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HPV hat viele Gesichter

„Es kann jeden treffen“: Krebs durch Viren – So kann man sich schützen

Elektronen-mikroskopische Aufnahme mehrerer Humaner Papillomaviren (HPV).
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Elektronen-mikroskopische Aufnahme mehrerer Humaner Papillomaviren (HPV).

Im Kampf gegen Krebs nutzen bereits viele Menschen wichtige Vorsorge-Untersuchungen. Eine Impfung haben dagegen immer noch zu wenige im Blick. Dabei können auch Viren und Bakterien Krebs verursachen. So kann man sich schützen.

München – Es fing alles ganz harmlos an – mit kleineren Wunden und Bläschen an der Eichel. Salben und Kamillenbäder sollten helfen. Doch drei Jahre später erhielt Stefan Kübler im Beisein seiner Frau eine Diagnose, die ihm den Boden unter den Füßen wegzog: Peniskrebs. „Wir hatten tausend Fragen. Wie geht es jetzt weiter? Was wird aus meinem Penis? Ich befürchtete das Schlimmste.“

Wie sich später herauskristallisierte, ging die Erkrankung auf das Konto von Erregern – genauer gesagt Humanen Papillomaviren (HPV). Diese werden durch direkten Haut- und Schleimhautkontakt übertragen, besonders hoch ist das Ansteckungsrisiko beim Geschlechtsverkehr.

Viele der mehr als 200 verschiedenen HPV-Arten sind zwar harmlos, aber manche dieser Virustypen können verschiedene Krebsarten auslösen. „Egal ob Mann oder Frau – es kann alle treffen“, weiß auch Yvonne Köth. Sie wollte schwanger werden, doch es klappte nicht. Ein Routine-Abstrich brachte eine Infektion mit dem Hochrisiko-Erreger HPV-16 ans Licht – und in der Folge Gebärmutterhalskrebs. Eine Operation war alternativlos.

„Egal ob Mann oder Frau – es kann alle treffen“

„Ich hatte die Wahl zwischen einer vollständigen und einer Teilentfernung der Gebärmutter“, erzählt die Patientin. „Ich war hin- und hergerissen zwischen diesen Behandlungsoptionen und meinem Kinderwunsch. Letztlich brachte mich mein 13-jähriger Sohn dazu, mich für die sichere Variante zu entscheiden. Er fragte mich: ,Was will ich mit einem Geschwisterchen, wenn ich dann keine Mama mehr habe?‘“

Yvonne und Stefan sind zwei Beispiele der Wanderausstellung, die derzeit durch sieben bayerische Kliniken tourt, zuletzt in Großhadern gastierte und momentan in Augsburg zu sehen ist. Unter dem Motto „HPV hat viele Gesichter“ wollen Ärzte und Patientenorganisationen für die Gefahren einer HPV-Infektion sensibilisieren und gleichzeitig für die HPV-Impfung werben. Eine HPV-Impfung sollte idealerweise vor dem ersten Geschlechtsverkehr im Alter von neun bis 15 Jahren erfolgen. „Der Schutz kann viele Jahre andauern und sogar lebenslang sein“, betont Prof. Claus Belka, Chef der Strahlentherapie am LMU Klinikum in Großhadern.

HPV können auch Krebs im Mund-Rachen-Raum verursachen

„Mit der Impfung ließen sich Jahr für Jahr etwa 8000 Neuerkrankungen und 2000 Sterbefälle verhindern“, erläutert Prof. Martin Canis, der Direktor der HNO-Klinik in Großhadern. Mit seinem Spezialistenteam behandelt er auch immer wieder Menschen mit Krebs im Mund-Rachen-Raum, der durch HPV verursacht worden ist. „Dazu gehören Mandel- und Zungengrundkrebs.“

Von ähnlich dramatischen Befunden nach HPV-Infektionen berichtet Prof. Sven Mahner, Chef der Frauenklinik der LMU. „Neben Gebärmutterhalskrebs sehen wir Scheiden- oder Vulvakrebs. Die beste Möglichkeit zur Vermeidung sind die HPV-Impfung und regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, um Krebserkrankungen frühzeitig zu erkennen – insbesondere auch jene, die durch die Viren verursacht worden sind.“

„Krebs ist auch eine Infektionskrankheit“

Wie wertvoll diese Investition in die Gesundheit sein kann, wissen heute auch die Patienten Stefan und Yvonne: „Krebs ist auch eine Infektionskrankheit. Es kann so einfach sein, sich zu schützen und Leid zu ersparen“, betonen sie. Die Mediziner hoffen, dass diese Botschaft endlich ankommt Denn zur Wahrheit gehört, dass wir Deutsche beim Thema HPV Impfmuffel sind. Das belegt eine aus ärztlicher Sicht ernüchternde Statistik: Im Jahr 2021 lag die Impfquote der 15-jährigen Mädchen bei 54 Prozent, jene der gleichaltrigen Jungen bei 27 Prozent. „Dass nur etwa jeder vierte Junge den Impfschutz hat, zeigt, dass das Gefahrenpotenzial von HPV auch für Männer nach wie vor stark unterschätzt wird“, analysiert Canis. Sein Kollege Belka teilt diese Einschätzung: „Eltern und Jugendliche wissen immer noch viel zu wenig über diese Viren. Das muss sich unbedingt ändern.“

Die HPV-Impfung gibt es schon seit 2006. Sie sei ein entscheidender Schlüssel bei der Krebsprävention und sollte möglichst frühzeitig erfolgen, betonen die Spezialisten unisono. Sie führen Fakten aus einer großen britischen Studie ins Feld. Danach sinkt das Krebsrisiko durch HPV bei einer Impfung im Alter von 12 bis 13 Jahren um 87 Prozent, während sich die Gefahr bei einer Impfung im Alter von 16 bis 18 Jahren „nur noch“ um 37 Prozent verringere. Für jedes Alter gilt laut den Ärzten: „Die allermeisten Kinder vertragen die Impfung sehr gut, und die Komplikationsrate ist äußerst gering.“ Sie verweisen auf die Möglichkeit einer ausführlichen Impfberatung – unter anderem am Bürgertelefon des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung ( Telefon 0800 85 100 80).

Je früher die Impfung erfolgt, desto besser

Was aber tun, wenn man bereits an Krebs durch HPV erkrankt ist? Die Spezialisten raten allen Patienten dringend dazu, sich in einem zertifizierten Tumorzentrum behandeln zu lassen. Adressen bietet die Deutsche Krebsgesellschaft auf ihrer Seite www.oncomap.de. In den dort gelisteten Kliniken sind die Erfolgs- und Überlebenschancen besser als in Krankenhäusern und Praxen, die das Gütesiegel nicht besitzen. Das belegt eine große Studie.

Als besorgniserregend stufen die Großhaderner Krebsspezialisten ein, dass trotz dieser eindeutigen Statistik nur 41 Prozent der Patienten in zertifizierten Krebszentren behandelt werden. Dort hat nicht nur die Hoffnung, sondern auch das Fachwissen auf dem neuesten Stand der Wissenschaft ein Zuhause. „Gerade viele durch HPV verursachte Tumoren sind recht gut behandelbar“, macht Belka den Patienten Mut.

Stefan Kübler ist inzwischen auf einem guten Weg. Eine dreistündige Operation war nötig, Teile seines Penis mussten entfernt werden. Aus einem Stück seines Oberschenkels wurde eine neue Eichel geformt und an der Penisspitze angenäht. „Mein Penis wurde gerettet“, sagt er. Seit neun Jahren ist Stefan krebsfrei. „Doch das wahre Happy End ist die Geburt unserer Tochter im Sommer 2020 – ein Ausgang, den ich mir nicht glücklicher hätte ausmalen können.“

Diagnose „unheilbar“ als schlimmste aller Nachrichten

Für Yvonne war es wichtig, die positive Einstellung zum Leben nicht zu verlieren. „Der Krebs hat mir vieles genommen, nicht aber mein Lachen und meinen Kampfgeist.“ Sie hat nach der OP 18 Wochen Chemotherapie und 25 Bestrahlungen wegen einer Metastase im Beckenknochen überstanden. „Die Diagnose unheilbar war für mich die schlimmste aller Nachrichten, doch solange es mir gut geht, möchte ich mein Leben genießen.“

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