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Teildemontage als Wiedergutmachung befohlen

So wurde vor 75 Jahren die „Keulenschlag“-Demontage im Aluwerk Töging gestoppt

Links: Ein Artikel zum Dringlichkeitsantrag der SPD im Bayerischen Landtag im Rosenheimer Tagblatt Wendelstein (RTW) am 24. Oktober 1950. Rechts: Ein Gruppenbild nach dem Wiederaufbau des zuvor demontierten Ofens III im Aluminiumwerk Töging 1951.
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Links: Ein Artikel zum Dringlichkeitsantrag der SPD im Bayerischen Landtag im Rosenheimer Tagblatt Wendelstein (RTW) am 24. Oktober 1950. Rechts: Ein Gruppenbild nach dem Wiederaufbau des zuvor demontierten Ofens III im Aluminiumwerk Töging 1951.

„Ein Keulenschlag!“ - Es war ein Schock, nicht nur für die Arbeiter dort: Ende 1949 wurde bekannt, dass ein Teil des, bis heute bestehenden, Aluminiumwerks in Töging am Inn auf Anordnung der amerikanischen Besatzungsverwaltung demontiert werden sollte. Wir zeichnen die darauf folgenden, sich über Monate ziehenden Bemühungen aus Politik und seitens der Gewerkschaften nach, dies zu verhindern.

Töging am Inn - „Teildemontage im Aluminiumwerk Töging befohlen“ lautete die Überschrift eines Berichts im OVB am 6. Dezember 1949, „Durch diese Maßnahme, die aufgrund des Dreimächteabkommens vom 13. April, 1949 erfolgt, wird die Produktionskapazität des Werkes um 35 Prozent vermindert. Der Werkabbau, der sich nach einer amtlichen US Verlautbarung nur auf die Halle 3 mit 163 Schmelzöfen bezieht, untersteht der unmittelbaren Verantwortung des bayerischen Wirtschaftsministeriums. Vertreter der Reparations- und Wiedergutmachungsabteilung des Amtes des amerikanischen Hohen Kommissars werden die ordnungsgemäße Durchführung der Demontagearbeiten überwachen. Entlassungen bei den zur Zeit beschäftigten 480 Arbeitern und Angestellten sind nicht zu erwarten. Wie die Werksleitung erklärte, kam die Mitteilung des Landkommissars in höchstem Maße überraschend. Diese Demontage bedeute einen ‚Keulenschlag gegen die deutsche Wirtschaft‘.“

Ein Gruppenbild nach dem Wiederaufbau des zuvor demontierten Ofens III im Aluminiumwerk Töging 1951.

„Besonders im Hinblick auf das Petersberger Abkommen, das praktisch das Ende der Demontagen bedeuten sollte, um so unerklärlicher sei die Anordnung, da Töging noch nie auf der Demontageliste gestanden habe. Nach den Bestimmungen des Washingtoner Abkommens vom 13. April 1949 sollte in Westdeutschland nicht mehr als 85 000 Tonnen Rohaluminium jährlich erzeugt werden. Im Hinblick auf die begrenze Stromversorgung sei jedoch diese geplante Produktion bis 1952 überhaupt nicht zu erreichen. Die vorgesehene Demontage in Töging bedeute deshalb eine erhebliche Schwächung der deutschen industriellen Leistungsfähigkeit. Die Werkleitung übermittelte dem bayerischen Ministerpräsidenten, dem bayerischen Wirtschaftsminister und der bayerischen Gewerkschaftsleitung ein Exposé, in dem die Töginger Demontage weder mit den Bestimmungen des Washingtoner Abkommens noch mit dem politischen Sinn der Petersberger Besprechungen als vereinbar bezeichnet wird.“

„Keulenschlag gegen deutsche Wirtschaft!“ - So wurde 1950 die Demontage im Aluwerk Töging gestoppt

Das Aluminiumwerk in Töging besteht bereits seit Dezember 1924 und ist somit nun seit über 100 Jahren im Betrieb. Aktuell gehört es zur Speira GmbH. Nach seiner Gründung gehörte es zunächst aber zur Vereinigte Aluminium-Werke AG (VAW). „Das VAW-Innwerk weitete im Rahmen der nationalsozialistischen Aufrüstungspolitik von 1936 bis 1939 seine Produktion stark aus und erreichte am Ende des Zweiten Weltkriegs eine Jahresproduktion von 45.000 Tonnen. 1945 befahl die amerikanische Militärregierung, die Produktion von Aluminium einzustellen. Das VAW-Innwerk erhielt daraufhin am 14. Juni 1946 die Genehmigung, Flugzeugschrott in seiner Gießerei umzuschmelzen“, fasst das Historische Lexikon Bayerns die Geschichte des Werks bis unmittelbar vor dem Entschluss zur Demontage zusammen.

Nach der ersten Meldung im OVB scheint es zunächst ruhige um das Thema geworden zu sein. „Auf die Frage eines Pressevertreters nach dem Stand der Verhandlungen über die Teildemontage des Aluminiumwerkes Töging gab der Hohe Kommissar bekannt, dass Bundeskanzler Adenauer noch im Laufe dieser Woche die von ihm erbetenen Informationen über die Gründe für die Teildemontage erhalten werde“, heißt es dann erst wieder am 12. Januar in einem Beitrag im Rosenheimer Tagblatt Wendelstein (RTW). „Wie wir soeben erfahren, hat die VAW Werk Töging vom Staatsministerium für Wirtschaft in Bayern die Nachricht erhalten, dass die Demontage des Ofenhauses III in Töging nunmehr durchgeführt werden muss. Die Hohen Kommissare haben die von den deutschen Stellen dargelegten Gründe nicht gewürdigt und, wie oben angeführt, dem Bundeskanzler mitgeteilt, daß die Demontage nun mehr durchgeführt werden muss“, verkündet das RTW dann in einer Meldung auf der Titelseite am 7. Februar.

Politik schaltete sich ein

In einem ausführlichen Bericht am 13. Juli dann erinnert das RTW seine Leser an die wirtschaftliche Bedeutung und Zukunftsaussichten des Werks: „Die weltweite Aluminium-Renaissance wird auch Töging beleben und dadurch der gesamtbayerischen Wirtschaft zugutekommen“, heißt es darin, unter anderem, und weiter: „Die ganze Produktionskette von Aluminium beruht ausschließlich auf Verfeinerung und Veredelung und ist daher besonders arbeitsintensiv, gibt also vielen Menschen Arbeit und Brot. Schon macht sich auch bei uns der allgemeine Wiederaufschwung der Aluminiumindustrie bemerkbar, und, trotz aller Trauer um die unverständliche Demontage wird in Töging eifrig gearbeitet, um den Siegeszug des bayerischen Aluminiums vorzubereiten.“

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Die Politik blieb unterdessen nicht untätig: „Einstimmig nahm der Bayerische Landtag einen Dringlichkeitsantrag des Abgeordneten Dr. Wilhelm Högner (SPD) an, der die Regierung ersucht, sich angesichts der veränderten Sachlage mit allem Nachdruck für die Einstellung der Demontage beim Aluminiumwerk Töging einzusetzen“, meldet das RTW dann am 24. Oktober. Auch seitens der Gewerkschaften gäbe es Protest: „Die Industriegewerkschaft Chemie, Papier. Keramik protestierte erneut gegen die Demontage des Ofenhauses III der Vereinigten Aluminiumwerke in Töging. Die Gewerkschaft wies besonders darauf hin, dass die deutsche Aluminiumindustrie darauf angesprochen worden sei, Aluminium nach dem westlichen Ausland zu liefern, um dem dortigen Mangel abzuhelfen“, so der Bericht, „Das Schreiben, das an alle maßgeblichen deutschen und alliierten Stellen gerichtet ist, schließt mit dem Hinweis, es müsse möglich sein, die Hohen Kommissare zu überzeugen, dass der Demontagebefehl aufgehoben werden müsse.“

Erleichterung pünktlich zum Tag der Arbeit

„Der amerikanische Landeskommissar Professor George N. Shuster erklärte vor Pressevertretern in München, er rechne damit, dass noch vor Weihnachten darüber endgültig entschieden wird. Das Memorandum der Gewerkschaften, so sagte Shuster, habe ihn sehr beeindruckt. Die Argumente, dass nach der Demontage des Töginger Ofenwerkes III große Arbeitslosigkeit zu befürchten sei, müssten als sehr wesentlich beurteilt werden. ‚Ich hoffe persönlich, dass die Leistungsfähigkeit Tögings bewiesen werden kann‘, betonte Shuster. Die Frage der technischen Rentabilität sei nicht so leicht zu beantworten“, heißt es dann in einem Bericht am 9. Dezember im RTW.

„Aluminiumwerk Töging bleibt erhalten!“, konnte das OVB dann am 1. Mai, pünktlich zum Tag der Arbeit 1951 vermelden: „Der US-Landeskommissar für Bayern teilte Ministerpräsident Dr. Erhard mit, dass die Produktionsanlagen der Vereinigten Aluminiumwerke-AG in Töging erhalten bleiben. Die Freistellung gilt für die Halle 3. Eine der drei Produktionshallen der Töging Werke. Die Hohe Kommission wies darauf hin, dass die Demontage dieser Halle die Jahresproduktion des Werkes um 11 000 Tonnen von 40 000 auf 29 000 Tonnen herabgesetzt hätte. Die Halle besaß einen ursprünglichen Investitionswert vor 1.5 Millionen Mark. Sie war seit Kriegsende wegen unzureichender Stromversorgung noch nicht wieder in Betrieb genommen worden. Durch das kürzlich revidierte Abkommen über Industriekontrollen sind alle Produktionsbeschränkungen für die Aluminiumindustrie in der Bundesrepublik aufgehoben.“ (hs)

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