Mütterrente, Rente mit 63, Rentenpaket II
Diskussionen um Renten-Kürzungen: Wo die Ampel noch sparen kann
Nach der Konsensfindung im Haushalt droht der nächste Haushaltskonflikt: Die Ampel muss wieder zum Ausgangspunkt zurück. Der Finanzminister beabsichtigt wieder Kürzungen im Sozialsektor. Aber wo genau?
Berlin – Alles wieder auf Anfang: Vier Wochen lang konnte sich die Ampel-Koalition auf die erzielte Haushalts-Einigung für 2025 ausruhen, konnte für einen kurzen Moment Zusammenhalt vorzeigen. Jetzt zweifelt ein wissenschaftliches Gutachten die Verfassungsmäßigkeit des neuen Haushalts an, das 17-Milliarden-Euro-Loch muss wieder gestopft werden.
Kürzungen bei der Rente im Gespräch: Lindner will im „konsumtiven Bereich“ sparen
Die Koalitionsspitzen müssen die Köpfe wieder zusammenstecken und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat direkt geäußert, wo aus seiner Sicht jetzt wirklich gespart werden müsse.
Es müssten jetzt Kürzungen „im konsumtiven Bereich“ geben, so Lindner. Konkret: Im Sozialen, also beim Bürgergeld und bei der Rente. Das waren in den vergangenen Wochen und Monaten auch immer wieder die zentralen Streitthemen der Ampel, vor allem das Bürgergeld sorgt für Ärger. Doch wo ist bei der Rente noch Geld zu holen?
Kürzungen bei der Rente: Debatte um Rente mit 63 und um die Mütterrente
Das Wichtigste zuerst: Weder bei der Höhe der Renten noch bei dem Bürgergeld kann eine Bundesregierung kürzen. Sie sind verfassungsrechtlich geschützt und deren Höhe wird von keiner Regierung festgelegt, sondern ist an gewisse Parameter, wie die Inflationsrate, das Existenzminimum oder die Lohnentwicklung, gekoppelt.
Dennoch kann die Regierung an zahlreichen anderen Stellschrauben drehen, um die Kosten zu drücken. Die Rente macht einen riesigen Posten im Haushalt aus, 2024 gehen 127,3 Milliarden Euro an die Rentenversicherung.
Entsprechend wird immer wieder darüber spekuliert, wie man diese Zahl reduzieren kann. So hatte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm schon bei der letzten Haushaltskrise im November 2023 gesagt: „Prinzipiell sind Einsparungen bei den Renten möglich. Zum Beispiel die Rente ab 63 oder die Mütterrente könnte man zur Disposition stellen“, sagte sie damals der Berliner Morgenpost. Schon lange fordern Ökonomen ein Ende dieser beiden Renten, da sie falsche Anreize setzten und viel Geld kosten würden.
Rente mit 63 abschaffen? FDP spricht sich schon lange dafür aus
Vor allem die FDP würde gerne die sogenannte Rente mit 63 abschaffen. Eigentlich heißt sie Rente für besonders langjährig Versicherte und mit 63 kann eigentlich keiner mehr in den Ruhestand gehen. Bei der Rente mit 63 wird das Renteneintrittsalter schrittweise von 63 auf 65 Jahre angehoben. Wer 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt hat, kann demnach schon früher seine Rente beginnen. Für alle anderen gilt das Renteneintrittsalter von aktuell 66 oder 67 Jahren.
Nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) haben zum Jahresende 2022 rund zwei Millionen Rentner und Rentnerinnen eine „Rente mit 63“ bezogen. Pro Jahr kommen durchschnittlich 200.000 Personen dazu. Die Kosten hierfür belaufen sich auf 3,5 Milliarden Euro jährlich. Allerdings sei dies nicht gleichbedeutend mit dem Einsparpotenzial, wenn es die Rente für besonders langjährig Versicherte nicht gäbe. „Die Kosten der Rente für besonders langjährig Versicherte können nicht unmittelbar aus den Daten der Rentenversicherung abgeleitet werden, da schlichtweg unbekannt ist, wie das Rentenzugangsverhalten ohne diese Neuregelung wäre,“ heißt es in einem Schreiben des BMAS. Also: Eine Abschaffung der Rente mit 63 würde nicht automatisch drei Milliarden Euro einsparen.
Abschaffung der Mütterrente: Neue Studie zeigt fatale Folgen für Rentnerinnen
Auch die Mütterrente soll nach dem Willen weiterer Ökonomen zumindest in Teilen abgeschafft werden. Zum Ende des Jahres 2023 hatte die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, vorgeschlagen, die Mütterrente zu streichen. „Anstelle der Mütterrente hätte man die Bahn sanieren oder Brücken bauen können“, sagte sie damals dem Tagesspiegel.
Nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) belaufen sich die Kosten für diese Rentenform im Jahr 2022 auf 13 Milliarden Euro, das sei etwa drei Prozent der Gesamtausgaben der Rentenversicherung. Die Mütterrente kommt allen Frauen zugute, die vor 1992 Kinder geboren haben und soll ihre Kindererziehungszeiten rückwirkend anerkennen und so ihre Renten aufbessern. Entsprechend weist das DIW auch darauf hin, dass diese Kohorte an Rentnerinnen mit der Zeit zurückgehen wird, sodass die Kosten automatischen sinken.
Das DIW hat die Folgen einer Abschaffung der Mütterrente untersucht und kommt zu dem Schluss, dass dies ein fataler Fehler wäre. Es würde das Armutsrisiko vieler Frauen erhöhen, würde den Rentenabstand zwischen Männern und Frauen deutlich vergrößern und rund neun Millionen Haushalte vor allem mit mittleren und niedrigen Einkommen erheblich belasten. „Es ist zudem höchst unwahrscheinlich, dass diese Leistungsrücknahme verfassungsrechtlich gebilligt würde“, so das DIW in ihrer am 31. Juli veröffentlichten Studie.
Streit um Rentenpaket II: Kosten für die Rente steigen bis 2045 auf 800 Milliarden Euro
Innerhalb der Ampel-Koalition ist darüber hinaus die groß angekündigte Rentenreform, das Rentenpaket II, immer noch Streitthema. Obwohl das Bundeskabinett im Mai den Gesetzesentwurf beschlossen hat, hat der Unmut der FDP zu einer Blockade im Bundestag geführt. Denn mit dem Rentenpaket II wurde festgelegt, dass das Rentenniveau auf 48 Prozent bis 2039 festgeschrieben wird und dafür die Beiträge in die Rentenversicherung steigen sollen.
Aktuell beträgt der Beitrag von Arbeitgeber und Arbeitnehmer in die Rentenkasse 18,6 Prozent des Bruttolohnes. Ab 2028 soll dieser Beitrag auf 20 Prozent steigen, bis 2035 auf 22,3 Prozent. Darüber hinaus soll auch das Eintrittsalter bei 67 Jahren bleiben.
Die Festschreibung des Rentenniveaus auf 48 Prozent ist für den Haushalt teuer. Ab 2030 werden Mehrkosten von neun Milliarden Euro erwartet, in den 2040er Jahren soll das auf gigantische 40 Milliarden Euro wachsen. Bis 2045 sollen die Rentenausgaben über 800 Milliarden Euro betragen. Diese Kosten sollen in Teilen von der Aktienrente gedeckt werden, in Teilen von den Beiträgen an die Rentenversicherung – aber vieles davon wird vom Steuerzahler über den Haushalt finanziert. Das will die FDP eigentlich verhindern, weshalb sie das Rentenpaket II jetzt womöglich nochmal neu verhandeln will.
Arbeitgeberpräsident Dulger fordert: Rentenpaket II muss gestoppt werden
Auch der Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger machte seinen Unmut über diese Pläne deutlich. Das Rentenpaket II wäre das „teuerste Sozialgesetz des Jahrhunderts“, warnte Dulger im Mai in der Bild am Sonntag. Das Vorhaben müsse daher „umgehend gestoppt werden“. Es sei „unfair und ungerecht, in den nächsten 20 Jahren 500 Milliarden Euro mehr für die Rente auszugeben“.
Würde das Rentenpaket II nun doch gekippt werden, müsste das Rentenniveau für die 21 Millionen Rentner und Rentnerinnen im Land sinken. Das heißt: Die Renten würden im Vergleich zu den Löhnen der restlichen Bevölkerung kleiner werden.