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„Furchtbar. Es muss stundenlang gelitten haben!“

Kitz mit abgetrennten Beinen liegen gelassen? Landwirt aus Niedertaufkirchen angezeigt

Bilder von einer Rehkitzrettung in  Niedertaufkirchen
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Bilder von einer Rehkitzrettung in Niedertaufkirchen: Dort kümmert sich ein Verein um Niederwild im hohen Gras – sofern der Verein informiert wird.

Im Landkreis Mühldorf hat vermutlich ein Landwirt einem Kitz bei der Wiesenmahd alle vier Läufe abgeschnitten. Es wurde am Rand der Wiese gefunden. Offenbar arbeitete der Mann weiter – ohne irgendwem Bescheid zu sagen. Der Verein „Wildes Bayern“ hat Anzeige erstattet.

Niedertaufkirchen – Es treibt einem die Zornesröte ins Gesicht: Ein junges Kitz ist in Niedertaufkirchen unter das Mähwerk gekommen, musste mehrere Stunden qualvoll leiden, bis es ein Jäger von den Schmerzen erlöst hat. Das teilt der Verein „Wildes Bayern“ in einer Pressemeldung mit.

Laut schreiendes, verletztes Rehkitz hat Bürger alarmiert

Wie die Vorsitzende des Vereins, Dr. Christine Miller, berichtet, sei sie am 5. Juni 2024 von aufgeregten Bürgern aus dem Landkreis Mühldorf angerufen worden, die ein laut schreiendes, verletztes Rehkitz am Rand einer frisch gemähten Wiese entdeckt hatten. Sie kontaktierte den zuständigen Hegeringleiter Oliver Keller, der zufällig auch der Jagdpächter ist. „Als dieser zum angegebenen Ort fuhr, entdeckte er ein schwer verletztes, noch lebendes Rehkitz, das offensichtlich am Rand der frisch gemähten Wiese abgelegt worden war. Alle vier Beine waren abgetrennt“, heißt es bei „Wildes Bayern“.

Alle Gliedmaßen waren abgetrennt

Kein schöner Anblick, sagt Hegeringleiter Keller. „Das verstümmelte Kitz muss bereits mehrere Stunden zuvor neben der gemähten Wiese abgelegt worden sein“, zeigt sich auch Keller fassungslos. „Das ist ganz furchtbar. Es muss stundenlang gelitten haben!“ Keller hat das Rehkitz dann mit einem Gnadenschuss von seinem Leiden erlöst.

„Wildes Bayern“ mutmaßt, dass der Landwirt selbst das Kitz bei der Mahd verletzt haben könnte „und es – vermutlich, um sein Gras nicht zu verunreinigen – aus der Wiese trug“. Statt allerdings dem Jagdpächter unverzüglich Bescheid zu geben, damit dieser das Kitz erlösen könnte, habe er nach Angaben von „Wildes Bayern“ wohl einfach weitergearbeitet. Wie der Verein herausgefunden haben will, habe der Landwirt ein Absuchen der Wiese vor der Mahd nicht veranlasst, „obwohl ihm gesagt worden war, dass sich kleine Kitze darin befänden“. „Wildes Bayern“ hat deshalb Anzeige wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Tierschutzgesetz erstattet.

Methoden gegen qualvolles Sterben von Jungtieren

Was Keller in diesem Zusammenhang umtreibt, ist die Tatsache, dass das qualvolle Verenden eines Jungtieres eigentlich nicht sein müsste. Gerade in seinem Jagdrevier, rund um Niedertaufkirchen, hat Keller nämlich ein System etabliert, dass solche Kitz-Tötungen verhindert. Durch den Einsatz von Drohnen werden die Tiere vor der Mahd gesucht und in Kisten bis nach dem Mähen an einer sicheren Stelle aufbewahrt.

Kitze sind im hohen Gras nur schwer auszumachen.

Bereits vor zwölf Jahren war Niedertaufkirchen Teil eines Forschungsprojektes zur Rettung von Rehkitzen und anderem Niederwild – durchgeführt vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum sowie der Technischen Universität München, der Uni Hohenheim und dem Bayerischen Jagdverband. Schon damals wurden Drohnen eingesetzt, ausgestattet mit Wärmebildkameras, um das Niederwild im hohen Gras aufzuspüren. Mit Erfolg.

Drohnen mit Wärmebildkamera sind billiger geworden

Viel hat sich seitdem getan. Die Drohnen sind leichter geworden und mittlerweile auch besser in der Handhabung, vor allem aber finanzierbar. Erst waren es einzelne Piloten, die sich ein solches Fluggerät, das mit knapp 6000 Euro doch ziemlich kostspielig ist, zugelegt haben. Einer davon ist der Niederbergkirchener Peter Schels, der schon seit mehr als zwei Jahren in seiner Freizeit den Landwirten hilft, vor der Mahd die Kitze aus dem hohen Gras zu holen.

Was folgte, war ein Zusammenschluss mehrerer Drohnenflieger, die sich mittlerweile im Verein der Rehkitz- und Wildtierrettung Altötting-Mühldorf organisieren. Seit knapp einem Jahr gibt es den eingetragenen Verein, der bereits kurz nach der Gründung 13 Mitglieder zählte. Mit fünf Drohnen schwärmen sie aus, wenn die Zeit der Mahd naht. Drei stehen den Piloten in Altötting zur Verfügung, eine den Kitzrettern aus dem Landkreis Mühldorf, eine steht als Reserve zur Verfügung.

Seit einem Jahr gibt es die Rehkitz- und Wildtierrettung

Dass sich die Kitz-Retter vor knapp einem Jahr in einem Verein organisiert haben, hat einen nachvollziehbaren Grund. Die Bundesregierung hatte ein Programm aufgelegt, wonach Drohnen zur Wildtierrettung mit bis zu 60 Prozent der Anschaffungskosten, maximal jedoch 4000 Euro pro Fluggerät, bezuschusst werden.

Ehrenamtliches Engagement der Kitz-Retter

Unbezahlbar ist jedoch das ehrenamtliche Engagement, das die Kitzretter aufwenden, um das Überleben von Jungtieren sicherzustellen – alles in der Freizeit. „Das Ganze passiert ja neben der Arbeit. Pro Saison kommen da schon sechs, sieben Urlaubstage zusammen, die meine Frau und ich dafür opfern“, sagt zum Beispiel Oliver Keller. Das Problem ist freilich, dass die Mähtätigkeiten geballt stattfinden, alle zur selben Zeit. Und da ist Flexibilität gefragt.

Nicht jeder Landwirt ist flexibel

Flexibilität, die Keller bei so manchem Landwirt jedoch vermisst. „Es gibt einige, die lassen sich halt nicht sagen, wann die Wiese vor der Mahd abgegangen wird. Da kann es schon mal passieren, dass sie mähen, ohne Bescheid zu geben!“ Keller betont aber auch: Mit knapp 80 Prozent aller Landwirte komme man gut aus, das Angebot der Suche nach Kitzen werde dankend angenommen.

Keller ergänzt: Die Landwirte sind verpflichtet, ihre Wiese vor der Mahd abzusuchen. Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft hat sogar einen Mähknigge herausgebracht, der genau definiert, was vor einer Mahd zu tun ist, um Wildtiere zu schützen.

Umso mehr ärgert es ihn, dass ein Absuchen, beziehungsweise ein Abgehen der Fläche offensichtlich in diesem Fall nicht erfolgt ist. „Das Kitz könnte noch leben, wenn der Landwirt die Kitz-Rettung über die Mahd informiert hätte! Was wir hier haben, ist Tierquälerei. Eine Sauerei!“

Fast 2.000 Drohnen bundesweit im Einsatz

Die Fördermaßnahme des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Rehkitzrettung verlief sehr erfolgreich, wie das Ministerium informiert – seit erstmaliger Auflage des Bundesprogramms in 2021 seien bislang 1963 Drohnen mit Mitteln des Bundes gefördert worden. In den Genuss der Förderung können allerdings nur Vereine kommen und so wurde die Wildtierrettung Altötting-Mühldorf geboren.

Anzeige auch gegen Landwirt in Mitterskirchen

Dafür hat er nun eine Anzeige erhalten. Es ist nicht die erste in diesem Jahr, wie die Vorsitzende des Vereins „Wildes Bayern“, Dr. Christine Miller, verrät. In Mitterskirchen habe es ebenfalls eine Anzeige gegeben, aus denselben Gründen. „In vielen Gebieten funktioniert die Suche nach Niederwild ganz gut, die Landwirte geben Bescheid. Es gibt aber auch Regionen und einzelne Landwirte, die meinen, eine Absuche, das braucht‘s nicht.“ Mit einer Anzeige will „Wildes Bayern“ nicht etwa einzelne Leute gezielt verfolgen, wie Dr. Miller betont. „Sondern weil wir wissen: Wenn dies öffentlich gemacht wird, sensibilisieren wir die Leute!“

In diesem Jahr verweist Miller auf eine interessante Konstellation: Der erste Schnitt habe sehr früh stattgefunden, zu diesem Zeitpunkt seien noch relativ wenige Kitz geboren gewesen, die Verluste seien deswegen gering gewesen. „Aber jetzt beim zweiten Schnitt haben wir deutlich mehr, vor allem ganz kleine Kitze, die können nicht weglaufen.“ Auch das nasse Wetter sorgt für eine besondere Situation: „Die Kitze ducken sich weg, anstatt wegzulaufen!“

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