Fünfmal im Kreis Mühldorf zugeschlagen
Diebstahl aus Hofladen vor Gericht: Klaute Josef T. aus Not oder weil es so leicht ging?
Josef T. hat fünfmal in einem Hofladen im Landkreis Mühldorf geklaut. Dann erwischte ihn die Besitzerin. Vor Gericht geht es um die Frage: War das gewerbsmäßiger Diebstahl? Muss T. dafür ins Gefängnis?
Mühldorf/Erharting – Josef T. ist ein kräftiger Mann. Ein markantes Gesicht, große Hände, starke Finger, die auf handwerkliche Tätigkeit schließen lassen. Im Amtsgericht Mühldorf wirkt der 61-Jährige, dessen Name geändert ist, sehr zurückhaltend. Meist spricht sein Rechtsanwalt Jörg Zürner für ihn. T. fällt es sichtbar schwer, über ein aus den Fugen geratenes Leben zu berichten.
Hofladen als Einladung zur Selbstbedienung
Die Scheidung im Jahr 2000 mit hohen Unterhaltszahlungen, die Aufgabe der Selbstständigkeit als Schreiner, weil die Finger nicht mehr mitmachen, Jobs als Lagerist, Kündigungen, Arbeitslosigkeit, die pflegebedürftige Mutter, Renovierungsarbeiten am Elternhaus, es kommt vieles zusammen. Geldnot, das Konto am Anschlag. Und dann auf dem Heimweg von der Freundin im Chiemgau zu seiner Mutter bei Vilsbiburg der Hofladen beim Pauliwirt in Erharting. Für Josef T. eine Einladung zur Selbstbedienung.
Fünfmal hat er im Sommer des vergangenen Jahres dort geklaut. Beim ersten Mal waren es vier Rinderfilets, vier Bratwürste, vier Hähnchenschenkel, sauber aufgelistet von Staatsanwältin Sabine Krotzky. Der Wert lag immer zwischen gut 100 und knapp 300 Euro. Auf 1094,40 Euro beläuft sich die Diebstahlsumme insgesamt. Das, und da waren sich vor Gericht alle einig, ist gewerbsmäßiger Diebstahl.
Mit Strumpfmaske in den Hofladen
Josef T. bestreitet die Taten nicht. Wenn er mit seinem Motorrad von seiner Freundin kam, parkte er sein Krad in einiger Entfernung des Hofladens, weit weg von den Kameras. Dann verbarg er mit einer Strumpfmaske oder einem Schal sein Gesicht, manchmal trug er eine Baseball-Kappe. War der Laden leer, ging er hinein, füllte die mitgebrachten Taschen und verschwand. Geld ließ er nie da.
Das alles ist auf Videobändern eindeutig zu erkennen. „Alter, Statur und Nase“ ließen sich trotz der Maskierung leicht identifizieren, sagt Richter Florian Greifenstein bei der Betrachtung der Aufnahmen aus dem Video. Es herrscht kein Zweifel.
Rechtsanwalt Jörg Zürner versucht die Taten verstehbar zu machen: „Er hat es finanziell nicht mehr geschafft, Lebensmittel einzukaufen. Für sich und seine Mutter.“ Er spricht von einer besonderen Lebenssituation zwischen Pflege der Mutter, dem fehlendem Einkommen durch Arbeitslosigkeit und einem Konto, von dem er nichts mehr abheben konnte. „Die Hemmschwelle ist in einem solchen Hofladen deutlich niedriger. Das macht es nicht besser, gehört aber dazu.“
Es ging alles sehr schnell
Inzwischen, das wird vor Gericht klar, hat T. die gestohlenen Lebensmittel bezahlt und so versucht, den Schaden wiedergutzumachen. Das geschah nach der Anzeige durch die Hofladenbesitzer und einem neuen Job als Lagerist mit 1600 Euro Nettogehalt.
Die Besitzerin des Hofladens schildert, wie sie T. auf die Schliche kamen. Wann immer ein neuer Kunde den Hofladen betritt, erhält sie eine Nachricht aufs Handy. Da T. sehr schnell war, hat es gedauert. Aber schließlich konnte die Besitzerin ihn mitsamt seines Motorrads fotografieren.
Ihre Sicht auf den Diebstahl ist naturgemäß eine ganz andere als die von T. „Es gibt immer wieder welche, die meinen, sie müssten das Vertrauen von uns missbrauchen“, sagt sie. „Im Fall von Herrn T. war es extrem dreist.“ Sie urteilt über die Taten: „Das war sehr gut vorbereitet, lang hat es nie gedauert.“ Bedient habe er sich vor allem am Kühlschrank, also dort, wo die teureren Sachen lagerten. Kein Ei oder ein Apfel, vor allem Fleisch und Wurst habe er mitgenommen.
Das ist jetzt vorbei, es geht wieder besser, sagt sie. „Seitdem ist Ruhe. Und ich möchte auch, dass Herr T. nicht mehr kommt und unsere Flurgrundstücke nicht mehr betritt.“
Sie schaut ihn nicht an, während sie aussagt, er sie auch nicht. Beider Blicke sind während der gesamten Zeit fest auf Richter Greifenstein gerichtet.
Problem in vielen Hofläden
Im vergangenen Sommer haben die OVB Heimatzeitungen über die Öffnungszeiten der Hofläden und das Problem der Diebstähle berichtet. Zu Schließungen haben diese Diebstähle nicht geführt, einige Hofladenbetreiber haben ihre Sicherheitsstandards aber verbessert. In manchen Läden, so wie beim Pauliwirt, müssen Kunden die Preise der Waren selbst zusammenzählen und das Geld bar hinterlegen oder per Karte bezahlen. Andere haben Automaten aufgestellt, die die Ware erst nach Bezahlung herausgeben. Diese Automaten sind laut Anwalt Zürner aber deutlich teurer. Videokameras gibt es in allen Hofläden.
Kein unbeschriebenes Blatt
Am Ende steht eine Bewährungsstrafe von einem Jahr. Denn T. ist kein unbeschriebenes Blatt, neun Einträge gibt es im Zentralregister. Viele davon wegen Diebstahs, einmal saß er sogar im Gefängnis. Richter Greifenstein spricht im jüngsten Fall von „Selbstbedienung im wahrsten Sinne des Wortes“. Der Schaden sei nicht so hoch. „Das ist typisch, das geht einmal gut und dann macht man so lange weiter, wie es geht.“
Erst jetzt, ganz am Ende, geht T. einmal aus sich heraus. Wenn er etwas Geld verdient habe, wolle er sich ein mobiles Sägewerk kaufen, sagt er. „Dann habe ich ein zweites Standbein, dann passiert mir das nicht mehr.“ Und er gibt zu: „Ich habe einen Fehler gemacht.“
An den erinnert auch Richter Greifenstein zum Schluss noch einmal: „Irgendwas in den nächsten drei Jahren, dann kann ich Ihnen nicht mehr helfen.“ Drei Jahre, solange ist der Bewährungszeitraum für T.