Quad, AUKUS und Co.
Anti-China-Phalanx: Wie Joe Biden Asien gegen Xi Jinping in Stellung gebracht hat
Joe Biden hat in den vergangenen Jahren in Asien ein komplexes Bündnissystem gegen China geschmiedet. Was bleibt, wenn er abtritt?
Es kommt eher selten vor, dass Weltpolitik in einer Schule gemacht wird. Ende September aber fanden sich gleich vier Regierungschefs in der Archmere Academy ein, einer Highschool in Claymont im US-Bundesstaat Delaware. Geladen hatte US-Präsident Joe Biden, der hier in den 1950er-Jahren die Schulbank gedrückt hat und der, wenn er sich nicht gerade im Weißen Haus aufhält, noch immer im nahegelegenen Wilmington lebt. Mit der Wahl des Ortes wollte Biden einen intimen Rahmen schaffen für ein Treffen, das ihm ganz besonders am Herzen liegt. Narendra Modi, Indiens Premierminister, war der Einladung gefolgt, außerdem der australische Premier Anthony Albanese und sein (mittlerweile zurückgetretener) Amtskollege aus Japan, Fumio Kishida. Zusammen bilden die vier Länder die Quad – ein loses Bündnis, das 2007 mit dem Ziel eines freien und offenen Indopazifik ins Leben gerufen wurde.
Seitdem gibt sich die Quad zwar große Mühe, nicht als Anti-China-Phalanx dazustehen. Aber natürlich ist Peking stets präsent, wenn sich deren Anführer treffen. Das war in Delaware nicht anders. „China verhält sich weiterhin aggressiv und stellt uns in der gesamten Region auf die Probe. Das gilt für das Südchinesische Meer, das Ostchinesische Meer, Südasien und die Taiwanstraße“, sagte Biden in seiner alten Schule. Dem müsse mit „intensiver Diplomatie“ begegnet werden. Die vielleicht wichtigste Botschaft aber, die der scheidende US-Präsident seinen drei Partnern in Delaware vermittelte, war eine andere. Das Bündnis, so Biden, „wird weit über den November hinaus fortbestehen“.
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Anti-China-Bündnis Quad: Unter Joe Biden deutlich aufgewertet
Am 5. November wählen die USA einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin, und vor allem in Tokio und Canberra ist die Sorge groß, Donald Trump könnte ein zweites Mal ins Weiße Haus einziehen. Biden macht sich deshalb daran, die Bündnisse, die Washington mit seinen Partnern im Indopazifik in den letzten Jahre gestärkt oder ganz neu geschmiedet hat, kurz vor Ende seiner Amtszeit krisenfest zu machen. Denn Biden ist davon überzeugt, dass die USA den Herausforderungen, vor die China sein Land und den Rest der Welt stellt, nur gemeinsam mit seinen Verbündeten begegnen kann.
Trump hingegen ist bekanntermaßen kein Fan von Allianzen, bei denen vielleicht nicht immer auf den ersten Blick klar ist, welchen Nutzen sie den USA bringen. Unlängst erst forderte er, Südkorea solle jährlich zehn Milliarden US-Dollar für die in dem Land stationierten amerikanischen Soldaten zahlen, zehnmal so viel wie bislang. Um dem zuvorzukommen, handelte Biden vor wenigen Wochen ein neues Abkommen mit der Regierung in Seoul aus, das lediglich moderate Kostensteigerungen vorsieht – und bis 2030 läuft.
Biden hatte die Quad vor vier Jahren deutlich aufgewertet, seitdem treffen sich nicht nur die Außenminister der vier Länder, sondern auch ihre Regierungschefs. Für Patrick Köllner ist das Bündnis einer der wichtigsten Eckpfeiler der Asien-Politik von Joe Biden. „Das Interessante an der Quad ist, dass Indien dabei ist. Das Bündnis deckt einen riesigen strategischen Raum ab, den China nicht dominieren kann“, sagt der Direktor des GIGA Instituts für Asien-Studien. Indien streitet mit China seit Jahrzehnten über den Verlauf der gemeinsamen Grenze, beide Länder führten deswegen schon Krieg, immer wieder sterben bei Scharmützeln im Himalaya Soldaten. Andererseits unterhält Indien weiterhin gute Beziehungen zu Russland.
„Schwenk nach Asien“: Joe Biden knüpft komplexes Netzwerk gegen China
Köllner vergleicht das Bündnissystem der USA in Asien mit einem Rad: Die USA seien die Radnabe, von der aus mehrere Speichen abgehen, unter anderem Richtung Japan, Australien und Südkorea. „Biden wollte dieses System durch zusätzliche Verstrebungen stärken, um ihm mehr Stabilität zu geben“, sagt Köllner. Entstanden ist so ein komplexes Netzwerk, das auch ein Donald Trump so leicht nicht zerstören kann.
Unter Führung der USA gingen Japan und Südkorea mit großen Schritten aufeinander zu, obwohl die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern historisch stark belastet sind. Im August 2023 empfing Biden Fumio Kishida und den konservativen südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol sogar zu einem historischen Dreiergipfel in Camp David. Außerdem sind da noch der trilaterale Dialog zwischen Washington, Canberra und Tokio sowie das AUKUS-Bündnis, dem Australien, Großbritannien und die USA angehören. Auch die einzelnen Länder rüsten massiv auf, Japan etwa kündigte vor zwei Jahren an, sein Verteidigungsbudget zu verdoppeln. All das geschieht besonders vor dem Hintergrund eines zunehmend aggressiven Chinas. Aber auch die nuklearen Drohungen aus Nordkorea bereiten den Regierungen Sorgen, vor allem in Tokio und Seoul.
Schon unter Barack Obama hatten die USA einen „Schwenk nach Asien“ verkündet. „Mit dem Ende des Irak-Kriegs und dem Beginn des Abzugs der amerikanischen Streitkräfte aus Afghanistan stehen die Vereinigten Staaten an einem entscheidenden Punkt“, schrieb seine damalige Außenministerin Hillary Clinton 2011 in einem Artikel für das Magazin Foreign Policy. Fortan sollten die USA ihre Ressourcen ganz auf Asien konzentrieren, so Clinton. Es war eine maßlose Selbstüberschätzung, blieben die USA doch ein weiteres Jahrzehnt in Afghanistan, und auch der Irak beschäftigte die USA mit dem Aufstieg des sogenannten „Islamischen Staats“ noch über Jahre. Erst unter Biden wurde die amerikanische Außenpolitik deutlich asiatischer, obwohl die USA auch durch den Ukraine-Krieg und die Krise im Nahen Osten stark gefordert sind.
„Es geht darum, ein Gegengewicht zum wachsenden militärischen Gewicht Chinas zu bilden“
Ohne den chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping wäre all das nicht denkbar, glaubt Köllner. „Er hat dafür gesorgt, dass China auf regionaler und internationaler Ebene ganz anders aufgetreten ist. Das hat die Wahrnehmung der Volksrepublik deutlich verändert.“ So kommt es im Südchinesischen Meer regelmäßig zu Zusammenstößen zwischen China und den Philippinen, einem der engsten Verbündeten der USA in der Region. Auch die chinesischen Drohungen in Richtung Taiwan haben zugenommen, manch einer in den USA glaubt, dass es schon 2027 zum Krieg um den Inselstaat kommen könnte. „Ein militärischer Konflikt um Taiwan, in den die USA und Japan hineingezogen werden, wäre der größtmögliche GAU“, sagt Köllner. „Für den Fall der Fälle werden deswegen die Sicherheitskooperationen ausgebaut.“ Immer wieder tauchen zudem chinesische Schiffe vor den japanisch kontrollierten Senkaku-Inseln auf, Chinas Marine ist mittlerweile die größte der Welt.
„Es geht darum, ein Gegengewicht zum wachsenden militärischen Gewicht Chinas zu bilden“, sagt Köllner. „Die USA wollen eine internationale Ordnung, die regelbasiert ist. Und die nicht auf der wachsenden Macht Chinas basiert, Fakten zu schaffen.“ Für Peking ist die Quad hingegen eine „Indopazifik-Nato“, auch AUKUS und die anderen Allianzen der USA betrachtet man mit Argwohn. Die USA und ihre Verbündeten, in Asien und anderswo, wollten den legitimen Aufstieg Chinas verhindert, klagt Xi immer wieder. So schnell aber werden sich die USA kaum aus der Region zurückziehen, daran dürfte auch ein Präsident Trump nur wenig ändern. Dass China die größte Herausforderung für die USA ist, darüber herrscht Konsens in Washington. Auch über Parteigrenzen hinweg.