Bürgermeisterin und SPD-Vorsitzende nehmen Stellung
Wieder eine GroKo? So stimmen SPDler aus der Region Wasserburg-Haag zum Koalitionsvertrag ab
Klappt es mit der Großen Koalition? Geht es nach der Union: ja. Doch die SPD-Mitglieder stimmen noch bis zum 29. April ab. Wie bewerten Sozialdemokraten in der Region Wasserburg-Haag den Vertrag? Wie sie abstimmen, was sie freut und warum es auch Kritik gibt.
Wasserburg/Haag – Die Juso sagen nein zur politischen Hochzeit mit der Union. Das steht fest. Doch wie halten es Parteimitglieder aus der Region mit politischer Erfahrung? Wir haben nachgefragt bei Haags Bürgermeisterin Sissi Schätz, eine der wenigen SPD-Rathauschefs in der Region, bei SPD-Vorsitzenden von der Basis wie Christian Peiker aus Wasserburg und Eva Rehbein aus Haag sowie bei einem stellvertretenden Fraktionssprecher, dem Wasserburger Wolfgang Janeczka.
Christian Peiker: „Richtige Weichen“
Christian Peiker, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Wasserburg, hat dem Koalitionsvertrag bereits zugestimmt. Er betont: „Auch wenn meine Partei die Wahl verloren hat, man die wahlkämpferischen Phrasen beiseitelässt, kann niemand ernsthaft behaupten, dass es zu dieser Koalition eine Alternative gibt. Die Handschrift der SPD ist im Koalitionsvertrag deutlich wahrzunehmen und dieser Vertrag stellt die richtigen Weichen für die Zukunft Deutschlands. Diese Regierung muss eine Chance bekommen, um das verloren gegangene Vertrauen in die Politik wieder herzustellen.“ Peiker sieht folgende Punkte positiv: „Ohne die SPD gäbe es keine milliardenschwere Investition in unser Land, keine Reformierung der Schuldenbremse, kein stabiles Rentenniveau von 48 Prozent bis über 2029 hinaus und wir senken die Energiekosten für Unternehmen. Wir investieren in Sicherheit wie nie zuvor und stärken die Verteidigung. Wir pumpen weitere sechs Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau und investieren in Kitas, Schulen und Jugendeinrichtungen.“ Doch er sieht auch einen großen Kritikpunkt: „Dass wir für die Entbürokratisierung zu wenig Zeit haben und wir weiteres Geld für Beraterfirmen ausgeben müssen, an die wir in den letzten Jahrzehnten Staatswissen ausgelagert und uns abgängig gemacht haben.
Sissi Schätz: „Brauchen stabile Regierung“
Haags Bürgermeisterin Sissi Schätz, eine der wenigen SPD-Rathauschefs in der Region, stimmt dem Vertrag ebenfalls zu. „Der Hauptgrund ist, dass wir in Deutschland jetzt eine stabile Regierung brauchen. Bei allen thematischen Unterschieden haben CDU/CSU und SPD in der Vergangenheit gezeigt, dass sie außen- und innenpolitisch verlässlich regieren können“, sagt sie.
Schätz freut, dass es viele Maßnahmen gibt, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. „Das ist angesichts der Zollpolitik von Trump schon schwierig genug.“ Kritisch sehe sie jedoch „die fast unlimitierte Schuldenaufnahme“. Sie hoffe aber, dass damit auch die Finanzen der Kommunen verbessert würden. „Für die kleinen und mittleren Einkommen hätte ich mir sofortige Steuererleichterungen gewünscht“, so Schätz.
Wolfgang Janeczka: „Zentrale Ziele enthalten“
Wolfgang Janeczka, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD in Wasserburg, sagt: „Ich werde dem Koalitionsvertrag zustimmen, weil er einige unserer zentralen politischen Ziele enthält, zum Beispiel die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungszwecke, ein Sondervermögen für Investitionen und Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft, den Mindestlohn von 15 Euro und Steuersenkungen für geringe und mittlere Einkommen.“ Eine Ablehnung würde zwei mögliche Szenarien eröffnen: Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung. „Neuwahlen würden meiner Einschätzung nach der AFD noch mehr Zulauf bescheren – und im schlimmsten Fall zu österreichischen Verhältnissen führen.“ Eine Minderheitsregierung wäre aufgrund der unterschiedlichen politischen Ziele und Gemengelage im Bundestag weitgehend handlungsunfähig, warnt er. Kritisch betrachtet Janeczka die im Koalitionsvertrag gemachten Zugeständnisse bei der Migration, zum Beispiel die Verlängerung der Einbürgerungsfrist, die Zugeständnisse in der Klimapolitik (Rücknahme des Gebäudeenergiegesetzes) und die geplanten Steuererleichterungen für Unternehmen, was als sozial unausgewogen betrachtet werden könne. „Diese Punkte waren aber als Kompromiss notwendig, um dafür die anderen Punkte durchzusetzen.“
Eva Rehbein: „Konkrete Chance“
Eva Rehbein, Vorsitzende der SPD Haag: „Ja, ich werde dem Koalitionsvertrag zustimmen. Ich sehe in dem Zweierbündnis für die SPD endlich eine konkrete Chance, dass sie Verantwortung übernehmen und konstruktiv arbeiten können, ohne – wie in der Ampelkoalition – ständig blockiert zu werden. Positiv sehe ich, dass die SPD sieben Ministerien für sich verhandelt hat, davon so wichtige Ressorts wie Finanz-, Verteidigungs- und Ministerium für Arbeit und Soziales, das Aus für Atomkraft, die Mindestlohnvereinbarung, dass die Krankenhausreform bleibt und fortgesetzt wird und den geplanten wöchentlichen Arbeitszeitrahmen, der den Familien aufgrund der größeren Flexibilität eine viel bessere Vereinbarung von Familie und Beruf bietet.“ Doch auch Rehbein hat Kritik. Sie bemängelt, dass aufgrund unsicherer Finanzierbarkeit viele Baustellen und Reformen nicht erwähnt oder nur Absichtserklärungen abgegeben würden, wie zum Beispiel bei dem Thema „Personalmangel im Betreuungsbereich“, dass eine Steuerreform, mit der geringe und mittlere Einkommen entlastet würden, erst in etwa zwei bis drei Jahren angedacht sei und eine sogenannte „Reichensteuer“ komplett fehle. „Familie und junge Menschen haben aus meiner Sicht weniger Gewichtung im Koalitionsvertrag als die Senioren.“ Konkret fehle ihr mehr Jugendbeteiligung an politischen Prozessen.



