Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Eines der größten Probleme der Region

„Verzweifelt“: Streit um Wohnen für Einheimische vs. Ferien-Domizile – gibt es eine schlaue Lösung?

Wohnungsnot in Hamburg
+
Vor allem junge Menschen suchen in der region vergeblich eine Wohnung - aber woran liegt das? (Symbol)

Mietwohnungen werden zwischen Chiemgau und Berchtesgadener Land häufig zu Ferien-Domizilen umgewandelt – das sorgt für jede Menge Frust bei den Bürgern. Die Bürgermeister von Rimsting, Bernau, Ruhpolding und Berchtesgaden erklären, wie sie mit dem Thema umgehen, was das eigentliche Problem ist und warum sich die Situation künftig noch verschärfen wird.

Chiemgau/Berchtesgaden – Pia Ostler kämpfte als Mitglied einer Bürgerinitiative erfolgreich dagegen, dass mit dem Chaletdorf am Bernauer Hitzelsberg ein großes Tourismus-Projekt in der Region gebaut wird. Nun hat sie sich mit einem Leserbrief an das OVB gewandt, in dem es um eines der größten Streitthemen in der Region zwischen Chiemgau und dem Berchtesgadener Land geht: die Umwandlung von Mietwohnungen in Ferienwohnungen.

„Die meisten Mitglieder eines Gemeinderats scheinen eigenen Haus- und Grundbesitz zu haben und können sich in die Situation von Menschen, die verzweifelt nach einer bezahlbaren und annehmbaren Wohnung suchen, nicht hineinversetzen“, schreibt Ostler dem OVB: „In den letzten zehn Jahren sind die Mieten fast um das Doppelte gestiegen, und ein Ende ist nicht in Sicht. Tourismus ist wichtig in unserer Region, keine Frage. Aber auf Kosten von Einheimischen, die hier leben, jungen Leuten, die bei den Eltern ausziehen möchten?

Rimsting ein Vorbild?

Anlass des Schreibens war die Ablehnung einer Nutzungsänderung von einer Miet- in eine Ferienwohnung durch Bauausschuss in Rimsting im April. Rimsting habe die Zeichen der Zeit erkannt und die „Prioritäten zugunsten wohnungssuchender Einheimischer“ gesetzt. In vielen anderen Gemeinden der Region wie auch in ihrem Wohnort Bernau sei das anders.

Rimstings Bürgermeister Andreas Fenzl.

Rimstings Bürgermeister Andreas Fenzl sagt dazu auf OVB-Anfrage: „Der Bereich Tourismus ist auch der Gemeinde Rimsting wichtig – aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes muss jedoch auf eine ausgewogene Entwicklung geachtet werden. Bei der Umwandlung von Wohnungen in Ferienwohnungen besteht die Befürchtung von vielen Bezugsfällen und damit dem Verlust zahlreicher Mietwohnungen.“

Zweitwohnungen als Problem

Bernaus Bürgermeisterin Irene Biebl-Daiber sieht das Problem anderswo: „Natürlich brauchen wir Wohnungen für Einheimische. Aber wir sind auch ein Tourismusort und generieren unverzichtbare Einnahmen daraus. Der große Dorn im Auge sind nicht die Ferienwohnungen, deren Zahl im übrigen in Bernau stagniert, sondern die Zweitwohnungen.

Bernaus Bürgermeisterin Irene Biebl-Daiber.

Also Domizile von wohlhabenden Menschen, die anderswo leben und die Wohnungen meist nur ein paar Wochen pro Jahr nutzen. Zweitwohnungen reduzieren nicht nur den verfügbaren Wohnraum für Einheimische, sondern sind auch für den Tourismus verloren. Bernau hat deshalb die Zweitwohnungssteuer auf 20 Prozent erhöht – aber juckt das die reichen Besitzer wirklich?

Vor allem in vielen Gemeinden rund um den Chiemsee erreicht die Zahl der Zweitwohnungs-Besitzer im Verhältnis zum verfügbaren Wohnraum locker zweistellige Prozentzahlen. Berchtesgaden hat deshalb schon vor ein paar Jahren die Notbremse gezogen und eine Zweitwohnungssatzung für Siedlungsgebiete erlassen. Demnach sind neue Nebenwohnsitze genehmigungspflichtig – und die Genehmigung wird in der Regel versagt. Ausnahmen gebe es laut Bürgermeister Franz Rasp nur für Lehrlinge im Gastro-Bereich oder Polizisten bzw. Soldaten im Einsatz.

Wie ist Ihre Meinung zum Thema Wohnen für Einheimische vs. Ferienwohnungen?

Bitte schreiben Sie uns, wie Ihre Meinung zum Thema ist. Sie können uns auch gern Ihre Geschichte erzählen.
Zuschriften bitte an per E-Mail an lars.becker@ovbmedia.de oder postalisch an die Redaktion der Chiemgau-Zeitung, Geigelsteinstraße 7, 83209 Prien am Chiemsee.

Zweitwohnungen: Berchtesgaden und Ruhpolding als Vorbild

„Wir hatten zwar zum Zeitpunkt der Einführung der neuen Regel nur rund fünf Prozent Zweitwohnsitze, aber wir wollten nicht, dass es noch mehr werden“, so Rasp zum OVB. Die neue Regelung sei in Kreuth am Tegernsee schon beklagt worden, habe aber vor Gericht gehalten.

Berchtesgadens Bürgermeister Franz Rasp bei einem Besuch einer gemeindeeigenen Immobilie.

Nach dem Vorbild von Berchtesgaden hat mit Ruhpolding auch ein weiterer Tourismusort aus der Region die Zweitwohnungs-Notbremse gezogen – Bestandsschutz gilt nur für bestehende Nebenwohnsitze. Laut Bürgermeister Justus Pfeifer habe die Maßnahme durchschlagenden Erfolg gehabt: „Investoren werden abgeschreckt. Die Zahl der Zweitwohnungen geht sogar leicht zurück.“ Die Zahl der Ferienwohnungen stagniert auch in Ruhpolding, weil vor allem viele ältere Besitzer nicht mehr vermieten.

Hohe Ansprüche

Gelöst ist das Problem mit dem Wohnraum für Einheimische deshalb noch lange nicht. In letzter Zeit wurden und werden 150 neue Wohnungen in der 7000-Einwohner-Gemeinde Ruhpolding geschaffen. Vor allem die kleineren und mittleren Größen könnten aber häufig nicht an Einheimische vermietet werden. „Viele sind in Häusern mit Garten aufgewachsen und ein solches Nest wollen sie auch ihrer Familie bauen“, so Pfeifer zum OVB. Die Ansprüche sind also hoch in Sachen Wohnen.

Ruhpoldings Bürgermeister Justus Pfeifer.

Familien mit Bauwunsch würden deshalb häufig in den nördlichen Teil des Landkreises abwandern, wo der Baugrund nur etwa 500 Euro pro Quadratmeter statt gut 900 wie in Ruhpolding koste. Im Gegenzug gebe es Familien aus dem nördlichen Landkreis, die in die wunderschön gelegene Touristen-Gemeinde ziehen würden: „Sie ziehen also in Ruhpolding genau in die Wohnungen, die eigentlich für Einheimische gedacht sind.“

Größe des Wohnraums pro Kopf ist hoch

Der Berchtesgadener Ortschef Rasp weist zudem auf das Problem hin, dass die Größe des Wohnraums pro Kopf noch nie so hoch gewesen sei wie jetzt: „Da wohnt die Oma vielleicht auf über 100 Quadratmetern – sie hat dort früher mit drei Kindern gelebt und zieht natürlich nicht mehr aus, weil das langjährige Mietverhältnis vergleichsweise günstig ist. Und sie vermietet in ihrem Alter auch nicht mehr – weder an Dauer-Untermieter noch als Ferienwohnung.“

Das Problem mit der großen Konkurrenz zwischen Wohnungen für Einheimische und Ferienwohnungen ist also wesentlich differenzierter zu betrachten. Auch die Unterbringung von Geflüchteten spielt in die Gemengelage hinein – in Bernau ist das Alte Rathaus mit Migranten belegt. Laut Biebl-Daiber versuche man vor allem durch Nachverdichtung dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Das große Problem sind jedoch die exorbitanten Baupreise.

„Das ist ein Riesenmist. Wir haben mehrere Projekte in der Pipeline, aber das Programm für die Fördergelder ist ausgeschöpft“, schimpft Rasp: „Es gibt kaum Eigentumswohnungs-Projekte, weil sie zu teuer sind. Und die Doppelhaushälfte können wir uns in Zukunft abschminken – das kostet mindestens zwischen 700.000 und 800.000 Euro. Wer soll das finanzieren?“ Der Berchtesgadener Ortschef sieht ganz schwierige Zeiten auf die Region und ganz Deutschland zukommen.

„Wann wird dem endlich Einhalt geboten“?

„Das ist ein Riesenthema für alle, das noch deutlich an Dynamik gewinnen wird. Bald geht die Babyboomer-Generation in Rente. Die machen den Arbeitsplatz frei, aber nicht ihre Wohnung. Wir brauchen aber für die Besetzung der Stellen Zuzug und damit Wohnraum – das wird dieses Thema noch einmal verschärfen“, so Rasp zum OVB. Die einzige Lösung dafür sei „Bauen, Bauen, Bauen“ – zumindest in Berchtesgaden oder Ruhpolding, wo das Zweitwohnungs-Thema geregelt ist.

Von den Gemeinden in der Chiemsee-Region fordert Pia Ostler jetzt klare Handlungen in Sachen „Zweitwohnungen, die, oft kaum genutzt von ihren Eigentümern, weiteren wertvollen Wohnraum blockieren. Wann wird dem endlich Einhalt geboten, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln?

Kommentare