Akribische Ermittlungen
Nach Fahndungserfolg in Altötting: So arbeiten die Unfallfluchtfahnder der Polizei
Der Fahndungserfolg nach dem schweren Verkehrsunfall mit Fahrerflucht in Altötting/Loha Anfang August war auch der Arbeit der Unfallfluchtfahnder der Dienststelle Mühldorf der Verkehrspolizeiinspektion Traunstein zu verdanken. Wir haben Polizeihauptkomissar Thomas Meixner getroffen, der mit einem großen Teil der Ermittlungen betraut war.
Altötting/Mühldorf am Inn - „Wenn es sich um einen derart schlimmen Unfall wie jenen in Altötting/Loha handelt, dann machen wir uns sofort selbst auf den Weg“, berichtet Polizeihauptkomissar Thomas Meixner, Unfallfluchtfahnder der Verkehrspolizeiinspektion (VPI) Traunstein mit Dienstort Mühldorf am Inn. „Vor Ort angekommen habe ich dann erst einmal eine Reihe von Fragen an die Kollegen: Ist der Unfallablauf schon bekannt? Wurde Spurenmaterial festgestellt oder gesichert? Gibt es Zeugen und was sagen sie?“
Schwerer Unfall bei Altötting am Montag (5. August)




„Vor allem Zeugen können mitunter entscheidende Hinweise liefern“, meint Meixner, „Sagen wir einmal es geht um den genauen Unfallzeitpunkt: Jemand hat vielleicht den nächtlichen Unfall nicht direkt gesehen, aber erinnert ich noch genau, wie er durch einen plötzlichen Knall aufgewacht ist und erstmal auf den Wecker geschaut hat. Das ist natürlich nur ein theoretisches Beispiel, aber auf diese Weise kann man dann auf indirekte Weise so etwas feststellen.“
Nach Fahndungserfolg in Altötting: So arbeiten die Unfallfluchtfahnder der Dienststelle Mühldorf der Verkehrspolizeiinspektion Traunstein
Nach einem schweren Verkehrsunfall mit Fahrerflucht in Loha am Anfang August, bei dem ein achtjähriges Mädchen schwere Gesichtsverletzungen erlitt, konnte die Polizei vor kurzem das Tatfahrzeug und einen Tatverdächtigen ermitteln. Laut dem Polizeibericht wurden DNA-Spuren gesichert, Unfallspuren ausgewertet und sowohl unfalltechnische, als auch unfallanalytische Gutachten eingeholt. Zudem wurden Hinweise aus der Bevölkerung verfolgt und Videoaufnahmen gesichert.
Die Ermittlungsgruppe der Polizeiinspektion Altötting fand schließlich den entscheidenden Hinweis. In enger Zusammenarbeit mit den Unfallfluchtfahndern der Verkehrspolizeiinspektion Traunstein, sowie dem Bayrischen Landeskriminalamt konnte ein Fahrzeug festgestellt werden, welches inzwischen anhand der Spurenuntersuchung als das Tatfahrzeug des schweren Unfalls bestätigt werden konnte. Der Tatverdacht richtet sich gegen einen 63-Jährigen aus dem Landkreis Altötting. Die genauen Umstände des Unfalls sind derzeit Gegenstand der Ermittlungen.
20 neue Fälle am Tag
„Jeden Tag kommen im Durchschnitt etwa 20 neue Fälle von Unfallflucht dazu. Das umfasst alles vom Spiegelstreifer bis zum schweren Unfall mit Personenschaden“, erläutert Polizeihauptkomissar Thomas Meixner, „Grundsätzlich befassen wir uns mit allen davon. Aber wir müssen natürlich priorisieren, was besonders dringlich oder wichtig ist. Wie gesagt, wenn es sich um so einen Fall wie in Altötting handelt, kommen wir sofort selbst zum Unfallort und nehmen direkt die Arbeit auf. Ansonsten unterstützen wir die Kollegen bei der Auswertung oder schauen uns beispielsweise einen Unfallort noch einmal genau an.“
Definition von Fahrer- beziehungsweise Unfallflucht laut dem Strafgesetzbuch (StGB)
§ 142 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er
1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder
2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich
1. nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder
2. berechtigt oder entschuldigt
vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.
(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.
(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).
(5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.
„Unsere Rolle ist eine unterstützende“, erklärt Meixner Rolle der Unfallfluchtfahnder. Drei davon gibt es bei der VPI. Zwei seiner Kollegen sind in deren Inspektion in Siegsdorf für das Berchtesgadener Land und den Landkreis Traunstein zuständig. Meixner wiederum hat die Zuständigkeit für die Kreise Altötting und Mühldorf am Inn. Er bringt jahrelange Erfahrung als Verkehrspolizist mit. „Wenn man sich auf eine Aufgabe spezialisiert, wie in diesem Fall das Sichern und Auswerten von Unfallspuren, kann man sich da einfach sehr viel vertiefteres Wissen aneignen.“ Er würde auch regelmäßig Kollegen darin schulen, worauf im Ernstfall zu achten ist, wie man am Besten Spuren sichert und dokumentiert und so weiter.
Rekonstruktion eines Unfallgeschehens übernimmt Gutachter
„Wohlgemerkt: Wenn die Rekonstruktion eines Unfallgeschehens durch den Staatsanwalt angeordnet wird, übernimmt das dann wiederum ein spezieller Gutachter“, betont Meixner, „Allerdings arbeite ich ihm natürlich zu beziehungsweise mit ihm zusammen.“ Auch mit dem Landeskriminalamt (LKA) werde häufig zusammengearbeit. „Ich kann hier eine gewisse Voranalytik mit einem Mikroskop leisten, in dem ich beispielsweise Lackschichten schon sehr gut erkennen kann. Aber das LKA hat einfach noch einmal ganz andere Möglichkeiten, mit verschiedensten Verfahrenm beispielsweise Lack- oder Faserspuren auszuwerten.“
Wie man dann letztlich einem Unfallflüchtigen auf die Spur kommt? Da gäbe es verschiedene Varianten. „Das kann so etwas verhältnismäßig einfaches sein, wie eine markante Delle. Oder Lackspuren vom anderen Auto, Gipsspuren von der Wand die angefahren wurde und so weiter“, so der Komissar, „Gerade deswegen ist es bei kritischen Fällen auch so wichtig, rasch zu handeln, bevor der Verursacher schlicht den Schaden in der Werkstatt beheben lassen kann.“ Ein markantes Beispiel sei eines gewesen, in dem ein aus Bruchstücken rekonstruiertes Außenspiegelgehäuse den entscheidenden Hinweis lieferte. „Dieses ließ sich einem bestimmten Fahrzeughersteller und -Modell zuordnen, was es drastisch einfacher machte, den Verursacher zu ermitteln.“
Manche sind einsichtig, manche leugnen
Und so könne dann schließlich ein Verursacher beziehungsweise mutmaßlicher Verursacher ermittelt werden. „Wenn man die Leute dann konfrontiert, kann es natürlich mal so und mal so laufen“; meint Meixner, „Manche Leute gestehen dann sofort, sehen auch ihre Schuld ein. Andere versuchen sich herauszureden. ‚Ja, da ist eine Delle, aber das war ein Wildunfall‘ ist da ein Klassiker. Dem gilt es dann solide Ermittlungsarbeit gegenüberzustellen. Letztlich ist die weitere Strafverfolgung dann natürlich Sache der Staatsanwaltschaft.“
„Fahrlässige Unfallflucht, das gibt es ja eigentlich so nicht. Man kann durch Fahrlässigkeit einen Unfall verursachen. Aber sobald man sich dann entscheidet, die Flucht zu ergreifen, ist es fast immer Vorsatz“, meint Meixner abschließend. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ist für sich genommen bereits eine Straftat, die mit einer Geldbuße oder bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft wird. Auch Fahrverbot und Punkte in Flensburg sind möglich. „Die Motive dafür sind vielfältig: Jemand steht unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, die Versicherung oder Anmelkdung des Autos ist abgelaufen, der Fahrer hat keinen Führerschein und so weiter. Die einzige vorstellbare Ausnahme wäre, wenn jemand beispielsweise ein sehr alter Mensch derart schlecht hört, dass sie oder er beispielsweise den Aufprall nicht warnimmt. Aber in aller Regel bekommen es, meiner Erfahrung und Einschätzung nach, Unfallverursacher mit, wenn es kracht.“ (hs)