Ein „Nein“ mit Signalwirkung: Die Ablehnung des vorgelegten Haushaltsplans durch Bad Reichenhalls Oberbürgermeister Christoph Lung lässt aufhorchen. Im Interview bekräftigt er seinen Standpunkt und zeigt sich verwundert darüber, dass ein Thema in der Haushaltsdebatte gar nicht erst angesprochen wurde. Vor allem die Kreisumlage „nimmt den Gemeinden die Luft zum Atmen“. Für Bad Reichenhall rechnet er bereits mit konkreten Folgen.
Bad Reichenhall - „Ich weiß, dass heute einige Kreisräte trotz geballter Faust in der Hosentasche dem Haushaltsplan zustimmen. Ich werde bewusst mit Nein abstimmen“, betonte Christoph Lung am Freitag bei der Haushaltsdebatte im Kreistag. Der Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Bad Reichenhall sorgte damit durchaus für eine Überraschung. Im Interview verrät er, wieso er sich gegen die Pläne der Verwaltung ausgesprochen hat.
Herr Lung, Sie haben in der Sitzung am Freitag gesagt, dass Sie sich bewusst gegen den Haushalt 2024 aussprechen werden. Warum wollten Sie bewusst ein Zeichen setzen?
Mit meinem „Nein“ zum Kreishaushalt wollte ich in doppelter Hinsicht ein Signal setzen: Einerseits als Zeichen an das Gremium, dass wir dringend über Einsparmöglichkeiten sprechen müssen und zweitens auch als Signal an die übergeordnete Politik, dass nicht immer neue Aufgaben nach unten delegiert werden dürfen, ohne für einen angemessenen Kostenersatz zu sorgen. Allein aufgrund der verfehlten Krankenhauspolitik des Bundes legt der Landkreis Berchtesgadener Land zehn Millionen Euro für die Kliniken drauf – und über die versteckten Kosten für den Asylbereich haben wir in der Kreistagssitzung zu meiner Verwunderung gar nicht gesprochen.
Fiel Ihnen diese Entscheidung schwer, haben Sie lange mit sich selbst darum gerungen?
Natürlich macht es keinen Spaß, gegen den Haushalt zu stimmen und sich gegen den Konsens der Kreistagsfraktionen zu stellen, - noch dazu, wenn der Landrat aus der eigenen Partei stammt und ich zu ihm ein gutes Verhältnis habe. Aber: Ich bin überzeugt, dass es so nicht weitergehen kann und deswegen war das „Nein“ zum Haushalt die logische Konsequenz.
Was sind Ihre Hauptkritikpunkte am Haushaltsplan?
Mein Hauptkritikpunkt ist, dass die Steigerung der Kreisumlage um fünf Prozentpunkte den Gemeinden die Luft zum Atmen nimmt, die aber an vielen Stellen dringend investieren müssen, um die kommunale Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Der Landkreis hingegen gönnt sich an vielen Stellen alte und neue Projekte, die zwar an sich wünschenswert, aber andererseits nicht im engeren Sinne notwendig sind.
Zum Beispiel?
Das gesamte Kapitel der freiwilligen Leistungen des Landkreises sollte auf den Prüfstand gestellt werden. Auch kann man mit Fug und Recht kritisch fragen, ob es wirklich eine
Aufwertung am Badegelände Abtsdorfer See braucht oder ob der Landkreis exorbitant viel Geld für den
drei Kilometer langen Radweg an der Kreisstraße BGL10 verauslagen sollte. Und der neue
On-Demand-Verkehr muss erst einmal finanziert werden, so wünschenswert er auch wäre
Was bedeutet die Erhöhung der Kreisumlage für die Stadt Bad Reichenhall ganz konkret?
Fünf Prozentpunkte klingen zunächst nicht viel. Dabei muss man aber sehen, dass auch die Umlagekraft der Gemeinden rechnerisch um rund zehn Prozent gestiegen ist. Zusammengenommen mit der Erhöhung des Umlagesatzes bedeutet das, dass die Stadt Bad Reichenhall statt bisher rund zehn Millionen Euro nunmehr rund 12,5 Millionen Euro an den Landkreis überweisen muss, also eine satte Steigerung von 25 Prozent. Ein Viertel mehr!
Sie haben bei der Kreistagssitzung auch erwähnt, dass die Gemeinden Leistungen streichen müssten, um die Kreisumlage zu stemmen. Worauf müssen sich die Bürger in Bad Reichenhall einstellen?
Sowohl der Haushaltsentwurf als auch die damit verbundenen Streichungen, Ausgabekürzungen und Einnahmesteigerungen müssen erst noch durch die Gremien. Aber schon jetzt zeichnet sich ab, dass wir manche freiwillige Leistung zurückfahren müssen und etwa Gebühren für einige Einrichtungen erhöhen werden.
Wird die Kreisumlage auch im kommenden Jahr zum Streitthema?
Es würde mich wundern, wenn nicht! Ich gehe stark davon aus, dass die kommunalen Finanzen auch in den kommenden Jahren unter Druck stehen, denn die belastenden Trends halten allesamt an.
Kliniken, Verkehrsverbund - es gibt einige große Themen in Verbindung mit Traunstein. Woher rührt die viele Kritik aus dem Kreistag in Richtung Nachbarlandkreis?
Ich glaube, man muss da die Schärfe wieder aus der Diskussion bekommen. Der Ton, den da insbesondere die AfD angeschlagen hat, ist zurückzuweisen. So geht man unter Partnern nicht miteinander um und das verdient auch Widerspruch: Der Landrat von Traunstein ist kein „Sonnenkönig“, sondern mit großer Mehrheit demokratisch gewählt. Mir ist auch nicht bekannt, dass er sich ein Schloss gebaut hätte oder eine öffentliche Aufstehzeremonie abhalten würde.
Im Gegenteil: Der Landkreis Traunstein ist für das Berchtesgadener Land ein natürlicher Partner, mit Blick auf die Landkarte im Übrigen auch der einzige auf bayerischer Seite. Siegfried Walch macht als Landrat eine im wahrsten Sinne des Wortes hervorragende Arbeit und versucht legitimerweise, für seinen Landkreis, für den er Verantwortung trägt, das Beste herauszuholen.
Die Zusammenarbeit zwischen den Landkreisen muss dabei auf Augenhöhe funktionieren und von gegenseitigem Verständnis getragen sein. Und die Kritik mancher aus dem Kreistag liegt meiner Meinung daran, dass man sich mehr Augenhöhe und mehr Verständnis füreinander wünscht. Dann müssen wir aber auch mit gutem Beispiel vorangehen und unsere Position klar, aber sachlich vortragen. Und wir müssen vielleicht selber manchmal auch mehr Verständnis für unseren Partner zeigen: Der Kreisumlagesatz in Traunstein ist schließlich höher als im Berchtesgadener Land.
Welchen Standpunkt vertreten Sie bei der Bewertung der bisherigen Zusammenarbeit mit Traunstein?
Meine Position ist: Wir sind aufeinander angewiesen! Der Landkreis Berchtesgadener Land braucht den Landkreis Traunstein und umgekehrt. Wann immer wir in der Vergangenheit zusammengehalten haben, hat das auch positive Ergebnisse gebracht. Wir dürfen uns da im äußersten Südosten Bayerns auch nicht auseinanderdividieren lassen. Wenn wir uns selber nicht helfen, brauchen wir doch auch nicht erwarten, dass uns sonst jemand hilft.
Wir müssen aber auch „leben und leben lassen“, um einen gängigen Satz zu bemühen. Insofern wünsche ich mir, dass wir künftig noch besser und geräuschloser zusammenarbeiten. Alle Beteiligten waren sich bisher auch über die Größenverteilung im Klaren. Das heißt, dass das Berchtesgadener Land der kleinere, der Landkreis Traunstein der stärkere Partner ist. Traunstein hat mehr als doppelt so viele Gemeinden, fast doppelt so viele Einwohner, eine doppelt so hohe Steuerkraft wie das Berchtesgadener Land.
Der Schuldenberg des Landkreises wird in den kommenden Jahren deutlich ansteigen. Gleichzeitig stehen gewaltige Aufgaben vor der Tür. Wie soll dieser Spagat gelingen?
Um ehrlich zu sein, ist diese Frage sehr schwierig zu beantworten und die letztgültige Antwort darauf habe ich nicht, zumal mir die Glaskugel fehlt. Aber meines Erachtens muss sich der Kreistag im Berchtesgadener Land gemeinsam aufraffen und selbstkritisch fragen: Sind alle Beschlüsse, die wir gemeinsam getroffen haben, wirklich notwendig und finanzierbar? In jedem Falle müssen wir stärker darauf achten, die Gemeinden nicht zu überlasten.
Welche Rolle werden Sie als OB der Großen Kreisstadt künftig bei dieser Gratwanderung einnehmen?
Ich habe in Wahrheit zwei Rollen: Als OB der Stadt Bad Reichenhall und als Kreisrat im Berchtesgadener Land. In beiden Funktionen werde ich weiter konstruktiv an Lösungen (mit-)arbeiten, aber wenn nötig auch Kritik üben. Ich denke, die Bürger erwarten auch, dass man Sacharbeit leistet und dabei offen seine Meinung sagt.