Bund der Steuerzahler Rosenheim-Ebersberg
„Koalitionsvertrag hat Zeug für Wachstum“: Warum Gerd Maas vom Bund der Steuerzahler Hoffnung hat
Niedrigere Steuern, höheres Wachstum: Der Bund der Steuerzahler wird nicht müde, auf diesen Zusammenhang hinzuweisen. Wie steht der Regionalverband Rosenheim/Ebersberg zum Koalitionsvertrag? Warum der Vorsitzende Gerd Maas aus Wasserburg „verhalten optimistisch“ ist. Ein OVB-Exklusiv-Interview über Wege aus der Krise und Steuerverschwendung.
Wasserburg/Rosenheim/Ebersberg – Er ist Mitglied im Regionalvorstand Südostbayern der Familienunternehmer, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Regionalgruppe Rosenheim-Ebersberg, Dozent, Autor, Moderator: Gerd Maas aus Wasserburg gilt als Experte für wirtschaftspolitische Fragen. Sein Lebensthema: die soziale Marktwirtschaft und Wirtschaftsethik. Wie betrachtet der Unternehmer aus Wasserburg, der mit seiner Frau Heike, einer CSU-Stadträtin, einen Familienbetrieb für Dienstleistungen im Projektmanagement führt, den Koalitionsvertrag? Stellt er die richtigen Weichen für den Weg aus der Krise?
„Staat hat lange nicht solide gewirtschaftet“
Hauptkritikpunkt am Koalitionsvertrag ist für den Bund der Steuerzahler die faktische Abschaffung der Schuldenbremse, die zu einer massiven weiteren Staatsverschuldung führt. Aber ist diese angesichts der Zeitenwende vor allem im Bereich Verteidigung und der geänderten globalen Rahmenbedingungen nicht unumgänglich?
Gerd Maas: Das muss man tatsächlich sehr differenziert betrachten. Zunächst einmal gilt es unbedingt auf den Euphemismus der Sondervermögen hinzuweisen, wie das unser Präsident Rolf von Hohenhau auf der regionalen Mitgliederversammlung gemacht hat: Schulden sind kein Vermögen. Und die massive Ausweitung der Schulden hat von Hohenhau berechtigterweise einen „Schuldenexzess“ genannt. Außer Frage steht für uns, dass Sicherheit und Infrastruktur sehr sinnvolle Betätigungsfelder staatlicher Investitionen sind. Dass da jetzt so großer Nachholbedarf besteht, zeugt aber davon, dass der Staat lange nicht solide gewirtschaftet hat. Wir haben in der Vergangenheit trotz ständig real wachsender Steuereinnahmen über unsere Verhältnisse gelebt und bürden die Lasten – Zinsen und Tilgung – nun künftigen Generationen auf. Das wäre allerdings nicht ganz so tragisch, wenn die Wirtschaft in Deutschland wieder wächst. Wenn sie sogar gut wächst, kommen wir schnell wieder auf ein akzeptables Maß der Staatsverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt. Momentan herrscht Stagnation und Deutschland ist im internationalen Vergleich Schlusslicht. Die deutsche Flaute ist hausgemacht. Bürokratie, Energiekosten, Unternehmenssteuern, Lohnsteuer und Sozialabgaben, überall stehen die Betriebe unter einzigartigem Druck. Der entscheidende Punkt für zukunftsträchtige Staatsfinanzen wird also die Wirtschaftspolitik sein.
Erhard`sche Nachfolger?
Der Bund der Steuerzahler hat mit Lob und Kritik auf den Koalitionsvertrag reagiert. Teilen Sie als Regionalvorsitzender die Meinung, dass es kein großer Wurf sei? Welche Punkte gehen in die richtige Richtung, welche in die falsche?
Maas: Die Brisanz dieser nötigen Wirtschaftswende spiegelt sich noch nicht so ganz in dem Papier. Die Senkung der Körperschaftssteuer erst ab 2028 und dann auch nur in jährlichen Ein-Prozentpunkt-Häppchen lässt zunächst wenig hoffen. Dass es dann insgesamt 5 Prozentpunkte weniger werden sollen, verspricht schon etwas mehr. Bei vielen anderen Ansätzen wird es auf die Ausgestaltung und den Willen der handelnden Personen ankommen. Die Absage von Carsten Linnemann bedauere ich in dem Zusammenhang sehr. Das wäre ein echter Erhard’scher Nachfolger im Wirtschaftsministerium gewesen. Die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche ist jedoch ebenfalls die Persönlichkeit, die den Koalitionsvertrag für einen Wandel in der Wirtschaftspolitik zum Leben erwecken kann. Sie hat wirtschaftliche wie politische Erfahrung und einen klaren marktwirtschaftlichen Kompass.
Ein paar konkrete Vorhaben werden aber im Koalitionsvertrag schon genannt, an deren schneller Umsetzung die nächste Regierung gemessen werden kann: zum Beispiel die Senkung von Stromsteuer sowie von Umlagen und Netzentgelten, die Abschaffung der Bonpflicht und des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, Aktivrente, Wochenarbeitszeit und Steuerbefreiung von Mehrarbeit. Auch beim Bürokratieabbau sind schon einige markante Punkte zu finden. Unter der tollen Überschrift „Vertrauen statt Regulierung und Kontrolle“ finden sich zum Beispiel die Ausweitung der Genehmigungsfiktion, „one in, two out“-Regel, Stärkung des Normenkontrollrates, 25 Prozent Senkungsziel für Bürokratiekosten der Wirtschaft, jährliches Bürokratieabbaugesetz, Pauschalisierungen, Stichtagsregelungen und Bagatellvorbehalte. Der Koalitionsvertrag hat also durchaus das Zeug für Wirtschaftswachstum. Ich bin verhalten optimistisch.
Bundesgesetze auf Rekordumfang
Der Bund der Steuerzahler fordert seit langem eine Verschlankung des Staatsapparats und weniger Kosten fressende Bürokratie. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass sogar ein neues Ministerium für Digitales geschaffen wird? Ist das nicht auch Steuergeldverschwendung?
Maas: So einfach dürfen wir es uns nicht machen, das allein an der Zahl der Ministerien festzumachen. Das Digitalministerium ist ja der Versuch, die bisher noch schleppende Digitalisierung der öffentlichen Hand voranzubringen. Deswegen auch der Zusatztitel „Staatsmodernisierung“. Da besteht zumindest die Chance, dass hinten der von uns geforderte schlankere Staat herauskommt. Der übrigens durch die Konzentration auf staatliche Kernaufgaben eher stärker als schwächer sein würde. Realität ist aber derzeit, dass der Staat an allen Ecken und Enden wächst. Gerade hat eine Studie errechnet, dass der Umfang geltender Bundesgesetze ein Rekordhoch erreicht hat. Sie umfassen 1.306 Gesetze mit insgesamt 39.536 Normseiten – 60 Prozent mehr als vor 15 Jahren. Entsprechend steigt auch die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Inzwischen rund 5,3 Millionen (2023). Auch hier geht es Jahr für Jahr nur aufwärts. Vergleicht man das auch mit vor 15 Jahren, sind es heute 17 Prozent mehr Personal. Und auch immer größere Teile der privaten Einkommen werden vom Staat aus der Eigenverantwortung der Bürger genommen und umverteilt: Der vom Bund der Steuerzahl jährlich errechnete Steuerzahler-Gedenktag war 2024 am 11. Juli – bis dahin arbeitet der durchschnittliche Arbeitnehmer-Haushalt für die staatliche Umverteilung. Mit unserer Überzeugung einer freiheitlichen Verfassung und souveränen Bürgern ist das kaum mehr vereinbar.
„Unbegreiflich, aber auch nicht überbewerten“
Kennen Sie im Bereich Rosenheim-Ebersberg ein Beispiel für in Ihren Augen krasse Steuergeld-Verschwendung?
Maas: Als Wasserburger kommt mir da natürlich sofort die Verlegung der Bushaltestelle vom Gries/Max-Emanuel-Kapelle an den Marienplatz beziehungsweise an den Heisererplatz in den Sinn. Die neuen Haltestellen liegen beide weniger als 200 Meter von der alten entfernt. Dafür werden jetzt die bestehenden großzügigen Überdachungen mit Sitzplätzen zum Warten obsolet oder müssen abgerissen und an anderer Stelle muss direkt vor einzigartigen historischen Gebäuden etwas Neues konstruiert werden. Das ist für mich unbegreiflich, man darf es aber auch nicht überbewerten. In der Kommunalpolitik wird von ehrenamtlichen Stadt-, Gemeinde-, Kreis, und Bezirksräten zum Wohle der Bürger mit teilweise sehr knappen Haushaltsmitteln und komplexen Aufgabenstellungen hervorragende Arbeit geleistet. Im aktuellen Schwarzbuch der öffentlichen Verschwendung des Bundes der Steuerzahler stehen entsprechend auch keine Fälle aus unseren Landkreisen.
