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Angriff „im Handstreich“

Kiesewetter warnt Europa vor „Schwäche“ – „Dann wird Russland nicht drei bis fünf Jahre warten“

Europa will in Rüstung investieren. Aber CDU-Experte Roderich Kiesewetter erklärt im Interview große Sorgen. Er fordert gezieltes Handeln.

Donald Trump hat Europa mit seiner Russland-Politik in einen Schockzustand versetzt. Und Europa reagiert: Deutschland will ein riesiges Sondervermögen für die Verteidigung auf den Weg bringen. Ein EU-Gipfel hat am Donnerstag zugleich Milliarden-Kredite beschlossen.

Reicht das? Roderich Kiesewetter, eine der bekanntesten mahnenden Stimmen im Bundestag, warnt im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau vor offenen Fragen bei der Umsetzung. Und er fordert weitere, sehr klare Signale: „Diplomatie durch Stärke“, „offensive Fähigkeiten“ für die EU-Armeen, womöglich den „Spannungsfall“ in Deutschland. Schlimmstenfalls drohe ein russischer Angriff sehr viel früher als in den von einigen Experten vermuteten drei bis fünf Jahren, sagt Kiesewetter. Donald Trumps jüngste Forderungen wertet er als Aufforderung zur „Kapitulation“ der Ukraine.

EU beschließt neue Kredite im Ukraine-Krieg: „Positives Zeichen, aber ...“

Herr Kiesewetter, der EU-Gipfel hat sich auf Milliarden-Kredite für Verteidigung und Rüstung geeinigt. Ist da erstmal Zufriedenheit angesagt – oder braucht es noch mehr, neue Strukturen und Denkweisen?
Das ist natürlich ein sehr positives Zeichen. Aber: Über die Einzelheiten ist noch nicht beraten worden. Und je umfangreicher die Mittel sind, umso geringer ist der Veränderungsdruck. Zum Beispiel, effektive Strukturen zu schaffen und Prozess- und Produktinnovationen voranzutreiben.
CDU-Politiker und Bundeswehr-Oberst a.D. Roderich Kiesewetter am Freitag beim Litauisch-Deutschen Forum in München.
Prozess- und Produktinnovationen… was heißt das konkret?
Prozessinnovationen heißt, schnell wirksam zu sein: Reaktionsfähigkeit, Innovationen umsetzen. Bei den Produkten kommt es darauf an, nicht nur mehr vom Alten zu machen, sondern Lektionen aus den Kriegen der letzten zehn Jahren zu lernen. Die Ukraine für die eigene Verteidigung, aber auch Russland oder China, haben sehr intensiv aus den Kriegen in Libyen und zwischen Aserbaidschan und Armenien gelernt.
Was sind diese Lektionen?
Drohnenverwendung, Drohnensteuerung, frühe Aufklärung. Und das Verhältnis von Aufwand und Mitteln. Also etwa mit vergleichsweise günstigen Drohnen sehr teure Radarsysteme und andere Stellungen zu bekämpfen. Andererseits erleben wir, wie mit sehr teuren Raketen sehr einfache Drohnen abgeschossen werden, weil es keine anderen Mittel gibt – oder zu wenige Mittel dazwischen.

„Erkennen, dass sich Russland im Krieg mit uns sieht“

Auf das Stichwort Ukraine: Wie muss Europa auf die Erschütterungen aus Donald Trumps USA reagieren?
Es war absehbar, dass die USA die Ukraine nicht weiter unterstützen. Im Gegenteil, Donald Trumps neueste Forderung ist, dass die Ukraine einen einseitigen Waffenstillstand machen soll – also kapitulieren. Da reicht es nicht, Gelder freizumachen. Es braucht jetzt Ersatz für strategischen Transport, nachrichtendienstliche Stärke, Satellitenfähigkeiten. Und es braucht politischen Willen.
Politischer Wille wozu?
Die Bereitschaft zu erkennen, dass Russland sich im Krieg mit uns sieht und wir mit Verhandlungen alleine nicht weiterkommen. Diplomatie durch Stärke muss die Devise sein.

Bilder des Ukraine-Kriegs: Großes Grauen und kleine Momente des Glücks

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Der Krieg begann Ende Februar mit Angriffen Russlands auf zahlreiche Städte der Ukraine. Die Truppen aus Moskau nahmen frühzeitig auch Kiew, die Haupstadt des Landes, unter Raketenbeschuss. Eine der russischen Raketen wurde als Teil einer Ausstellung vor dem Nationalmuseum für Militärgeschichte platziert. Kurator Pavlo Netesov wollte nach eigener Aussage mit der Ausstellung der zerstörten Ausrüstung die Bewohnerinnen und Bewohner Kiews an die Straßenkämpfe erinnern, die in anderen Städte der Ukraine tobten, von denen die Hauptstadt aber verschont blieb. © Sergei Supinsky/afp
Wolodymyr Selenskyi in Donezk
Eine dieser Städte war Donezk. Im Mai 2022 besuchte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die einstige Millionenmetropole und hörte sich dort den Bericht von Frontsoldaten an. In Donezk tobt der Krieg zwischen Russland und der Ukraine bereits seit 2014. Seitdem herrscht dort ein von Moskau installiertes Regime, das sich selbst Volksrepublik Donezk nennt. Nach einigen vorübergehenden Waffenstillstandsabkommen ist die Stadt im Südosten nun wieder Ort erbitterterte Kämpfe. © Uncredited/dpa
Menschen suchen Deckung in Lyssytschansk
Es ist vor allem die Zivilbevölkerung, wie diese beiden Kinder und Seniorinnen in Lyssytschansk, die unter dem Ukraine-Krieg leiden. Die Großstadt liegt mitten im Donbass, die seit Kriegsausbruch am schwersten umkämpfte Region in der Ukraine. Die Bewohnerinnen und Bewohner, die nicht fliehen oder konnten, müssen nun regelmäßig Schutz vor Artilleriebeschuss suchen. © Aris Messinis/afp
Tschassiw Jar, Kleinstadt der Ukraine in der Nähe Lyssytschansk
Unweit von Lyssytschansk liegt die Kleinstadt Tschassiw Jar. Dort räumen Arbeiter die Trümmer eines Hauses von der Straße, das von einer russischen „Hurrikan“-Rakete getroffen wurde. Im Juli 2022 feierte Russland vor allem in der Donbass-Region militärische Erfolge. Zahlreiche Städte und Gemeinden wurden erobert. Die Truppen Wladimir Putins schienen die Ukraine im Sturm zu erobern. © Anatolii Stepanov/afp
brennendes Weizenfeld in der Region Saporischschja
Dieser Mann in Militäruniform ist in einem brennenden Weizenfeld in der Region Saporischschja, während russische Truppen Felder beschießen, um die örtlichen Landwirte an der Getreideernte zu hindern. Die Ukraine auszuhungern und die Ernte zu stehlen, war von Anfang an Teil der russischen Strategie © Uncredited/dpa
Das sechsmonatige Jubiläum im August war ein trauriger Abschnitt im russischen Angriffs-Krieg
Das sechsmonatige Jubiläum des UKraine-Kriegs im August war ein trauriger Abschnitt der russischen Invasion. Doch die ukrainischen Streitkräfte leisteten mit Herz und allen Mitteln weiter Widerstand und feierten ihre Nation, wie hier mit Drohne und ukrainischer Flagge über dem „Monument des Mutterlands“ in Kiew. © Dimitar Dilkoff/afp
Hier wurde im September in der Stadt Kupiansk in der Kharkiv Region eine Brücke bombadiert
Im September begannen die Truppen Wladimir Putins, die Infrastruktur der ukrainischen Städte unter Beschuss zu nehmen. In der Stadt Kupiansk in der Region Kharkiw bombardierte Moskau eine Brücke. An vielen anderen Städten versuchten die russischen Streitkräfte, die Energieversorgung zu stören. © Yasuyoshi Chiba/afp
Statt eines kurzen Angriffskriegs, den der russische Präsident Wladimir Putin geplant hatte, dauert der Krieg immer noch an.
Weil die Erfolge in der Ukraine ausblieben, benötigten die russischen Truppen immer mehr Rekruten für die Front. Präsident Wladimir Putin verkündete deshalb eine Teilmobilisierung im eigenen Land. Tausende junger Männer mussten sich wie dieser Mann in der Stadt Kineschma von ihren Müttern verabschieden und in den Ukraine-Krieg ziehen. © Vladimir Smirnov/imago
Hier sieht man Putin bei einer Ansprache auf einem großen Screen auf dem Roten Platz anlässlich der Annexion von vier Regionen der Ukraine, die von russischen Truppen im September besetzt waren
Im Osten der Ukraine schuf Wladimir Putin Ende September Tatsachen. Vier Regionen des Landes, die zuvor ihre Unabhängigkeit erklärt hatten, wurden annektiert. Anlässlich der Gebietsgewinne richtete sich Putin in einer TV-Ansprache an die Bevölkerung Russlands. Zumindest auf dem Roten Platz in Moskau wurde Putins Rede frenetisch bejubelt. © Alexander Nemenov/afp
Nach der Explosion eines Lastwagens in der Nähe von Kertsch am 8. Oktober 2022 steigt schwarzer Rauch aus einem Feuer auf der Brücke von Kertsch auf
Nach der Explosion eines Lastwagens in der Nähe von Kertsch am 8. Oktober 2022 steigt schwarzer Rauch aus einem Feuer auf der Brücke von Kertsch auf. Sie ist die einzige Landverbindung zwischen Russland und der annektierten Krim-Halbinsel. Russland versprach, die Täter zu finden, ohne die Ukraine sofort zu beschuldigen. © Uncredited/afp
Ukrainische Artilleristen feuern eine 152-mm-Schleppgeschütz-Haubitze (D20) auf eine Stellung an der Frontlinie in der Nähe der Stadt Bakhmut in der ostukrainischen Region Donezk Ende Oktober während des russischen Einmarsches in die Ukraine
Ebenfalls im Oktober gelingt es der Ukraine, an vielen Frontabschnitten vorzurücken. Das gelingt den Streitkräften vor allem dank der Unterstützung aus dem Westen, die immer mehr schweres Gerät in den Konflikt liefert. Hier feuern ukrainische Artilleristen eine 152-mm-Schleppgeschütz-Haubitze (D20) auf eine Stellung an der Frontlinie in der Nähe der Stadt Bakhmut in der ostukrainischen Region Donezk ab. © Dimitar Dilkoff/afp
Ein Einwohner von Cherson hebt seinen Daumen zur Unterstützung der Ukraine auf dem Hauptplatz der Stadt nach der Befreiung von den russischen Besatzern
Mitte November gelingt den ukrainischen Truppen ein großer Erfolg. Sie können die Hafenstadt Cherson im Südosten des Landes zurückerobern. Die Millionenmetropole besitzt neben hohem strategischem auch symbolischen Wert im Kampf gegen Russland. Ein Bewohner feiert die Befreieung mit erhobenem Daumen im Zentrum der Stadt. © Celestino Arce Lavin/dpa
An diesem Tag hielt die Welt den Atem an: Eine Luftaufnahme zeigt den Ort, an dem am 15. November 2022 zwei Männer im ostpolnischen Dorf Przewodow, nahe der Grenze zur kriegszerstörten Ukraine, durch einen Raketeneinschlag getötet wurden
An diesem Tag hielt die Welt den Atem an: Eine Luftaufnahme zeigt den Ort, an dem am 15. November 2022 zwei Männer im ostpolnischen Dorf Przewodow, nahe der Grenze zur kriegszerstörten Ukraine, durch einen Raketeneinschlag getötet wurden. Russland attackierte die Ukraine mit einem massiven Angriff auf die zivile Infrastruktur, wodurch Millionen von Haushalten ohne Strom blieben. Unmittelbar nach dem Vorfall gab es Befürchtungen, dass es sich um eine neue Eskalation des Konflikts handeln könnte, doch am 16. November 2022 gab Polen bekannt, dass das Geschoss wahrscheinlich von der ukrainischen Luftabwehr stammte. Diese Theorie wurde dann auch von Washington bestätigt. © Wojtek Radwanski/Damien Simonart/afp
ein Werk des britischen Straßenkünstlers Banksy auf einer mit Schnee bedeckten Panzerabwehrkonstruktion
Auch Banksy besuchte die Ukraine inmitten des Krieges. Ein am 17. November 2022 aufgenommenes Foto zeigt ein Werk des britischen Straßenkünstlers auf einer mit Schnee bedeckten Panzerabwehrkonstruktion auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew. Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass die Ukraine sich auf einen Winter des Krieges einstellen wird müssen. © Sergei Supinsky/afp
Dmitri Schewtschenko, Mitarbeiter von Rosenergoatom, inspiziert einen Tank mit destilliertem Wasser, um den Betrieb des vierten Blocks des Kernkraftwerks Saporischschja zu gewährleisten
Weitere harte Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur. Sogar Kernkraftwerke werden zum Ziel russischer Raketen. Dmitri Schewtschenko, Mitarbeiter von Rosenergoatom, inspiziert einen Tank mit destilliertem Wasser, um den Betrieb des vierten Blocks des Kernkraftwerks Saporischschja zu gewährleisten, der durch Beschuss im Zuge der russischen Militäroperation in der Ukraine in Enerhodar beschädigt wurde. © Alexey Kudenko/imago
Eine Frau spielt Gitarre in einer Kneipe während eines Stromausfalls in Lemberg am 2. Dezember 2022
Kleine Momente des Glücks im Wahnsinn des Krieges: Eine Frau spielt Gitarre in einer Kneipe während eines Stromausfalls in Lemberg am 2. Dezember 2022, als die Stadt nach den jüngsten massiven russischen Luftangriffen auf die ukrainische Energieinfrastruktur von einem geplanten Stromausfall betroffen ist. © Yuriy Dyachyshyn/afp
Hier trifft sie auf den Heiligen Mykola (Heiliger Nikolaus) am 19. Dezember 2022 in Cherson, inmitten der russischen Invasion in der Ukraine
Für einen Augenblick darf dieses Mädchen einfach Kind sein. Hier trifft sie auf den Heiligen Mykola (Heiliger Nikolaus) am 19. Dezember 2022 in Cherson, inmitten der russischen Invasion in der Ukraine © Dimitar Dilkoff/afp
Ukraine-Krieg - Jahrestag Kriegsbeginn- Kiew
Ukrainische Soldaten erinnern am 24. Februar 2023 an der Sophienkathedrale in Kiew an den Beginn des Ukraine-Kriegs ein Jahr zuvor. © Kay Nietfeld/dpa
Ukraine-Krieg - Orthodoxe Ostern in Saporischschja
Die kirchlichen Rituale werden in der Ukraine auch im April 2023 befolgt: Orthodoxe christliche Priester und Gläubige bei der Segnung der traditionellen Osterkörbe am Ostersonntag in der St. Nikolaus-Kirche in Saporischschja. © Andriy Andriyenko/dpa
Ukraine-Krieg - Ukrainische Gegenoffensive im Süden des Landes
Ukrainische Soldaten gestikulieren im September 2023 auf ihrem Bradley Fighting Vehicle (BFV) in der Frontstadt Orichiw. Aus ihrem amerikanischen Schützenpanzer berichten sie von schweren Gefechten. Seit Kriegsbeginn stand Orichiw unter ständigem Beschuss der russischen Armee. © Oliver Weiken/dpa
Ukraine-Krieg - Kupjansk
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (Mitte) wird am 30. November 2023 während eines Besuchs in einem Gefechtsstand an der Front in Kupjansk über die Kriegssituation informiert. © dpa
Lwiw
Auch im Dezember 2023 feiern die Menschen in der Ukraine Weihnachten. In Lwiw besuchen sie den Gottesdienst an Heiligabend und bereiten sich darauf vor, den ersten Weihnachtsfeiertag am 25. Dezember zu feiern.  © Yuriy Dyachyshyn/AFP
Ukraine-Krieg - Charkiw
Ein großer Haufen Trümmer mit Resten von russischen Raketen liegt in der Stadt Charkiw. In den frühen Morgenstunden des 15. Februar 2024 schlug eine russische Rakete in einem Wohngebiet von Chugugyv ein und tötete eine 67-jährige Frau. © Ximena Borrazas/dpa
Charkiw
Trotz Gesprächen über eine Waffenruhe dauert der Ukraine-Blick auch im Jahr 2025 weiter an. Charkiw steht mehrmals schwer unter russischem Beschuss. Das Kunstwerk „Kreuz des Friedens“ mit einem Kruzifix aus 20.000 Fragmenten russischer Artilleriegeschosse wurde vom amerikanisch-ukrainischen Künstler Sergey Melnikoff (besser bekannt als MFF) und dem ukrainischen Künstler Viktor Belchik geschaffen. © Sergey Bobok/AFP
Ukraine-Krieg - Sumy
Bei einem schweren russischen Luftschlag mit ballistischen Raketen gegen die Stadt Sumy kommen am Palmsonntag 2025 mehr als 30 Menschen ums Leben. Mehr als 100 Zivilpersonen werden verletzt. Unter den Toten sind auch Kinder. © Evgeniy Maloletka/dpa
Aber wie setzt man diese Marschroute um?
Indem man neue europäische Mittel oder auch nationale Mittel wie Taurus direkt in die politische Debatte einbringt. In dem man etwa in der Ukraine mit der Ausbildung an neuen Kampfflugzeugen oder Taurus beginnt – als Signal an Russland. Wenn Russland weiter eskaliert, liefert man dann auch Taurus oder besser ausgestattete Kampfflugzeuge.

Ukraine-Krieg und Russlands Bedrohung: Kiesewetter fordert „offensive Fähigkeiten“ – in vielerlei Hinsicht

In einem Tweet haben Sie am Donnerstag auch „offensive Fähigkeiten“ gefordert. Das klingt erstmal drastisch. Was genau meinen Sie damit?
Aktuell ist offen, ob die Amerikaner überhaupt noch wie geplant weitreichende Präzisionsraketen und Marschflugkörper in Europa zwischenstationieren, bis die Europäer eigene Systeme entwickelt haben. Das heißt, wir müssen viel, viel schneller handeln. Es geht darum, russische Kommandoposten, Befehlsstellen, Raketenstellungen in einer Reichweite von 2500 bis 3000 Kilometer erreichen zu können. Auch, um eine russische Erpressung zu verhindern. Denn Russland hat diese Systeme, die bis in unsere Bereiche wirken. Das ist aber noch nicht alles.
Nämlich?
Es geht auch um Satellitensysteme und frühe Aufklärung. Oder darum, Cyberangriffe führen zu können. Deutschland lehnt Antworten auf Hackerangriffe, “Hackbacks”, bislang ab. Aber wenn man den Urheber kennt, eine russische Universität beispielsweise, dann sollte man das tun.

Wenn aus Europa keine klaren Botschaften kommen, keine Wehrbereitschaft da ist, wird niemand in den USA einen Finger krümmen.

Roderich Kiesewetter
Eine weitere große Frage: Warum nutzen wir nicht Medien wie Radio Free Europe, France 24, BBC oder Deutsche Welle, um der russischen Öffentlichkeit zu zeigen, wie brutal ihre Soldaten geopfert werden? Dass zehntausende, wahrscheinlich hunderttausende ukrainische Kinder entführt wurden und in Russland zur Adoption freigegeben werden? Auch strategische Kommunikation gegen Russlands Propaganda ist eine „offensive Fähigkeit”. Und schließlich: Jeden Tag gibt es Drohnenüberflüge über militärische Einrichtungen oder Kraftwerke. Wir nehmen das hin, anstatt solche Drohnen auszuschalten.
Sie meinen, darauf sollte man auch kommunikativ reagieren?
Ja. Wir scheuen uns zum Beispiel, mit Blick auf die Finanzen den Notfall auszurufen. Wenn man das tut, braucht es keine Grundgesetzänderung und man muss nicht einen alten Bundestag für eine Zweidrittelmehrheit bemühen. Aber man will den Menschen die Wahrheit nicht zumuten. Wir könnten einen Spannungsfall ausrufen – aufgrund der Zerstörung unserer Bahninfrastruktur, aufgrund von Sabotageakten, von gezielten Tötungen etwa in Bayern. Zu den Offensivfähigkeiten gehört auch, Russland klarzumachen: Wir haben verstanden, wir lassen uns nicht einschüchtern, wir klären unsere Bevölkerung auf, wir bereiten sie darauf vor, diese Eskalation nicht einseitig hinzunehmen.
Einige Beobachter warnen, Russland könne binnen drei bis fünf Jahren nach einem Waffenstillstand in der Ukraine einen Schlag gegen einen EU-Staat ausführen. Andere äußern sich zurückhaltender. Wie ernst nehmen Sie diese These?
Ich bezweifle die These mit den drei bis fünf Jahren, es könnte früher sein. Nehmen Sie ein historisches Beispiel: Deutschland war 1939 nicht kriegsfähig – aber es sah eine Schwäche. Es sah, wie Frankreich und Großbritannien auf Tschechien eingewirkt haben, Gebiete abzutreten. Deshalb glaube ich: Wenn wir unsere aktuellen Entscheidungen nicht in Stärke ummünzen, wird Russland nicht drei bis fünf Jahre warten, sondern früher angreifen.

Russischer Angriff auf EU in „drei bis fünf Jahren“? Kiesewetter fürchtet Schlimmeres

Welche Szenarien halten Sie da für möglich?
Es könnte in einem Handstreich, vielleicht vorbereitet über 14 Tage – in denen es auf europäischer Seite immer wieder heißt, ‘das glauben wir nicht, das kann nicht sein’ – zum Beispiel die Suwalki-Lücke zwischen Belarus und Kaliningrad schließen. Auch, um die USA zu testen. Donald Trumps jetziger Vize-Verteidigungsminister Elbridge Colby sagte im Frühjahr 2024 beispielsweise, man werde nicht die eigene Sicherheit für Ost-Estland riskieren. Wenn aus Europa keine klaren Botschaften kommen, keine Wehrbereitschaft da ist, wird niemand in den USA einen Finger krümmen.
Sie sehen die Lage derart drastisch?
Die USA haben die Seite gewechselt – sie interessieren sich nicht mehr für Europas Sicherheit. Und wenn Russland eine solche Schwäche, eine Müdigkeit wahrnimmt, wird es seine Eskalation fortsetzen. Mit Sabotage und gezielten Tötungen im EU- und Nato-Gebiet. Und dann in einem weiteren Schritt militärisch. Müde dürfte aber nur die Ukraine sein – und die Ukraine kämpft weiter um Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung. Gleichzeitig wird das China ermuntern, Taiwan anzugreifen. Solche Blaupausenszenarien müssen wir unter allen Umständen vermeiden, sonst brennt es weltweit lichterloh. (Interview: Florian Naumann)

Rubriklistenbild: © Montage: Imago/Pond5/Florian Naumann

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