Erstaufnahmeeinrichtung in Karlstein
Wegen Unterkunft für Asylbewerber: Verklagt die Modefirma Dollinger die Stadt Bad Reichenhall?
Der Stadtrat von Bad Reichenhall muss am Dienstag (25. März) über ein brisantes Thema entscheiden. Mitte November hatte der Bauausschuss eine Nutzungsänderung des Dollinger-Firmengebäudes im Ortsteil Karlstein in eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber abgelehnt. Eigentümerin und Geschäftsführerin Kathrin Proft bezeichnet diese Entscheidung als „sehr enttäuschend und überraschend“. Jetzt spricht sie über die drohende Klage inklusive Schadensersatzforderung, den wirtschaftlichen Druck bei Dollinger und warum sie die Entscheidung als „rein politisch“ bezeichnet.
Bad Reichenhall - Das Firmengebäude in der Hainbuchenstraße 12 wird von Dollinger schon länger nicht mehr für betriebliche Zwecke genutzt, wie Proft erklärt. War hier früher das Büro untergebracht, folgte im Zuge des ersten Coronajahres die Verkleinerung aus geschäftlichen Gründen und der Umzug in die Filiale in der Reichenhaller Ludwigstraße. Dann kam der Ukraine-Krieg und die dringende Suche des Landkreises nach Unterkünften für Flüchtlinge. „Ich habe mich gemeldet und das Haus für eine sehr günstige Miete angeboten. Mir wurde daraufhin mitgeteilt, dass sich das Landratsamt um alles Weitere kümmere. Darauf habe ich mich verlassen“, so Proft.
Der Mietvertrag lief und so wurde aus den früheren Büros eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber. Dann kam das Landratsamt den Schilderungen der Dollinger-Chefin zufolge auf sie zu und teilte mit, dass sie eine Nutzungsänderung bewilligen lassen müsse. „Mir war das nicht bewusst, weil es beim Abschluss des Mietvertrags hieß, die Behörde erledige alles. Aber natürlich bin ich rechtlich dafür verantwortlich, also habe ich den Prozess ins Laufen gebracht.“
Platz für etwa 50 Personen
Zwischendurch kamen in der Hainbuchenstraße 12 nicht nur Ukrainer, sondern auch Flüchtlinge aus anderen Ländern hier unter. Die Räume bieten Platz für etwa 50 Personen, so Proft. „Ab und zu kommt ein Bus aus München und bringt die Menschen zu uns. Sie bleiben wenige Wochen und werden dann auf andere Wohnungen verteilt. Dann steht das Gebäude wieder monatelang leer“, schildert sie das Prinzip. Es sei eben eine Erstaufnahmeeinrichtung und keine Dauereinrichtung.
Doch dann regte sich Widerstand unter den Nachbarn. Vor allem die Nutzung der Küche, untergebracht in einem Gebäudeteil nahe der Grundstücksgrenze und damit bei den benachbarten Gärten, stellte sich als Kritikpunkt heraus. Nach vielen Gesprächen mit der Stadt und dem Landratsamt stimmte sie den Forderungen der Nachbarn zu und ließ die Küche in einen anderen Raum verlegen - inklusive Wassergutachten, Bauschutz und weiterer Kosten. „Ich habe dann alle Unterlagen eingereicht, die daraufhin vom Bauausschuss abgelehnt wurden. Das war sehr enttäuschend und überraschend.“
OB Lung wird von Rechtsaufsicht zu Statement aufgefordert
Mit zwei zu fünf Stimmen stimmte der Ausschuss am 18. November 2024 gegen die Nutzungsänderung, wie die Stadt Bad Reichenhall in der Beschlussvorlage für die kommende Stadtratssitzung (25. März) schreibt. Weiter heißt es, dass sich daraufhin das Landratsamt als Mieterin der Liegenschaft an die Rechtsaufsichtsbehörde wendete. Daraufhin wurde Oberbürgermeister Christoph Lung, der sich im Vorfeld der Sitzung nicht zum Thema äußern wollte, von der Regierung Oberbayern zu einer Stellungnahme aufgefordert.
Lung machte darin wohl geltend, dass der Ausschuss offenbar einen Verstoß gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 15 BauNVO angenommen habe und darum eine Beanstandung des Beschlusses als rechtswidrig nicht angezeigt sei. Von der Regierung Oberbayern folgte die Rückmeldung, dass im Falle einer Klage der Nachbarn - sollte die Genehmigung doch ereilt werden - ein aufsichtliches Einschreiten nicht veranlasst sei. Doch es gab auch den Hinweis, dass die Antragstellerin - also die Firma Dollinger - sehr wohl gegen eine Ablehnung der Genehmigung klagen kann. Und genau das kündigte Proft daraufhin auch an.
Finanzieller Druck bei der Modefirma
„Laut meinem Anwalt ist eine Ablehnung rechtlich nicht haltbar, weil keine baurechtlichen Bedingungen dagegen sprechen. Das Gebiet ist für solche Einrichtungen geeignet und ich halte die Auflagen ein“, betont sie. Der Mietvertrag sei auch aus wirtschaftlichen Gründen für ihren Betrieb ein wichtiger Aspekt. Im Herbst 2024 hatte Dollinger bekanntgegeben, mehrere Filialen in der Region zu schließen. „Wir kämpfen sehr seit Corona und brauchen das Geld. Der Mietvertrag gilt für drei Jahre, da geht es insgesamt um 200.000 Euro. Und eine alternative Nutzung ist nicht möglich, das Gebäude mietet sonst niemand.“
Mir droht ein enormer Schaden, den ich mir nicht leisten kann.
Ihr gehe es nicht darum, „Geld zu scheffeln“. Doch die Geschäftsführerin macht klar: „Mir droht ein enormer Schaden, den ich mir nicht leisten kann. Wir haben bei Dollinger die Einnahmen schon fest eingeplant, sonst hätte ich schon vor langer Zeit versuchen können, das Gebäude zu verkaufen oder anderweitig umzunutzen.“ Proft wiederholt: Sie haben den Mietvertrag, befand sich im Prozess mit der Stadt und habe Geld für Architekten und Planer ausgegeben, um die Unterlagen wie vereinbart einzureichen.
Geschäftsführerin vermutet politischen Hintergrund
In der Ablehnung des Bauausschusses, aber auch im Nicht-Eingreifen des Freistaats, sieht sie eine „rein politische Entscheidung“ und beruft sich dabei auch auf Aussagen mehrerer Ansprechpartner, die in dem Prozess beteiligt sind. „Kurz vor der Bundestagswahl wollte die CSU Bayern vermutlich nicht, dass sich der Freistaat über das empfindliche Thema hinwegsetzt und der Eindruck entsteht, dass noch mehr Flüchtlinge kommen“, glaubt Proft. Auch deshalb habe ihr Anwalt geraten, rechtlich dagegen vorzugehen.
Sie weiß selbst, dass im Falle des Klagewegs viel Zeit vergehen könnte, bis gerichtlich eine Entscheidung über die Nutzungsänderung getroffen wird, sofern der Stadtrat diese ablehnt. „Aber das gibt mir die Möglichkeit, auf Schadenersatz zu klagen. Wenn vermutlich erst in mehreren Jahren vom Gericht darüber entschieden wird, dann stand das Gebäude in der Zwischenzeit zwar leer, aber die Stadt muss mir den Mietausfall zahlen. Das sollte eigentlich jeder vermeiden: Ich brauche das Geld jetzt und die Stadt will das Gebäude entweder nutzen oder nicht zahlen. Das macht für alle Seiten keinen Sinn.“
„Die Belastung wurde entschärft“
Wie der Stadtrat entscheidet, das kann Proft nicht einschätzen. Sie dachte schon im Vorfeld, wenn sie auf die gestellten Forderungen eingeht, dass der Nutzungsänderung nichts entgegen spricht. „Ich verstehe die Bedenken der Nachbarn, aber die Belastung wurde entschärft. Das Thema muss rechtlich betrachtet werden“, fordert sie und macht darauf aufmerksam, dass sich die Diskussionen am Ende wieder um die Belegung von Turnhallen drehen würden. Auch das sei ein umstrittenes Thema.
„Ich habe eine leere Fläche, die trocken, sauber und nicht so abgelegen ist wie andere Unterkünfte. Besser geht es nicht!“ Sie hoffe auf eine andere Betrachtung und Bewertung durch den Stadtrat, denn: Für die Stadt sei das Risiko Schadensersatz in Höhe von 200.000 Euro sehr real. „Aus Sicht der Steuerzahler wäre das der Worst Case: Dann hab ich zwar mein Geld, aber diese Lösung will doch eigentlich niemand.“ (ms)
