Waldkraiburger vor dem Amtsgericht
Betrunkener (69) schlägt Frau und Schwägerin – rettet ihn der Alkohol-Missbrauch vor dem Knast?
Ein 69-Jähriger aus Waldkraiburg hat seine Ehefrau und Schwägerin mit Fäusten geschlagen und bedroht. Der Mann ist alkoholabhängig, auch bei der Tat war er betrunken. Wirkt sich das auf sein Urteil aus?
Waldkraiburg – Fast 25 Jahre hat der 69-Jährige bei einem Unternehmen im Landkreis gearbeitet, hat sich mit seiner Ehefrau einen kleinen Bungalow gekauft und Kinder großgezogen. Doch seine Alkoholkrankheit verändert ihn, das Paar gerät aneinander und lebt seit etwa zehn Jahren getrennt. Geschieden sind sie nicht. Der Mann wohnt alleine im gemeinsamen Haus, die Frau bei ihrer pflegebedürftigen Mutter in Waldkraiburg.
Der deutsche Staatsangehörige spricht kaum Deutsch, deswegen ist bei der Verhandlung eine Dolmetscherin anwesend. Rechtsanwältin Veronika Schönsteiner sagte gleich zu Beginn: „Mein Mandant räumt den Sachverhalt wie in der Anklage geschildert ein.” Er hat im September 2023 seine Ehefrau und Schwägerin mit Fäusten geschlagen und bedroht. Grund dafür sei ein Diebstahlvorwurf über 20.000 Euro gewesen. Da er erheblich alkoholisiert war, habe er nicht angemessen reagiert. „Er leidet schon länger an Alkoholmissbrauch, nimmt seit September Maßnahmen dagegen regelmäßig wahr und hat letzte Woche eine stationäre Entwöhnungstherapie beantragt”, ergänzte Schönsteiner.
Ob seine Frau und seine Schwägerin am Tag der Tat bei ihm vor der Tür standen, fragt Amtsrichter Florian Greifenstein. „Ich kann mich nicht erinnern”, sagt der 69-Jährige zunächst. Und dann: „So ein bisschen erinnere ich mich doch, die beiden kamen oft zu mir und wollte immer irgendwas, irgendwelche Unterlagen.”
Zähne der Schwägerin konnten gerettet werden
Die Schwester der Ehefrau erzählt: „Ich bin mit meiner Schwester zu meinem Schwager gegangen, weil wir bestimmte Sachen ansprechen und klären wollten, aber er ist direkt auf uns losgegangen.” Der erste Schlag habe sie im Gesicht getroffen, als ihre Schwester helfen wollte, sei er auch auf diese losgegangen. Ihr selbst hätte er beinahe die Zähne ausgeschlagen, mit Glück habe die Zahnärztin diese noch retten können.
Nur weil die Schwester es geschafft habe, die Tür zum Flur zu öffnen, konnten die beiden Frauen fliehen. Schnell hätten sie sich vom Haus entfernt und die Polizei angerufen, der 69-Jährige sei mit dem Fahrrad hinter den Frauen hergefahren. „Er hat keine Schuldgefühle, das ärgert mich”, sagt die Schwägerin.
Eine gute Woche darauf sei der Mann zur Wohnung der Schwiegermutter gekommen. „Er hat an die Tür geklopft und geschrien, er wollte die Papiere zurück, aber konnte das nicht normal sagen”, erzählt die Schwägerin.
Eine Flasche Hochprozentiges am Tag
„Was haben sie denn üblicherweise getrunken an so einem Tag, nachmittags um halb vier?”, wollte Richter Greifenstein wissen. Eine ganze Flasche Hochprozentiges könne er an einem Tag trinken, Wodka oder Cognac, Bier möge er nicht, erklärt die Übersetzerin. „Mein Kopf ist einfach schon verrückt, deswegen habe ich so früh angefangen an dem Tag”, sagt der Beschuldigte. Gleichzeitig beteuert er, niemandem Beleidigungen an den Kopf zu werfen. Er habe nicht mal an die Wohnungstür geschlagen, so etwas würde er auch betrunken nicht machen.
Polizistin Sabrina Grill erinnert sich, wie die Frauen mit Hämatomen im Gesicht auf der Polizeiwache erschienen sind. Aber als entsprechende Bilder bei der Verhandlung angesehen werden, sagt der Beschuldigte: „Ich hätte das doch nicht machen können.”
„Der Alkohol hat ihm alles kaputt gemacht im Leben“
„Der Alkohol ist bei ihm das größte Problem, wenn er nüchtern gewesen wäre, hätte er vielleicht nicht so reagiert”, sagt seine Frau. Es sei nicht das erste Mal, dass er ihr gegenüber handgreiflich geworden ist, aber bis dahin habe sie ihm immer verziehen. 2022 erhielt der 69-Jährige wegen einer anderen Tat schon einmal einen Strafbefehl von einem Jahr auf Bewährung.
Meinungen über die Sozialprognose gehen auseinander
Zu seinen Gunsten rechnet ihm Staatsanwältin Carolin Regensburger an, dass er bei allen Taten erheblich alkoholisiert war. „Aber Einsicht oder Reue ist nicht da, eine Entschuldigung gab es nicht, da hätte man auch heute die Gelegenheit nutzen können”, betont sie.
Auch Verteidigerin Schönsteiner verwies auf den Alkoholkonsum, als sie eine Bewährungsstrafe forderte. „Er wird nun zweimal die Woche ganz engmaschig wegen seiner Alkoholkrankheit vorstellig, hat keine Fehlzeiten und das wirklich ernst genommen, das ist bei einem kranken Menschen erheblich zu berücksichtigen.”
Angeklagter nimmt letzte Chance an
Der 69-Jährige hört den Worten der Übersetzerin zu, weint und schnäuzt sich die Nase. Er selbst sagt: „Ich vertraue meiner Anwältin, ja klar, bin ich in irgendeiner Form schuld.”
Richter Greifenstein verhängt schließlich eine Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten auf Bewährung. „Man muss davon ausgehen, dass er schuldunfähig war, weil alkoholisiert.” Er sei angewiesen, unverzüglich eine stationäre Therapie anzutreten und ordnungsgemäß abzuschließen. „Das ist diese berühmte letzte Chance”, schließt Greifenstein.
„Danke”, sagt der 69-Jährige und nimmt das Urteil direkt an.
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