Drei Sondersitzungen sind nötig
Tritt Mühldorf dem MVV bei? Was das Ticket nach München Bürger und Landkreis kosten würde
Der Landkreis Mühldorf plant den Beitritt zum Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV). Dazu liegen neue Studienergebnisse vor. Wie diese im Kreisausschuss für Nahverkehr ankamen.
Mühldorf – Soll der Landkreis Mühldorf dem MVV beitreten, oder nicht? Diese Frage wird momentan im Ausschuss für Nahverkehr des Landkreises erörtert, dem „Experten-Gremium“, zum MVV-Beitritt, wie Landrat Max Heimerl es nannte. Am Dienstag fand dazu eine Sondersitzung im Landratsamt statt, zwei weitere sollen bis Anfang Dezember folgen.
Mit nur einem Ticket durchs MVV-Gebiet
Als rosiges Ziel eines Beitritts zum MVV steht im Raum, dass Landkreisbewohner künftig nur mit einem einzigen Ticket in Bus und Bahn zum Beispiel nach München und dort mit U-Bahn, Bus und Tram quer durch die Stadt fahren könnten oder bis Rosenheim oder auch mal an den Spitzingsee. Das alles wäre nach einem Beitritt zum Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) im gesamten Verbundgebiet für die Menschen aus dem Landkreis möglich.
Dass der Beitritt angesichts des Pendlerverkehrs von Mühldorf nach München Sinn machen würde, war das Ergebnis von Phase 1 „Verkehrliche Situation“ der seit 2020 laufenden Grundlagenstudie zur MVV-Verbunderweiterung. Phase 2 der Studie prüfte die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen des Beitritts.
Ausschuss muss Beschlussvorschlag erarbeiten
Vor der Präsentation dieser Ergebnisse machte Landrat Heimerl den Ausschussmitgliedern noch einmal klar: „Wir sollen heute nichts entscheiden, sondern uns nur informieren lassen.“ Erst nach allen drei Sondersitzungen solle der Ausschuss einen Beschlussvorschlag für den Kreistag erarbeiten und dort im März 2024 vorgelegt werden. Damit sei der Beitritt zum MVV zum 1. Januar 2025 möglich.
MVV-Beitritt hat Vorteile im Gepäck
Zur Vorstellung der Ergebnisse war Dr. Bernd Rosenbusch, Geschäftsführer der MVV GmbH, ins Landratsamt gekommen. Er erläuterte den Kreisräten die Vorteile eines MVV-Beitritts, wie abgestimmte Fahrpläne von Bus und Schiene, einheitlicher und durchgängiger Tarif für Bus und Bahn, Tickets werden in Summe günstiger, kreisübergreifende Busverbindungen, verbundweit gültiges 365 Euro-Ticket für Schüler, Verkehrsentlastung der Kommunalstraßen durch den Umstieg von Pendlern auf den besser vernetzten ÖPNV, Landkreis Mühldorf entscheidet weiterhin über das Busangebot im Kreisgebiet, Nutzung der Fahrplan- und Ticket-App des MVV.
MVV ist für Wenigfahrer günstiger als das Deutschlandticket
Trotz des derzeit für 49 Euro pro Monat zu erwerbenden Deutschlandtickets, habe der MVV-Verbund weiter seine Berechtigung, so Rosenbusch. Denn erstens, werde der Preis für das Deutschlandticket steigen. Und zweitens, bleiben Einzel- und Wochenfahrkarten für viele Wenigfahrer die preislich günstigere Variante.
„So günstig wird´s nie wieder“
„So günstig kriegen Sie den MVV-Anschluss nie wieder“, sagte Rosenbusch mit Verweis auf die 90-prozentige Förderung durch den Freistaat Bayern. Bei vorläufig geschätzten Kosten von zwei Millionen Euro bliebe dem Landkreis lediglich ein Eigenanteil von 200.000 Euro. Dagegen müssten die Mindererlöse der heimischen Busunternehmen im ÖPNV, geschätzte 300.000 Euro, allein vom Landkreis als kommunalem Aufgabenträger ausgeglichen werden. Zudem stiege der Landkreis in ein bestehendes Verbundsystem ein, viele Anfangskosten hätten die anderen Verbundlandkreise schon bezahlt, merkte Günter Menzl an.
Die jährlichen Regiekosten werden von der MVV GmbH mit 450.000 bis 635.000 Euro angegeben. Die Höhe ist abhängig von den gebuchten Leistungen des Aufgabenträgers. Die Basisleitung Regiekosten für den Landkreis Mühldorf wird nach derzeitigem Stand voraussichtlich 450.000 Euro betragen. In der Basisleistung ist beispielsweise die Tarifentwicklung, Fahrgastinformation und Einnahmenaufteilung enthalten. Jegliche weitere Leistung wird separat in Rechnung gestellt.
„Somit fallen jährliche Kosten von insgesamt über 1 Million Euro pro Jahr an, ohne dass das Verkehrsangebot im Landkreis Mühldorf verbessert wird“, betont die Pressestelle des Landratsamtes. „Für die Pendler nach Landshut und Altötting wird es durch den MVV-Beitritt keine Verbesserungen geben – auf diesen Verbindungen ist nach wie vor der normale DB- oder Bustarif, eventuell das 49 Euro-Ticket, zu zahlen.“ Dazu kommen die einmaligen Initialkosten in Höhe von 261.100 Euro. Diese Kosten fallen für den Landkreis einmalig an, würden aber bei einem Beitritt zum 1. Januar 2025 den Haushalt 2024 belasten.
Mit Streifenkarte oder MVV-App nach München
Landrat Heimerl dankte für „die geballte Information, die wir jetzt durchdringen und verstehen müssen“. CSU-Kreisrat und Schönbergs Bürgermeister Alfred Lantenhammer wollte ganz praktisch wissen: „Kann ich dann also mit der MVV-Streifenkarte von Mühldorf nach München fahren?“ Da bejahte Dr. Rosenbusch: „Sie können mit der Streifenkarte zu Hause in den Bus ein-, dann auf die Bahn umsteigen und bis München fahren. Dafür müssen Sie dann allerdings von Zone 11 bis München 10 Streifen entwerten.“ Der Landkreis Mühldorf würde in den MVV-Zonen 5 bis 11 liegen. Einfacher ginge es mit der grünen MVV-App.
Nach dieser erkundigte sich ÖDP-Kreisrätin Lisa Sieber: „Errechnet die App den Ticketpreis?“ Rosenbusch: „Beim Einsteigen in den Bus wischen Sie bei der App nach rechts, beim Aussteigen nach links und bezahlen den passenden, günstigsten Ticketpreis.“ Grünen-Kreisrat Dr. Georg Gafus, nicht Mitglied, aber als Gast im Ausschuss, zeigt sich begeistert vom Angebot im MVV: „Der Beitritt wäre ein Riesengewinn für alle Pendler.“
350.000 Autos weniger pro Jahr
Alfons Linner (Grüne) fragte nach der erwarteten Abnahme des Autoverkehrs. Rosenbusch: „Im Landkreis Rosenheim wurden rund 700.000 Autofahrten weniger pro Jahr errechnet.“ Auf den etwa halb so großen Landkreis Mühldorf umgelegt, gehe er von einem Minus von 350.000 Autofahrten pro Jahr aus. Bei dieser Zahl handelt es sich um eine reine Schätzung des MVV, die nicht verifiziert ist. Zudem wurde dieses Einsparpotential zum Teil bereits durch die Einführung des 49-Euro-Tickets realisiert.
MVV-Beitritt trotz angespannter Haushaltslage?
Kreisrat Michael Ackermann (Grüne) fragte, ob sich der Landkreis angesichts der angespannten Haushaltslage den Beitritt zum MVV überhaupt leisten kann. „Momentan müssten wir das über Schulden finanzieren“, antwortete Landrat Heimerl. „Die Frage jetzt ist: Wollen wir es uns grundsätzlich leisten?“
MVV in Stadt und Landkreis Rosenheim
Dass der Beitritt zum MVV scheints nicht nur Vorteile bringt, erleben gerade die Menschen in Stadt und Landkreis Rosenheim. Anfang Dezember soll der MVV-Tarif dort eingeführt werden, mit einer Übergangsfrist bis Ende des Jahres. Ab dann gilt in allen öffentlichen Verkehrsmitteln der MVV-Tarif. Jetzt machen sich nicht nur Busunternehmen Sorgen um Einnahmeausfälle. Auch Schülereltern haben Probleme mit den neuen Ticketpreisen und Buskunden, die bisher mit Zeitkarten im Rosenheimer Stadtverkehr unterwegs waren, sind mit den neuen Preisen ebenfalls nicht zufrieden.