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„Gemeinsames Schwert-2024B“

Nach Militärmanöver: China macht Druck auf Taiwan – und schickt so viele Kampfjets wie noch nie

Chinas Militärmanöver rund um Taiwan sind offiziell beendet. Dennoch schickt Peking erneut Kampfjets in die Region – so viele wie nie zuvor.

In Chinas sozialen Medien waren die Militärmanöver vom Vortag auch am Dienstag noch eines der wichtigsten Themen. Die martialischen Videos, die der chinesische Propagandaapparat mit Beginn der Übungen in Umlauf gebracht hatte, wurden auf der Plattform Weibo tausendfach geteilt. Zu sehen sind Kampfjets, die im Morgengrauen von einem Flugzeugträger starten, und Kriegsschiffe auf dem Weg Richtung Taiwan. Dazu Karikaturen, die den taiwanischen Präsidenten als Teufel darstellen.

In den Kommentarspalten mischte sich unter die nationalistisch aufgepumpte Euphorie bisweilen aber auch Enttäuschung. Denn die Übungen fielen kleiner aus als erwartet, nach nur einem Tag war der Spuk schon wieder vorüber. Es war wie jedes Mal in den vergangenen Jahren, wenn Peking Militärmanöver rund um den Inselstaat angeordnet hat: Mit jeder neuen Übung werden in China die Rufe lauter, endlich Ernst zu machen mit den Drohungen, Taiwan der Volksrepublik anzugliedern. Wann es wirklich so weit ist, weiß allerdings wohl nur einer: Xi Jinping, Chinas Staats- und Parteichef. Wohl noch zu Lebzeiten will der 71-Jährige Fakten geschaffen haben.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

„Gemeinsames Schwert-2024B“: China reagiert mit Manöver auf Rede von Taiwans Präsident Lai

Die Manöver vom Montag waren die Reaktion auf eine Rede, die Taiwans Präsident Lai Ching-te vergangene Woche anlässlich des Nationalfeiertags des Landes gehalten hatte. In der Ansprache hatte Lai erklärt, Taiwan sei der Volksrepublik „nicht untergeordnet“. Peking betrachtet den Politiker als „gefährlichen Separatisten“ und wirft ihm vor, er wolle Taiwan offiziell für unabhängig von China erklären. Zuletzt hatte Peking zu Lais Amtseinführung im Mai Manöver rund um Taiwan abgehalten.

Die neuen Manöver waren nun deutlich kleiner, es wurden keine Übungen mit scharfer Munition angekündigt und auch keine Flugverbotszonen um Taiwan eingerichtet. Zudem wurden keine Raketenstarts registriert, wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf eine taiwanische Quelle schreibt. Dem taiwanischen Verteidigungsministerium zufolge waren 17 Kriegsschiffe und 125 Kampfjets der Volksrepublik an der Übung beteiligt, die unter dem Namen „Gemeinsames Schwert-2024B“ firmierte. Chinas Staatssender CCTV berichtete, dass die chinesische Marine Patrouillenfahrten im Gebiet um Matsu und Dongyin abgehalten habe. Taiwan kontrolliert diese unmittelbar vor der Küste der Volksrepublik gelegenen Inseln.

Kampfflugzeuge der chinesischen Volksbefreiungsarmee in der Nähe von Taiwan (Archivbild).

Nach Militärmanöver rund um Taiwan: Experte spricht von „symbolischer“ Aktion Chinas

Von einer vor allem „symbolischen“ Aktion der chinesischen Regierung spricht der Analyst Sheu Jyh-Shyang vom Institute for National Defense and Security Research in Taipeh. „Das waren gar keine richtigen Übungen“, sagte Sheu IPPEN.MEDIA. Vielmehr wollte Peking unter anderem an die USA und die Europäer ein Zeichen senden. Sowohl in Washington als auch in vielen europäischen Hauptstädten werden seit einigen Jahren die Stimmen lauter, die sich für eine engere Zusammenarbeit mit der Regierung in Taipeh aussprechen.

Am Dienstag machte das chinesische Verteidigungsministerium klar, dass es den Druck auf Taiwan aufrechterhalten wolle. „Die Aktionen der Volksbefreiungsarmee werden mit jeder Provokation zur ‚Unabhängigkeit Taiwans‘ weiter vorangetrieben, bis die Taiwan-Frage vollständig gelöst ist“, schrieb das Ministerium in einer Erklärung. Wie um zu beweisen, dass man es ernst meint, schickte Peking erneut Kampfjets in die Region. Laut taiwanischem Verteidigungsministerium wurden binnen 25 Stunden 153 feindliche Kampfjets in der Nähe Taiwans gesichtet – so viele wie nie zuvor an einem einzigen Tag.

Rubriklistenbild: © Li Bingyu/Xinhua/dpa

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