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Interview

„Wir sehen einen Wettbewerb zwischen China und den USA, wer die Umlaufbahn der Erde kontrolliert“

Ein Mitarbeiter steht vor einer Langer-Marsch-2F-Trägerrakete, die das Raumschiff Shenzhou-17 transportiert, im Jiuquan-Satellitenstartzentrum in der Wüste Gobi im Nordwesten Chinas.
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Ein Mitarbeiter steht vor einer Langer-Marsch-2F-Trägerrakete, die das Raumschiff Shenzhou-17 transportiert, im Jiuquan-Satellitenstartzentrum in der Wüste Gobi im Nordwesten Chinas.

Ein neuer Wettstreit um die Vorherrschaft im Weltraum entbrennt zwischen China und den USA. Es geht auch um militärische Ambitionen.

Zuletzt betrat 1972 ein Mensch den Mond. Geht es nach der Regierung in Peking, dann soll schon in den nächsten Jahren erstmals ein Chinese über die Mondoberfläche spazieren. Die Volksrepublik betreibt ein ambitioniertes Weltraumprogramm, bei dem aber nicht nur friedliche Ziele im Vordergrund stehen: „Geforscht wird etwa an Waffen, die auf Satelliten montiert werden können und die andere Satelliten, aber auch Ziele auf der Erde treffen können“, sagt Antonia Hmaidi, Analystin bei der Berliner China-Denkfabrik Merics.

Frau Hmaidi, noch sind die USA die weltweit führende Weltraumnation. Will China das ändern?
China will eine Großmacht in Wissenschaft und Technologie werden, und ein wichtiger Aspekt davon ist das chinesische Raumfahrtprogramm. Dabei geht es Peking auch um Prestige: China will Menschen auf den Mond bringen, was den USA ja schon vor Jahrzehnten gelungen ist, später dann sollen Menschen zum Mars geflogen werden.
NASA-Chef Bill Nelson glaubt, dass ein Großteil von Chinas Raumfahrtprogramm militärischer Natur ist.
Das chinesische Raumfahrtprogramm untersteht dem Militär, auch die chinesischen Taikonauten sind fast alle ehemalige oder aktuelle Militärs. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass China in den nächsten Jahrzehnten militärischen Nutzen daraus zieht, Menschen auf den Mars zu bringen, relativ gering. Militärisch relevant sind andere Teile des chinesischen Weltraumprogramms.

Zur Person

Antonia Hmaidi beschäftigt sich bei der Berliner China-Denkfabrik Merics mit der Geopolitik von Technologie, Chinas Streben nach technischer Eigenständigkeit sowie mit Chinas Cybersicherheit und Hacking-Kampagnen.

„Sollte sich China zu einem Angriff auf Taiwan entscheiden, könnten solche Fähigkeiten eine wichtige Rolle spielen“

Welche sind das?
Während des Golfkriegs Anfang der 90er hat China erlebt, wie entscheidend Satelliten für die militärische Überlegenheit der USA und ihrer Verbündeten waren. Seitdem arbeitet China gezielt daran, in dem Bereich seine Fähigkeiten auszubauen. Da geht es einerseits um präzise Geolokalisierung wie mit GPS, aber auch um sichere Kommunikation, zum Beispiel um Quantenkommunikation. Hier hat China sogar einen Vorteil gegenüber den USA: Es ist das einzige Land, das Quantensatelliten im Orbit hat und diese auch betreibt.
Welche Rolle spielen dabei die Pläne der chinesischen Regierung, Taiwan zu annektieren?
Wir haben zu Beginn des Ukraine-Kriegs gesehen, wie Russland versucht hat, die Viasat-Satelliten auszuschalten, die das ukrainische Militär zur Kommunikation genutzt hat. Sollte sich China zu einem Angriff auf Taiwan entscheiden, könnten solche Fähigkeiten ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa
Befinden sich China und die USA in einem Wettlauf ums All, wie wir ihn ab den 50-ern zwischen den USA und der Sowjetunion gesehen haben?
Ich denke schon, dass wir uns in einem neuen „Space Race“ befinden. Bei diesem Wettbewerb geht es um zwei Dinge. Zunächst um die Frage, welches Land zuerst Menschen auf den Mars schickt. Einen praktischen Nutzen hätte das zwar nicht, wir haben ja auch den Mond nie richtig genutzt. Sowohl China als auch die USA wollen das aber um das Jahr 2030 herum schaffen. Die USA waren in den letzten Jahren allerdings nicht besonders erfolgreich, ihre eigenen Zeitpläne einzuhalten, anders als China. 

„China gleicht seine Nachteile zum Teil dadurch aus, dass es risikobereiter ist“

Und der zweite Aspekt des Wettbewerbs?
Wir sehen einen Wettbewerb zwischen China und den USA um die Frage, wer die Umlaufbahn der Erde kontrolliert. Geforscht wird etwa an Waffen, die auf Satelliten montiert werden können und die andere Satelliten, aber auch Ziele auf der Erde treffen können. Bislang hat sich die Weltgemeinschaft darauf geeinigt, keine Satelliten abzuschießen. Aber das ist lediglich eine etablierte Norm, die jederzeit gebrochen werden kann. Etwa, wenn ein großer Krieg ausbricht. In einem solchen Fall wären logistische Fähigkeiten von entscheidendem militärischen Nutzen: Welche Kriegspartei kann schneller wieder neue Satelliten ins All bringen? Wer kann seine Satelliten am schnellsten reparieren oder im Falle einer Cyberattacke am schnellsten wieder zum Laufen bringen?
Welches Land hat im „Space Race“ die Nase vorn?
Generell würde ich sagen, dass die USA technologisch vorne liegen. So haben die USA eine Rakete entwickelt, die wiederverwendet werden kann, während China daran noch forscht. China gleicht seine Nachteile zum Teil aber dadurch aus, dass es risikobereiter ist. Chinesische Forscher nehmen etwa bei Raketenstarts in Kauf, dass mehr Trümmerteile im Orbit landen. Die USA sind da deutlich vorsichtiger. Ich glaube aber nicht, dass es aktuell militärisch relevante Fähigkeiten gibt, die China nicht auch nach gewisser Zeit erreichen kann, wenn auch möglicherweise mit mehr Ressourceneinsatz.
China betreibt seit zwei Jahren erfolgreich die Raumstation „Tiangong“. Die Internationale Raumstation ISS könnte hingegen schon in wenigen Jahren außer Dienst genommen werden, ein Nachfolger steht noch nicht fest.
Es würde mich wundern, wenn die USA zulassen würden, dass China als einziges Land über eine Raumstation verfügt. Zumal die chinesische Raumstation inzwischen kontinuierlich besetzt ist. China hat zwar angeboten, dass auch andere Länder seine Raumstation nutzen können. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dies bei anderen Raumfahrtnationen, außer bei Russland, auf positive Resonanz stößt. Möglich ist, dass die chinesische Raumstation eines Tages die einzige staatlich betriebene Raumstation ist – und dass die westlichen Länder eine privat oder halbprivat betriebene Raumstation nutzen werden.

„Europa fällt im internationalen Vergleich stark zurück“

Wo ist in diesem Wettbewerb zwischen China und den USA Platz für Europa?
Momentan betreibt Europa keine klar zielorientierte Weltraumpolitik. Europa fällt im internationalen Vergleich stark zurück und muss sich entscheiden, ob es an dem Wettbewerb teilnehmen will. Lautet die Antwort ja, dann müsste Europa viel mehr investieren, um konkurrenzfähig zu werden. Realistisch erscheint mir, dass sich Europa Nischen sucht, die es im amerikanischen System besetzen kann. Das hat Europa in der Vergangenheit schon gemacht, aber das wird mit der neuen Trump-Regierung natürlich nicht unbedingt leichter. Notwendig ist auch, dass sich in Europa eine „New Space Economy“ entwickelt, also ein Weltraumprogramm mit privaten Akteuren, etwa zum Aufbau eines Satelliteninternets.
Viele Menschen hierzulande betrachten ein Weltraumprogramm als Geldverschwendung. Ist das in China anders?
In China wird das Raumfahrtprogramm jedenfalls nicht so sehr infrage gestellt, wie das in Europa der Fall ist. Skepsis gegenüber Investitionen in Weltraumforschungsprogramme war bis vor wenigen Jahren nicht nur in Europa, sondern auch in den USA wahrzunehmen. Aber in den USA hat die Begeisterung für Raumfahrt in den letzten Jahren deutlich zugenommen, was nicht zuletzt an Elon Musk und seiner Firma SpaceX liegen mag. Anders als China setzen die USA sehr stark auf die Beteiligung privater Unternehmen.
Welche Rolle spielen private Akteure in China?
Private Investoren spielen in China eine deutlich kleinere Rolle, entscheidend sind die staatlichen Akteure. Obwohl es in China Versuche gibt, die kommerzielle Raumfahrt voranzubringen, geschieht das allerdings nur sehr begrenzt. Denn die chinesische Regierung hat die Raumfahrt als strategisch wichtigen Bereich identifiziert, in dem sie die Kontrolle behalten will.

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