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Konflikt mit China

Nach Kehrtwende im Ukraine-Krieg: Lässt Donald Trump jetzt auch Taiwan im Stich?

Erst die Ukraine, dann Taiwan? Schon einmal haben die USA den Inselstaat fallen gelassen. Die Sorge, dass sich die Geschichte wiederholt, ist groß.

Die Welt wird von Tag zu Tag unübersichtlicher. Vor wenigen Wochen noch standen die USA fest an der Seite der Ukraine und unterstützten das von Russland angegriffene Land diplomatisch und mit Waffen. Unter Donald Trump dann die dramatische Kehrtwende: Den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bezeichnete der neue US-Präsident als „Diktator“, mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin hingegen macht er gemeinsame Sache im UN-Sicherheitsrat. Schuld am russischen Angriffskrieg war auf einmal die Ukraine selbst.

Inmitten dieser Gemengelage ist es der Regierung von Taiwan offenbar ein Anliegen, den eigenen Standpunkt deutlich zu machen. Wie die Ukraine ist die kleine Inselnation ein von einem großen Nachbarn bedrängtes Land, die Volksrepublik China betrachtet den 24-Millionen-Staat als Teil des eigenen Staatsgebiets. Am Montag, dem dritten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine, stellte sich die Regierung in Taipeh einmal mehr demonstrativ auf die Seite Kiews. Man werde der Ukraine weiterhin humanitäre Hilfe zukommen lassen, erklärte das Außenministerium in Taipeh. Bis Februar, so rechnete das Ministerium vor, habe Taiwan mehr als 130 Millionen US-Dollar für Infrastrukturprojekte in der Ukraine bereitgestellt, Privatpersonen hätten zudem weitere 32 Millionen gespendet.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

Wegen China: Taiwan wurde schon einmal von den USA fallen gelassen

Keine großen Summen zwar, aber doch ein deutliches Signal: Während China dem Kreml seit Beginn des Angriffskriegs diplomatisch den Rücken stärkt und sogenannte Dual-Use-Güter an Russland liefert, steht das demokratisch regierte Taiwan fest an der Seite des Opfers der russischen Aggression. Am Wochenende demonstrierten zudem rund 100 Ukrainer vor der russischen Vertretung in Taipeh, lokale Medien berichteten groß. In China wäre das undenkbar.

In dieses Selbstverständnis, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen, mischt sich indes zunehmend die Sorge, Taiwan könnte von Trump ebenso fallen gelassen werden wie die Ukraine. Passiert ist das schon einmal: 1979 hatte sich Washington in einer dramatischen Kehrtwende von der taiwanischen Regierung abgewandt, um diplomatische Beziehungen mit Peking aufzunehmen. Zwar verpflichteten sich die Amerikaner damals, Taiwan fortan mit Waffen zur Verteidigung zu beliefern. Das Trauma, vom wichtigsten Verbündeten im Stich gelassen worden zu sein, sitzt dennoch tief in Taiwan. Heute wird der Inselstaat nur noch von einem Dutzend zumeist sehr kleiner Länder diplomatisch anerkannt.

Gleichzeitig erhöht Peking den Druck auf Taiwan, schickt regelmäßig Kampfjets und Kriegsschiffe zu Manövern in die Region. Auch sogenannte Grauzonen-Aktivitäten nehmen zu, also destabilisierende Aktionen, die noch nicht als Kriegshandlungen gelten. So wurde unlängst ein Untersee-Kommunikationskabel vor der taiwanischen Küste beschädigt, unter Verdacht steht ein chinesisches Frachtschiff. Klar ist: China will sich Taiwan einverleiben, notfalls auch mit Gewalt. Wann, das ist offen.

„Wir werden niemals versprechen, auf den Einsatz von Gewalt zu verzichten, und wir behalten uns die Möglichkeit vor, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen“, sagt Xi Jinping, hier mit Donald Trump 2019 in Osaka, mit Blick auf Taiwan.

Ohne Unterstützung der Amerikaner wäre Taiwan einem chinesischen Angriff hilflos ausgeliefert

Klar ist aber auch: Ohne Unterstützung der Amerikaner wäre Taiwan einem chinesischen Angriff weitgehend hilflos ausgeliefert. Trumps Vorgänger, Joe Biden, hatte deshalb mehrfach zugesichert, den Taiwanern im Notfall auch militärisch zur Seite zu stehen. Donald Trump hingegen wollte sich zu einem solchen Bekenntnis bislang nicht durchringen. Vielmehr warf er den Taiwanern wahrheitswidrig vor, sie hätten den USA ihre Halbleiter-Industrie geklaut und würden nicht genug für ihre Verteidigung zahlen – obwohl Taiwan für seine Waffenkäufe seit Jahren viele Milliarden Dollar nach Washington überweist.

Andererseits hat Trump aber auch viele sogenannte China-Falken in sein Kabinett berufen, also Politiker, die im Umgang mit der Volksrepublik auf Konfrontation setzen. Außenminister Marco Rubio etwa traf sich unmittelbar nach Amtsantritt mit seinen Amtskollegen aus der sogenannten Quad-Allianz, einem gegen China gerichteten Bündnis. Und wenige Tage später übermittelte er dem chinesischen Außenminister seine „ernste Besorgnis über Chinas Einschüchterungsmaßnahmen gegenüber Taiwan“. Auch Trump empfing im Weißen Haus bislang vor allem Staatschefs, deren Regierungen im Clinch mit Peking liegen, etwa den japanischen Premierminister Shigeru Ishiba oder den indischen Premier Narendra Modi.

„Die USA betrachten China noch immer als einen Gegner“, sagte Sheu Jyh-Shyang, Analyst beim Institute for National Defense and Security Research in Taipeh, dem Münchner Merkur. Und so interpretieren manche die Abkehr von der Ukraine auch als Hinwendung der USA nach Ostasien. Wenn die Kräfte der USA nicht mehr in Europa gebunden sind, so das Kalkül, werden Kapazitäten frei für die Konfrontation Washingtons mit Peking.

„Noch ist es schwer zu sagen, ob Trump Taiwan fallenlassen wird“

Die große Unbekannte in dieser Gleichung bleibt freilich Trumps Unberechenbarkeit. Was, wenn er sich von Chinas Staatschef Xi Jinping genauso um den Finger wickeln lässt wie von Putin? „Noch ist es schwer zu sagen, ob Trump Taiwan fallenlassen wird“, sagt Sheu. Er schlägt deshalb vor, dass sein Land auslotet, wo die gemeinsamen Interessen Taiwans und der USA liegen. Ein Weg könnte sein, dass Taiwan noch mehr Waffen von den USA kauft. Berichten zufolge will die Regierung in Taipeh für bis zu zehn Milliarden Dollar unter anderem HIMARS-Raketenwerfer bei US-Herstellern ordern.

Für ein bisschen Hoffnung in Taiwan sorgte zuletzt auch ein Foto, das vor wenigen Tagen vom taiwanischen Militär veröffentlicht wurde. Zu sehen ist darauf Wellington Koo, der taiwanische Verteidigungsminister, wie er inmitten hochrangiger Militärs an Vorbereitungen zu einem großen Verteidigungsmanöver teilnimmt. Wer neben Koo sitzt, zeigt das Foto zwar nicht. Aufmerksamen Beobachtern war allerdings ein Namensschild am rechten Bildrand aufgefallen, darauf zu lesen: „J5 Maj General“. Dahinter steckt Medienberichten zufolge Jay Bargeron, ein General, der beim US-Indopazifik-Kommando für die strategische Planung zuständig ist. Seine Anwesenheit in Taiwan, so sehen das taiwanische Beobachter, soll zeigen: Die USA stehen weiter hinter dem bedrohten Inselstaat. Fragt sich nur, wie lange noch.

Rubriklistenbild: © Brendan Smialowski/AFP

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