„Wir ersticken im Schwerlastverkehr“
1.600 Unterschriften dem Landrat übergeben - Verkehrsinitiativen im BGL wollen Maßnahmen
Einen ganzen Ordner voll mit Unterschriften und Kommentaren von betroffenen Anwohnern im Kleinen deutschen Eck wurde von den sechs Verkehrsinitiativen, die sich entlang der B 20 / B21 gebildet haben, dem Landrat übergeben.
Mitteilung der Verkehrsinitiativen im BGL im Wortlaut
Mit dabei hatten sie einen Forderungskatalog mit mehr als zwanzig Maßnahmen, wie man die Verkehrsbelastung für die Anwohner vermindern und die Verkehrssicherheit erhöhen könnte. Landrat Bernhard Kern nutzte den Termin, um die vorgeschlagenen Maßnahmen zu erörtern und hatte dazu Vertreter von Polizei, Straßenbauamt, Bürgermeister und aus der Verkehrsverwaltung des LRA eingeladen.
Im Namen der Anwohnerinitiativen verwies Ulrich Scheuerl besonders auf die 39 Seiten mit Kommentaren der Betroffenen entlang der Transitstrecke. Bei der Unterzeichnung der Petition konnten sie ihrem Ärger Luft machen und sie hätten davon ausführlich Gebrauch gemacht:
Kommentarbeispiele aus der Online-Petition:
„Es vergeht kein Tag für die hier Wohnende Bevölkerung ohne lebensgefährliche Situationen (Überholen bei Gegenverkehr, Überholen über Sperrflächen, Fahrten in den Gegenverkehr auf Grund zu hoher Geschwindigkeit oder Ablenkung, riskante Wendemanöver in Nothaltebuchten).“
„Wir wohnen direkt an der B21. Meine Familie und ich leiden besonders unter dem hohen Lärmpegel und der Schadstoffbelastung“.
„Wir ersticken im Schwerlastverkehr. Der Politik ist es egal.“
„Wir sind als Anwohner direkt betroffen. Der Verkehr nimmt wahnsinnige Ausmaße an, niemand hält sich an Tempolimits. Es wird gefahren wie blöd .... nur eine Frage der Zeit bis man selbst in einen Unfall verwickelt ist!“
„Alleine 10 schwere Verkehrsunfälle im Einsatzbgebiet der Feuerwehr Schneizlreuth zwischen Saalachsee und Grenze Melleck im letzten Jahr sind 10 Gründe JETZT zu handeln. Dies ist eine enorme physische und psychische Belastung für die Ehrenamtlichen Einsatzkräfte der Feuerwehr Schneizlreuth.“
„Anstatt die Anwohner durch Geschwindigkeitsbegrenzungen und Schutzmaßnahmen zu schützen gilt: „Freie Fahrt für alle, insbesondere für Raser und den Schwerverkehr.“
Von den vorgeschlagenen Maßnahmen, welche „die Politik“ machen könnte, wurden vom Landrat einige aufgegriffen und erörtert. Etwa ob man das LKW-Nachtfahrverbot nicht mit einer automatischen Kennzeichenerfassung in den Griff bekommen könnte. Aber sowohl Bernhard Resch von der Polizeidirektion Oberbayern Süd als auch Daniel Bechtel, der zuständige Vertreter des Landratsamts, hatten Bedenken, weil Datenschutzgründe dagegen stünden. Bernhard Resch führte aus, dass die Polizei für derartige Datenerhebungen lediglich bei sehr schweren Straftaten, die in der StPO genau definiert und abschließend genannt sind, eine Rechtsgrundlage zur Verfügung steht. Da Verkehrsordnungswidrigkeiten wie Verstöße gegen das Nachtfahrverbot hier nicht aufgeführt sind, wären dementsprechende Datenerhebungen also rechtswidrig und können nicht durchgeführt werden.
Auch auf die Frage der Vertreter der Verkehrsinitiativen, warum das LKW-Nachtfahrverbot nur noch sporadische überwacht werde und die Zahl der Ausnahmegenehmigung so zugenommen haben, gab es eine Erklärung. Von Seiten der Polizei wurde darauf verwiesen, dass bei einer beschränkten Personalstärke bayernweit Prioritäten gesetzt werden müssen. Weil Einsätze für Demonstrationen und bei Sportveranstaltung zunehmen sei bei der Abwägung das LKW-Nachtfahrverbot von seiner Dringlichkeit her als nachrangig gewertet worden. Bei den Ausnahmegenehmigung wurde darauf verwiesen, dass es zeitweise solche mit Befristung gibt. Hohe Zahlen seien deshalb oft bloß für kurze Zeit gegeben.
Abschreckung durch Gewinnabschöpfung?
Die von den Verkehrsinitiativen schon mehrfach vorgeschlagene Gewinnabschöpfung wird jetzt getestet. Statt 80 Euro Bußgeld bei einem Verstoß gegen das LKW-Nachtfahrverbot könnten je nach dem, welchen Gewinn die Spedition durch die Fahrt erzielt hätte, bis zu mehreren tausend Euro verhängt werden, so die Anwohnervertreter. Von den Polizeivertretern hieß es dagegen, das bringe weniger als tausend Euro, dafür einen relativ hohen Aufwand. Ein Vertreter der Initiativen widersprach dem, mit dem Hinweis, dass im Rahmen des sogenannten „Bruttoprinzips“ natürlich ein nicht unerheblicher Ermittlungsaufwand verbunden ist, aber in Relation zu den kräfteintensiven Großkontrollen wäre das in jedem Fall vertretbar. Um festzustellen, ob die Gewinnabschöpfung im Verhältnis zum Bußgeld eine abschreckende Wirkung habe, einigte man sich zuletzt, dass es in nächster Zeit mit speziellen Kräften probeweise eine solche Abschöpfung geben werde.
Das Thema Ortsdurchfahrt in Aufham wurde von Günter Wolf, dem Sprecher der dortigen Initiative, wie schon so oft, problematisiert. Er erläuterte, dass der Mautausweichverkehr in Aufham große Probleme bereite und dringend unterbunden werden müsste. Zudem würden auf einer Strecke von 200 Meter in der engen Durchfahrt neun gefährliche Ein- bzw. Ausfahrten bestehen und deshalb auf Tempo 30 begrenzt werden sollte. Landrat Bernhard Kern sagte zu, erneute zu prüfen, ob es für Aufham Lösungsmöglichkeiten gibt.
Muß erst etwas passiert sein?
Manfred Hofmeister thematisierte die Situation bei der Ausfahrt einer Spedition in Türk. Diese mündet an einer Stelle auf die B 21 ein, bei der Tempo 100 erlaubt ist. Hier habe er schon vor Jahren Tempo 80 gefordert. Dies sei bisher auch mit dem Hinweis, wonach dort keine schweren Unfälle geschehen seien, abgelehnt worden. Für Hofmeister sei diese Begründung nicht nachvollziehbar. So sei bei vergleichbarer Belastungen an der B 20 im Bereich Piding – Richtung Hammerau und in Feldkirchen Tempo 70 vorgeschrieben. Zudem bringt eine Reduzierung von Tempo 100 auf 80 km/h auch spürbar den Lärm für Anwohner zwischen Weißbach und Schwarzbach. Und wenn solche Streckenabschnitte erkennbar gefährlich seien, dann müsste es möglich sein, auch ohne entsprechende Unfälle die Situation zu entschärfen. Der Reichenhaller Oberbürgermeister Lung sicherte ihm beim Gespräch im Landratsamt eine erneute Prüfung zu.
Erneute Besprechung im März
Weitere Themen waren dann noch die gefährliche Situation in Ristfeucht, das Tempolimit bei Nässe in Baumgarten, Tempo 30 vor der Schule in Bayer. Gmain, Tempo 50 wegen Lärmschutz in Piding und eine mögliche Öffnung der Behörden internen Verkehrsunfallkommission (VUK) für die Betroffenen vor Ort. Da bei dem Termin nicht alles ausführlich besprochen werden konnte und Fragen ungeklärt blieben, hat der Landrat den Verkehrsinitiativen zugesagt, im März erneut einen Termin anzusetzen und vorher den Anwohnervertretern ihren Maßnahmenkatalog, versehen mit den Vermerken aus seiner Behörde, zurückzuschicken. Damit würde den Vertretern der Anwohner die Möglichkeit eröffnet, ihre Forderungen auf Basis der Behördenvermerke noch einmal zu überprüfen und eventuell zu konkretisieren.
Pressemitteilung der Verkehrsinitiativen im BGL