Anlieger wehren sich gegen Ausbau der Strecke
BGL4 bei Weißbach: Verschärft die wochenlange Vollsperrung die Verkehrslage in Bad Reichenhall?
Ausgerechnet jetzt, wo der Pidinger Kreisverkehr an der B20 saniert wird, droht Bad Reichenhall noch mehr Verkehr. Ab April wird unter Vollsperrung die Kreisstraße zwischen dem Ortsteil Weißbach und Bayerisch Gmain instandgesetzt. Damit führt wochenlang kein Weg mehr vorbei an einer Fahrt durch die Kreisstadt. Und wer sich nun Hoffnung auf eine breitere Fahrbahn oder einen Geh- und Radweg im Bereich der Obermühle macht, der wird enttäuscht. Das Staatliche Bauamt klärt über die Maßnahme und die Ablehnung der Anlieger auf.
Bayerisch Gmain/Bad Reichenhall - Schon seit Wochen stellen sich die Verantwortlichen aus dem Staatlichen Bauamt in Traunstein sowie die Bürgermeister aus Piding, Anger und Bad Reichenhall auf das Schlimmste ein, wenn die Sanierung des Kreisverkehrs losgeht. Die Angst vor langen Staus und großen Verzögerungen, verbunden mit weiteren Belastungen für die ohnehin vom zunehmenden Straßenverkehr genervten Anwohner, dürfte durch eine weitere Baustelle nur verstärkt werden. Denn die BGL4 zwischen Weißbach und Bayerisch Gmain, gerne als Umfahrung von Bad Reichenhall genutzt, wird von April bis Juni voll gesperrt.
Weil der Weinkaser bei Schneizlreuth ohnehin noch bis Mitte 2026 gesperrt bleibt, brauchen Autofahrer bis Juni wohl starke Nerven: An einer Fahrt durch Bad Reichenhall führt dann, etwa auf dem Weg vom südlichen Landkreis in Richtung Mitte oder Norden oder umgekehrt, wohl kein Weg mehr vorbei. Es sei denn, es wird der Umweg über Österreich in Kauf genommen. Doch in Marktschellenberg wartet mit dem Brückenneubau an der B305 die nächste Baustelle.
Im 90 Grad Winkel durch die enge Kurve
Wie Martin Bambach vom Bauamt erklärt, ist die Kreisstraße zwischen der B20 in Bayerisch Gmain und der B21 im Reichenhaller Ortsteil Weißbach größtenteils ausgebaut. Doch das trifft nicht auf einen etwa 900 Meter langen Abschnitt im Bereich der sogenannten Obermühle zu. Vor allem die enge Kurve, die beinahe im 90 Grad Winkel um das Gebäude herumführt, fordert die Verkehrsteilnehmer. „In den vergangenen Jahren wurde immer wieder mit den betroffenen Anliegern überlegt, die Straße richtlinienkonform mit einem begleitenden Geh- und Radweg auszubauen. Allerdings konnte nie eine Einigung erzielt werden“, so Bambach.
Eine Informationsveranstaltung mit den Anwohnern zur Vorbereitung der Baumaßnahme habe ergeben, dass die Kreisstraße „keinen Millimeter breiter“ asphaltiert werden darf. Somit wird die Kreisstraße auf etwa zwei Kilometern Länge im Zeitraum April bis Juni unter einer etwa sechs bis acht Wochen dauernden Vollsperrung instandgesetzt. Das Bauamt hatte dem Landkreis diese Maßnahmen empfohlen, weil sich der Fahrbahnzustand zunehmend verschlechterte.
„Dadurch erklärt sich die Sichtweise der betroffenen Anlieger“
Bambach weiß, dass die Kreisstraße sowohl für die Anwohner als auch den Durchgangsverkehr eine hohe Bedeutung hat. „Die BGL4 steht außerdem im Zusammenhang mit einem möglichen Bau der Umfahrung von Bad Reichenhall, deren Umsetzung zu einer deutlichen Verkehrsverringerung auf der Kreisstraße führen würde. Nach meiner Auffassung erklärt sich dadurch die Sichtweise der betroffenen Anlieger von selbst und als Straßenbaulastträger haben wir Respekt davor“, versichert er.
Zu den Plänen einer Umfahrung der Kreisstadt inklusive Tunnel ist es in den vergangenen Jahren sehr still geworden, nachdem ein Gutachten im Jahr 2021 ergeben hatte, dass der Verkehr schon damals als „kritisch“ eingestuft und mit einer Zunahme gerechnet wurde. Das Bauamt hatte vor vier Jahren erklärt, für die Planungen eines solchen Projektes „keine Kapazitäten“ zu haben.
Die Bauvorbereitung in Weißbach ergab übrgiens im Bereich der Obermühle eine zusätzliche Herausforderung: Die vorhandenen Schichten des Fahrbahnaufbaus bestehen auf circa 900 Metern Länge aus stark belastetem pechhaltigem Material. Während auf dem restlichen Abschnitt der Straße nur die Asphaltdeckschicht nur abgefräst und durch einen neuen Belag ersetzt wird, muss dieses Material ausgebaut und entsorgt werden.
„Krebserzeugende Wirkung nachgewiesen“
Bambach erklärt, dass bis Ende der 1970er-Jahre Straßenbaustoffe unter Verwendung pechhaltiger Bindemittel hergestellt wurden. Weil Straßenbaudecken eine Lebensdauer von 15 bis 30 Jahre besitzen, „liegen die heute zum Ausbau kommenden pechhaltigen Schichten meist in überbauter Form (unter Asphaltschichten aus bitumenbasierenden Straßenbaustoffen) vor“. Problematisch ist das Material deswegen, weil es aufgrund der Herstellung einen hohen Gehalt an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und Phenolen enthält. „Für PAK dieser Herkunft ist die krebserzeugende Wirkung in epidemiologischen Untersuchungen nachgewiesen worden“, sagt der Abteilungsleiter des Bauamts mit Verweis auf Daten des Landesamts für Umwelt. Zudem sei pechhaltiger Straßenaufbruch als stark wassergefährdend eingestuft.
Zwar sind pechhaltige Bindemittel noch in vielen alten Straßen vorhanden, „doch sie stellen grundsätzlich keine Gefahr dar, weil ihre wassergefährdende Wirkung jeweils ausgeschlossen oder mehr als gering ist“. Deshalb werde beim Straßenbau jeweils nach der Prämisse des geringsten Eingriffs entschieden, das heißt: Der Aufbruch pechhaltiger Straßen erfolgt nur bei einem notwendigen Ausbau. Bei Instandsetzungsmaßnahmen werden laut Bambach pechhaltige Schichten so überbaut, dass keine wassergefährdende Wirkung ausgeht.
„Bei der BGL4 sind wir wegen der Festsetzung als Überschwemmungsgebiet gehalten, die Höhenlage nicht zu verändern. Da der vorhandene pechhaltige Straßenaufbau zu gering ist, müssen wir neben den gebundenen Schichte (etwa 5 bis 10 Zentimeter) auch das Material unter diesen Schichten, das ebenfalls pechhaltig ist, ordnungsgemäß entfernen, um für den neuen Straßenaufbau aus etwa 14 Zentimeter Asphalt ausreichend Höhe zu erhalten“, erklärt Bambach die Besonderheit der Bauarbeiten im Bereich der Obermühle. (ms)