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Debatte über Waffenlieferungen

Wirksame Abschreckung gegen China: Warum die USA Taiwan bis an die Zähne bewaffnen wollen

Taiwanische Soldaten überwachen die Situation während des taiwanesischen Militärtrainings mit scharfer Munition im Kreis Pingtung.
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Bessere Abschreckung gegen mögliche Attacke aus China: Taiwanische Soldaten bei einem Manöver mit scharfer Munition in den Bergen

Die USA liefern immer mehr Waffen an Taiwan. Zeitgleich debattieren Politiker und Experten, welche Art der Abschreckung gegen China die richtige ist.

Kürzlich unterschrieb US-Präsident Joe Biden einen Zuschuss in Höhe von 80 Millionen US-Dollar an Taiwan für den Kauf amerikanischer Militärausrüstung. Es war eine kleine Summe, die nicht einmal für einen einzelnen Kampfjet gereicht hatte. Dennoch war die Unterschrift ein Paradigmenwechsel. Denn die 80 Millionen sind kein Kredit; erstmals seit mehr als 40 Jahren verwendet Washington damit eigenes Steuergeld, um Waffen an einen Ort zu schicken, den es offiziell nicht anerkennt. Dies geschieht im Rahmen eines Programms namens Foreign Military Finance (FMF).

Der FMF kanalisierte in der Vergangenheit demnach Milliarden für Waffenhilfe nach Israel, Afghanistan, Irak, Israel oder Ägypten. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs schickten die USA damit rund 4 Milliarden US-Dollar an Militärhilfe nach Kiew. Doch niemals gingen die Gelder an einen Staat, der nicht Mitglied der Vereinten Nationen ist. Peking reagierte entsprechend empört auf die Nachricht. Das US-Außenministerium sah sich genötigt zu erklären, dass die FMF-Hilfe keineswegs eine Anerkennung der Unabhängigkeit Taiwans bedeute.

Ende Juli hatte es bereits ein Novum gegeben. Damals autorisierte Biden auf Basis einer vom Kongress in 2022 „Befugnis des Präsidenten zur Inanspruchnahme“ die Lieferung von Rüstungsgütern aus eigenen Beständen an Taiwan, mit einem Wert von 345 Millionen US-Dollar. Diese Befugnis hatte Biden zuvor ausschließlich für die Ukraine genutzt.

China will Wiedervereinigung mit Taiwan erreichen und rüstet massiv auf

China beansprucht die demokratisch regierte Insel als Teil der Volksrepublik; es ist ein Relikt aus dem Bürgerkrieg. Die Regierung droht seit Jahrzehnten, eine Wiedervereinigung zwar friedlich anzustreben, aber im Zweifelsfall auch mit Gewalt herbeizuführen. Manöver rund um Taiwan und Cyberangriffe haben in den letzten Jahren zugenommen. Die USA wiederum haben sich 1979 mit dem Taiwan Relations Act verpflichtet, Taipeh zur Selbstverteidigung auszurüsten und liefern seit Jahrzehnten Waffen.

Chinas Volksbefreiungsarmee rüstet massiv auf und platzierte seit den 1990-ern immer mehr Raketen an der Küste gegenüber Taiwan. Mehrere hochrangige US-Militärs warnen, China könne schon 2027 in der Lage sein, Taiwan anzugreifen – und das möglicherweise auch tun. Damit es dazu nicht kommt, steigt der Fokus auf das Thema Abschreckung. Das ist nicht nur für Taiwan selbst essentiell, sondern auch für die USA. Denn in einen Krieg hineingezogen zu werden, wäre das Worst Case-Szenario. Am Freitag äußerte der neue US-Generalstabschef Charles Brown allerdings Zweifel, dass Staatschef Xi Jinping plane, Taiwan mit Gewalt einzunehmen. „Er wird versuchen, es auf andere Weise zu erreichen“, sagte Brown in Tokio.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

US-Debatte: Welche Art der Abschreckung ist richtig?

Die Unsicherheit aber bleibt. Experten und Politiker debattieren daher derzeit über die richtige Form der Abschreckung. Viele Stimmen setzen sich dafür ein, Taiwan gezielt hochzurüsten, damit eine erfolgreiche Invasion der Volksbefreiungsarmee möglichst unmöglich wird – die so genannte Abschreckung durch Verweigerung (deterrence by denial). „Wir müssen Himmel und Erde in Bewegung setzen, um Taiwan bis an die Zähne zu bewaffnen und einen Krieg zu vermeiden“, forderte etwa der republikanische Kongressabgeordnete Mike Gallagher, Vorsitzender des Komitees zur Kommunistischen Partei Chinas im Repräsentantenhaus.

Dagegen bedeutet die Abschreckung durch Bestrafung (deterrence by punishment), China davon zu überzeugen, dass die Kosten für eine Blockade oder einen Invasionsversuch so hoch sind, dass sie deren Nutzen weit übersteigen. Da die Wiedervereinigung mit dem als abtrünnige Provinz angesehenen Taiwan zu Chinas proklamierten „Kerniteressen“ gehört, müsste die angedrohte Strafe extrem ausfallen – Abbruch von Beziehungen, hohe Sanktionen, oder die Anerkennung Taiwans als Staat infolge des Angriffs – und absolut glaubwürdig sein.

USA und China: Abschreckung ist auch Überzeugungsarbeit

Derzeit setzen die USA auf die Aufrüstung Taiwans; die Waffenverkäufe an Taipeh steigen seit Jahren. Zuletzt wurden im August die Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von 500 Millionen US-Dollar nach Taiwan genehmigt, darunter Infrarot-Such- und Verfolgungssysteme für F-16-Kampfflugzeuge. Die Regierung Biden beantragte Ende Oktober zudem beim Kongress für einen Nachtragshaushalt mehr als 105 Milliarden US-Dollar an Geldern für die Sicherheit der Ukraine, Israels, die Südgrenze der USA – und Taiwans.

Doch Waffen allein reichen nicht, schrieben die China-Experten Ryan Hass und Jude Blanchette am Dienstag im Fachmagzin Foreign Affairs. „Abschreckung ist eine politisch-psychologische Überzeugungsarbeit, und es geht nie nur darum, wer über mehr militärische Mittel verfügt. Abschreckung erfordert ein umfangreiches Instrumentarium, das diplomatische Geduld, Nuancierung, Überraschung, eine Politik der Stärke, aber auch Beruhigung und Glaubwürdigkeit umfasst.“ Diese ganzheitliche Sichtweise sei heute in Washington gefragt.

Welche Richtung sich am Ende durchsetzt, ist offen. Derzeit dominieren die China-Falken den politischen Diskurs in den USA, doch angesichts des vorsichtigen Tauwetters dieser Wochen werden wieder mehr Stimmen laut, die eine vorsichtigere Gangart befürworten. In der kommenden Woche wird Biden in San Francisco mit Xi Jinping zusammenkommen. Auch vom Ergebnis dieses Treffens dürfte abhängen, wie es in der Taiwanstraße weitergeht.

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