und Schneizlreuth zugeordnet. In den Bereich Süd fallen Bischofswiesen, Marktschellenberg, Berchtesgaden, Schönau und Ramsau.
Zu diesen Uhrzeiten könnten die Rufbusse fahren
Für die einzelnen Bereiche gelten folgende Kapazitäten und Bedienzeiten:
- Nord: ein Fahrzeug, ab 2027 ein zweiter Rufbus; von Montag bis Freitag von 5.30 Uhr bis 20 Uhr, am Wochenende von 8 bis 20 Uhr. Die Bedienung in Freilassing erfolgt nur außerhalb der Betriebszeiten des Stadtbusses, danach ist dort der On-Demand-Verkehr bis 22 Uhr möglich. In Saaldorf-Surheim und Ainring fährt der Rufbus ab 2027 bis 22 Uhr. Es wird einen Übergang zwischen der Gemeinde Anger und der Haltestelle Teisendorf Bahnhof geben.
- Mitte: zwei Fahrzeuge, von Montag bis Freitag von 6 bis 20 Uhr, am Wochenende von 8 bis 20 Uhr. Die Bedienung des Betriebsgebietes des Bad Reichenhaller Stadtbusses erfolgt nur außerhalb von dessen Betriebszeiten, währenddessen gibt es folgende Umsteigepunkte: Bad Reichenhall Bahnhof, Bayerisch Gmain Brücke, Bad Reichenhall Rathaus, Bad Reichenhall Kirchberg, Piding Bahnhof. Nach Ende der Stadtbus-Betriebszeiten ist der Rufbus bis 22 Uhr buchbar, zudem werden Piding und Bayerisch Gmain bis 22 Uhr bedient. Es ist ein Übergang zwischen der Gemeinde Schneizlreuth und der Haltestelle Hintersee (Ramsau) geplant.
- Süd: im Sommer drei Fahrzeuge, im Winter zwei, von Montag bis Freitag von 6 bis 20 Uhr, am Wochenende von 7 bis 20 Uhr. Im Winter erfolgt die Bedienung am Wochenende erst ab 8 Uhr. Zwischen der Gemeinde Ramsau und der Haltestelle Rennerparkplatz in Schneizlreuth soll es einen Übergang geben.
In allen drei Bereichen ist auch ein Übergang nach Österreich denkbar, dieser wird von der Förderung aber nicht abgedeckt und müsste zusätzlich bezahlt werden.
Auf den Landkreis könnten folgende Kosten zukommen:
| Jahr | Ab 7. 2025 | 2026 | 2027 | 2028 | 2029 |
| Gesamtkosten | 709.250 € | 1.291.500 € | 1.609.500 € | 1.609.500 € | 1.449.500 € |
| Einnahmenprognose | -115.000 € | -230.000 € | -275.000 € | -275.000 € | -275.000 € |
| Mögl. Förderung | -307.000 € | -526.000 € | -535.000 € | -482.000 € | -428.000 € |
| Eigenanteil Kreis | 287.250 € | 535.500 € | 799.500 € | 852.500 € | 746.500 € |
Buchung via App oder Telefon
Das landkreisweite Rufbussystem sieht eine Buchung über eine Fahrgast-App vor, welche dem Fahrpersonal den optimierten Routenverlauf anzeigt und den Fahrgästen dadurch auch kalkulierte Abhol- und Ankunftszeiten anzeigt. Damit auch Menschen ohne Smartphone oder Internetzugang beziehungsweise in Regionen mit schwachem Internet eine Fahrt buchen, wird es eine telefonische Hotline geben. Die Haltestellen werden landkreisweit einheitlich mit einem einprägsamen Design gestaltet. Die Fahrten werden mit dem Fahrzeugtyp (barrierefreie) Kleinbusse und Taxi-Fahrzeugen bedient. Spannend: Es soll eine App für den landkreisweiten ÖPNV geben, das heißt auch Angebote der anderen Stadtbusse oder des Schienenverkehrs werden darin sichtbar.
Die maximale Wartezeit soll 45 Minuten betragen, die maximale Gehzeit 30 Minuten in Summe - das heißt zum Beispiel 10 Minuten zum Start- und 20 Minuten zum Zielpunkt. Es soll maximal zwei Umstiege geben. Fahrten von einem Bereich in einen anderen (von Nord nach Mitte zum Beispiel) sind nicht angedacht, außer an den jeweiligen Übergängen.
Das Tarifkonzept
So weit, so gut, doch: Was sollen die Fahrten kosten? Ein erstes Tarifkonzept sieht folgendes vor: Gemäß einer Grundlagenstudie ist im Gemeindebereich ein Preis von 2,30 Euro vorgesehen. Der Zonentarif - eine Zone entspricht einem Betriebsbereich des On-Demand-Verkehrs, also Nord, Mitte und Süd - liegt bei 3,10 Euro. Anerkannt werden Deutschlandticket, Gästekarten und Zeitkarten. Wichtig: Aktuell wäre pro Fahrt ein Servicezuschlag in Höhe von zwei Euro geplant. Ein Aspekt, der bereit in der Vorberatung im Ausschuss für Diskussionen sorgte.
Das ist doch eher eine Verschlechterung.
Vor allem Sven Kluba (CSU) störte sich daran. „Wir müssen den Verkehr zu den Leuten bringen, das ist gerade im ländlichen Raum wichtig. Aber durch den Servicezuschlag wird eine Fahrt im Bereich Norden teurer, als sie jetzt ist. Das ist doch eher eine Verschlechterung“, meinte er. Er bat darum, den Servicezuschlag in der Kreistagssitzung noch einmal zu diskutieren und eventuell aus dem Konzept zu streichen. Bis dahin will auch die Verwaltung herausfinden, was für einen finanziellen Einfluss das hätte. Auch Andreas Nutz (CSU) bemängelte den Servicezuschlag. „In den Städten hat man schon so mehr vom ÖPNV und dem 49-Euro-Ticket, und bei uns muss man noch pro Fahrt zwei Euro dazu zahlen? Das wäre eine Fehlentwicklung.“
Effizienter und digitaler
Ludger Jürgens von der DB Regio erläuterte, dass man mit dem neuen landkreisweiten On-Demand-System einen Bestand übernehme. Auf den ersten Blick sei das vielleicht keine Verbesserung, aber die Abläufe würden effizienter gestaltet. Und Stefan Löw von der Stabsstelle Landkreisentwicklung verwies darauf, dass die Angebotsqualität durch das digitale System verbessert werde.
Dass sich an den jeweiligen Einsatzzeiten der Rufbusse und ÖPNV-Taxis noch etwas ändert, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden. Es sei möglich, in den jeweiligen einzelnen Bereichen Kapazitäten, etwa bei den Uhrzeiten, dazuzubuchen. „Aber diese Kosten müssen dann die entsprechenden Gemeinden tragen“, machte er klar. Vor allem aus dem Süden gebe es bereits Interesse daran.
Landkreisübergreifende Fahrten nach Traunstein?
Ausschussmitglied Franz Eder (Grüne) teilte mit, dass er das neue On-Demand-System sehr begrüße. „Es freut mich, dass es auch eine telefonische Buchung geben soll.“ Auf die Frage aus dem Gremium, ob es in Richtung Traunstein auch landkreisübergreifende Fahrten geben könnte, antworte Löw: „Nein, das ist nicht geplant. Doch die neue App kann Fahrten in Richtung Traunstein anzeigen.“ Landrat Bernhard Kern meinte, dass dies ein Thema für den möglichen gemeinsamen Verkehrsverbund mit dem Nachbarlandkreis sein könnte.
Geplant ist - vorbehaltlich der Zustimmung durch den Kreistag - eine Probephase von zweieinhalb Jahren ab dem 3. Quartal 2025.