Erdwärmeversorgung aus Polling
20 Cent sind zu viel? Reaktionen auf Mühldorfs Fernwärme-Ausstieg und was jetzt passiert
Abruptes Ende einer modernen Wärmeversorgung: Die Stadt Mühldorf stoppt die Zusammenarbeit mit der Geothermie Polling. Die Partner reagieren überrascht.
Von Jörg Eschenfelder, Josef Enzinger, Markus Honervogt und Christa Latta
Mühldorf – Die Stadt Mühldorf hat die Verhandlungen um die Abnahme von Erdwärme aus der Geothermiebohrung in Polling abgebrochen. Das teilte die Stadt am Mittwoch 15. Januar, mit. Damit ist eine Fernwärmeversorgung des Mühldorfer Südens und der Liegenschaften des Landratsamts in weite Ferne gerückt.
Absage an Geschäftspartner per E-Mail
Als Grund nannte Bürgermeister Michael Hetzl in einer Mitteilung die weit auseinanderliegende Vorstellung zu den Preisen für die Wärmelieferung zwischen der Stadt Mühldorf, den Stadtwerken und der Firma Erdwärme-Inn Bayern GmbH (EWI), die die Bohrstelle in Polling betreibt .
Unterstützt wird Hetzl von Stadtwerkechef Alfred Lehmann: „Wir werden angesichts einer Gesamtinvestition von schätzungsweise rund 50 Millionen Euro nur unter der Voraussetzung der Wirtschaftlichkeit in das Projekt einsteigen können“, betont er. „Entscheidend für uns ist, dass wir unseren Kunden auch in Zukunft faire Preise garantieren können.“ Weil das derzeit nicht in Aussicht steht, seien die Verhandlungen zunächst gestoppt.
Keine konkreten Zahlen, aber: zu teuer
Auf 20 Cent bezifferte Bürgermeister Hetzl den Kilowattpreis, den die Firma Erdwärme-Inn Bayern GmbH (EWI) angeboten habe. „Konkret hätten die Bürger in Mühldorf am Ende mehr als doppelt so viel für eine Kilowattstunde bezahlen müssen wie in Waldkraiburg“, erklärte Hetzl. Er spricht von „überzogenen Preisforderungen“, vom Versuch uns „auf Basis vermeintlicher Alternativlosikeit zu schröpfen“..
2400 Heizkosten für 150 Quadratmeter-Haus
Die Stadtwerke Waldkraiburg, die Hetzl als Vergleichsbeispiel herangezogen hat, verlangen nach eigenen Angaben neben einem Grundpreis von etwa 500 Euro zehn Cent je Kilowattstunde Wärme. Für ein Haus mit einer Wohnfläche von 150 Quadratmetern macht das etwa 2600 Euro jährlich, erklärte Waldkraiburgs Stadtwerkechef Herbert Lechner auf Anfrage der OVB Heimatzeitungen.
Die EWI stellt die Aussagen der Stadt infrage. Geschäftsführer Ferdinand Schmacks zeigte sich auf Anfrage „sehr verwundert“ über die Absage der Zusammenarbeit am Abend vor der Veröffentlichung der Pressemitteilung am nächsten Tag. „Vor dem Hintergrund, dass wir seit dem 6. November auf Rückmeldung zu unserem Vorschlag warten, der auch erhebliche Zugeständnisse zum Thema Anlaufverluste für die ersten zehn Jahre beinhaltet, ist die Vorgehensweise eine mit uns nicht abgestimmte Pressemitteilung zu veröffentlichen, ungewöhnlich.“
Die Stadt will den Verhandlungsverlauf nicht kommentieren, erklärt aber auf Anfrage: „Wenn es unsererseits den Eindruck von Beweglichkeit der anderen Seite gegeben hätte, hätten wir die Verhandlungen nicht gestoppt und darüber öffentlich kommuniziert.“
Näher wollte sich Schmack zu den Aussagen des Mühldorfer Bürgermeisters und des Stadtwerkechefs nicht äußern. Er kündigte lediglich an, sich in den nächsten Tagen mit dem heimischen Gasversorger Evis in Verbindung setzen zu wollen und um Erläuterung des Sachverhalts zu bitten, „bevor wir auf andere Wärmeversorger zugehen“.
Ein möglicher Interessent für eine Fernwärmeversorgung in Mühldorf war auch der Landkeis mit seinen großen Einrichtungen. Im Oktober 2022 stellte er die Planungen für ein eigenes Nahwärmenetz für Landratsamt, Ruperti Gymnasium, Berufsschule I, „InnKlinikum“, Bildungszentrum der Handwerkskammer und Wirtschaftsschule Gester zurück. Als Brennstoff sollten ursprünglich Hackschnitzel aus der Region dienen, Standort der künftigen Heizzentrale ein Grundstück an der Herzog-Friedrich-Straße neben dem Städtischen Kindergarten sein. Der Kreistag hatte sich im März 2022 einstimmig für dieses Wärmenetz ausgesprochen.
Grund für die Zurückstellung der Pläne waren die Geothermie-Bohrungen in Polling. Laut Prognose sollte das Potenzial ausreichen, um neben anderen Gemeinden auch „die ganze Stadt Mühldorf an das Fernwärmenetz anschließen zu können“, sagte Landrat Max Heimerl damals. Das Leitungsnetz hätten nach Vorstellung des Landkreises die Stadt Mühldorf oder die heimischen Gasversorger bauen müssen. „Der Landkreis wird nur Abnehmer sein“, sagte Heimerl.
Entsprechend groß ist die Enttäuschung beim Landkreis. „Die neueste Entwicklung ist sehr bedauerlich“, sagt Landrat Max Heimerl auf Anfrage. „Wir müssen die Situation jetzt bewerten und überprüfen, welche Optionen wir zur Umsetzung unserer Strategie zur CO2-neutralen Versorgung unserer Landkreisliegenschaften in Mühldorf aktuell haben.“ Heimerl verweist auf die ursprüngliche Idee einer eigenen Nahwärmeversorgung mit einem Hackschnitzelheizwerk. „Eine Wiederbelebung unserer ursprünglichen Pläne ist grundsätzlich denkbar.“
Bauarbeiten in Polling laufen weiter
Die Bauarbeiten zur Versorgung der Reichenspurner-Gewächshäuser mit Erdwärme laufen dagegen weiter. Die Firma Palitza aus Mühldorf baut derzeit die Energiezentrale in Polling. Die Erdplatten für das Technikgebäude seien bereits vor Weihnachten erstellt worden, auch das Übergabehaus in Tüßling, in unmittelbarer Nähe zum Gewächshaus, sei im Bau, sagt Palitza-Geschäftsführer, Thomas Größlinger. Er spricht von einem Auftragsvolumen von 1,5 Millionen Euro.
Die Stadt Mühldorf nennt eine Geothermieversorgung aus Polling zwar weiterhin den „Königsweg in der Wärmeversorgung“, der aber angesichts der Forderungen derzeit ausgeschlossen sei. „Für uns bedeutet das, dass wir uns umso stärker mit einer möglichen Beteiligung an anderen Geothermie-Projekten in der Region befassen müssen.“ Die müsse aber immer auch wirtschaftlich sein.


