Klinikum Traunstein hat einen neuen Assistenten
Dr. Da Vinci im Einsatz: Werden wir bald nur noch von Robotern operiert?
Ein Roboter im OP-Saal? Seit April beschäftigt die Klinik Traunstein einen Maschinen-Kollegen. Mit ihm sollen die OPs verbessert und menschliche Fehler verringert werden. Doch kann man dem Gerät trauen? Wem der Roboter helfen kann.
Traunstein – Da Vinci ist der neue Assistent im Traunsteiner Krankenhaus. Allerdings ist damit nicht der Künstler und Erfinder gemeint, sondern der neue Roboter-Assistent, der seit April dort arbeitet.
Er steht in der Mitte des OP-Saals – eine zwei Meter hohe Maschine mit vier „Armen“, die aus sechs Achsen bestehen. Im Ruhezustand sind die Arme eingeklappt, doch mit einem Knopfdruck erwacht der Roboter. Zuerst blinkt er, richtet sich auf, fährt die Arme nach oben und streckt sie leicht aus. Dabei summt und rauscht er monoton vor sich hin, nur unterbrochen von einigen Pieptönen.
Der Roboter besteht insgesamt aus drei Teilen: Einmal der Hauptteil, die Zwei-Meter-Maschine mit den vier Armen, „Patientenwagen“ genannt. Daneben steht der Videosystemwagen, ein silberner Kasten mit einem Monitor. Weiter hinten im Raum steht der dritte Teil – die „Arztkonsole“. Diese hat zwei Controller und einen Kopfteil mit zwei Bildschirmen, durch welche der Arzt eine dreidimensionale Sicht auf die Roboterarme hat.
Einer dieser Ärzte ist Prof. Dr. Boris Schlenker, der schon seit 2009 mit dem Da Vinci-Roboter arbeitet und zusammen mit der Maschine aus der Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München nach Traunstein kam. Schlenker kommt ursprünglich aus der IT-Branche. Als er 2009 sein Medizinstudium begann, stieß er auf den Da Vinci-Roboter und war sofort fasziniert von der Maschine. Seitdem arbeitete er mit drei Generationen des Roboters und konnte mitverfolgen, wie die Technik immer besser wurde.
Zusammen mit Prof. Dr. Christian Schindlbeck und Dr. Thomas Langwieler – Chefärzte im Onkologischen Zentrum Traunstein – operiert er bis zu acht Patienten in der Woche mithilfe des Roboters. Wer sich nicht mit dem Roboter operieren lassen will, wird auch weiterhin ohne Einsatz der Maschine operiert.
Wie operiert man mit einem Roboter?
Die OPs, für die der Roboter verwendet wird, sind kompliziert und langwierig, dauern oft mehrere Stunden. Deshalb könnten nur bis zu zwei Da Vinci-OPs am Tag stattfinden. Die Prozedur passiert mit der sogenannten „Schlüsselloch-Technik“ – das heißt, dass die Werkzeuge durch kleine Schnitte in den zu operierenden Körperteil eingeführt werden.
Den größten Vorteil hat die Maschine bei der Entfernung von Tumoren. „Ein Mensch hat immer etwas zitternde Hände, das ist normal“, sagt Schlenker. Doch der Roboter korrigiert dieses Zittern und ermöglicht es dem Arzt, umso genauer und präziser zu arbeiten. Gerade bei Tumorentfernungen ist das wichtig, um nicht mehr wegzuschneiden als nötig.
Was Schlenker besonders gefällt, ist die Beweglichkeit der Roboterarme, die größer ist, als die des menschlichen Handgelenks. Für Schraubbewegungen kann man den Roboterarm per Knopfdruck immer wieder kurz stoppen. Dann kann man die Hand neu ansetzen, um weiterzuschrauben.
Langwieler findet, dass der Roboter einen besonders großen Vorteil mit sich bringt: „Wenn ich mit normalen Werkzeugen hantiere, die starr und unbeweglich sind, ist das Risiko größer, durch die Hebelwirkung umliegende Gefäße zu verletzen.“ Doch die Werkzeuge am Da Vinci-Roboter sind in alle Richtungen beweglich und dadurch ist die Hebelwirkung kein Thema mehr. Auch die Wundnähte seien mit Unterstützung des Roboters viel präziser als mit der bloßen Hand. Unter anderem deswegen soll die Heilung nach der roboterassistierten OP schneller verlaufen als bei einer herkömmlichen OP. Laut Schlenker sind die meisten Patienten zwei bis drei Tage schneller wieder auf den Beinen.
Ein bisschen wie ein Videospiel
Um die Maschine zu bedienen, setzt sich der Arzt auf einen Stuhl an der Arztkonsole und steckt zuerst seinen Kopf in die Vorrichtung mit den beiden Bildschirmen. „Die Maschine bewegt sich nur, wenn der Sensor einen Kopf am Bildschirm bemerkt“, sagt Schlenker. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Arzt konzentriert bei der Sache ist und Ablenkungen keine Auswirkungen auf die Maschine haben.
„Es hat wirklich viel von einem Videospiel, daran müssen sich einige Chirugen noch gewöhnen“, sagt Schlenker. Er selbst spielt in seiner Freizeit auch gerne Videospiele. „Das schult die Feinmotorik extrem“, sagt er. 60 Stunden Simulationsprogramm muss jeder Arzt absolvieren, bevor er mit der Maschine arbeiten darf. Langwieler und Schindlbeck haben diese 60 Stunden seit April hinter sich.
Technische Probleme?
Doch was, wenn die Technik mal nicht mitspielt? „In all den Jahren habe ich zwei- bis dreimal erlebt, dass die Maschine nicht hochfahren wollte“, sagt Schlenker. Da wären die Patienten aber noch nicht in Narkose gewesen und die OP konnte verschoben werden. Mitten in der OP hätte er noch nie Schwierigkeiten gehabt. Man dürfe sich die Maschine nicht als seelenlosen Roboter vorstellen. „Sie arbeitet niemals automatisch. Hinter jeder Bewegung steckt ein Mensch.“
Trotzdem ist nicht jeder geeignet für eine OP mit dem Roboter. Menschen, die schon viele Narben von früheren OPs haben und Menschen, die eine gewisse Körperfülle überschreiten, sind laut Schlenker nicht für die OP mit dem Roboter geeignet.
Da Vinci als Wegweiser der Zukunft
„Da Vinci“ wurde von der US-amerikanischen Firma „Intuitive“ entwickelt und steht in 176 von 1 893 Kliniken in Deutschland (Stand: 2022). Traunstein kaufte laut Schlenker den Roboter für grob drei Millionen Euro. Der Schwerpunkt der Klinik sei auf der interventionellen Endoskopie – also bestimmte OPs im Bauchbereich. „Da müssen wir natürlich mit der Konkurrenz mithalten“ sagt Schlenker.
Und die Konkurrenz aus München ist groß: Mehrere Kliniken, darunter die der LMU und der Technischen Universität München arbeiten bereits mit dem Roboter-Assistenten. Trotzdem ist der Roboter in der Klinik Traunstein sehr gefragt: Laut Schlenker sei die OP-Warteliste bis Dezember ausgebucht. „Viele Patienten sagen, dass sie froh, sind, nicht nach München gehen zu müssen, um eine Da Vinci-OP zu bekommen“ sagt Schlenker.
Schlenker ist sich sicher, dass in der Zukunft die Da Vinci Maschine Pflicht in jedem Krankenhaus sein wird. Bis dahin wird in den meisten Kliniken nur die offene OP oder die herkömmliche Schlüsselloch-OP angeboten.





