Queen Bee Syndrom
„Herablassend“: Szene bei „Die Höhle der Löwen“ löst Diskussion aus
Die Investorin Tijen Onaran kritisiert in der „Höhle der Löwen“ zwei Gründerinnen. Auf LinkedIn entsteht eine Debatte. Warum es hier einen „Wahrnehmungsfehler“ gibt.
„Ich finde es ein bisschen privilegiert“, sagt die Investorin Tijen Onaran zu den Gründerinnen Susann Hoffmann und Philippa Koenig, als sie in der Vox-Sendung vom 16. September ihr nachhaltiges Kinderbrillen-Start-up „Manti Manti“ vorstellen. Brillengestelle wollen die beiden für 198 Euro verkaufen, für die Verglasung kommen noch einmal 40 Euro dazu. „Meine Eltern hätten sich das nicht leisten können“, sagt Onaran und kritisiert, dass die Unternehmerinnen sozial schwache Familien mit diesen Preisen außen vor lassen.
Ihre Kritik an den beiden Gründerinnen führt nicht nur zum Streit zwischen den „Höhle der Löwen“-Investorinnen, sondern löst auch in der Branche Diskussionen aus. Die Unternehmerin Fränzi Kühne schreibt auf LinkedIn, Tijen Onaran habe die beiden Frauen „herablassend weggewischt“ und aus einer „Machtposition aus nach unten getreten“. Sie fordert: „Können wir bitte, bitte Banden bilden, statt uns Beine zu stellen! Ich finde es so verdammt wichtig, dass Frauen einander unterstützen!“
Kühne und Onaran haben bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung (24. September) nicht auf eine Anfrage von BuzzFeed News Deutschland geantwortet. Kühne postete jedoch auf LinkedIn eine Entschuldigung: Sie habe mit ihrer Äußerung „von Zusammenstehen und Zusammenhalt von Frauen sprechen“ wollen, doch dabei seien „Ausgrenzung und Cliquenbildung“ gegen Tijen Onaran mitgeschwungen. „Leider bin ich auf dem Weg dorthin über meine eigenen Füße gestolpert“, schreibt sie.
Queen Bee Syndrom bei Höhle der Löwen: „Phänomen zeigt sich in freier Wildbahn nicht“
„Wenn eine Frau andere Frauen kritisiert, erregt das mehr Aufmerksamkeit, als wenn es ein Mann tut“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Ralf Lanwehr BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Viele würden denken, dass Frauen eher nach unten treten, wenn sie oben angekommen sind. Solch ein Verhalten ist als „Queen Bee Syndrom“ bekannt. Doch das sei falsch und „frauenfeindlich“.
In einem LinkedIn-Beitrag schreibt der Experte über das „Queen Bee Syndrom“: „Wissenschaftlich wird immer klarer, dass es sich dabei wohl um einen Wahrnehmungsfehler handelt“. In Experimenten sei dieses Verhalten nicht zu sehen. „Es kann nur eine geben? Dieses Phänomen zeigt sich in freier Wildbahn nicht“, sagt Lanwehr.
Wenn Frauen in Führungspositionen dominant auftreten, kann das negative Reaktionen auslösen
Die Psychologin Mona Algner promoviert zum Einfluss von geschlechtsspezifischen Stereotypen (Gender Bias) auf Frauen in Führungspositionen. Sie könne sich aufgrund des fehlenden Kontexts zwar nicht zur Szene bei „Der Höhle der Löwen“ und Fränzi Kühnes LinkedIn-Beitrag äußern. Die „starke Reaktion“ auf die Szene sei jedoch auch ihr aufgefallen. Die habe mit der „sozialen Rolle von Frauen zu tun“, erklärt Algner BuzzFeed News Deutschland.
„Von Frauen wird in der Regel erwartet, warmherzig und unterstützend zu sein, während Männern eher Durchsetzungsstärke und Dominanz zugeschrieben werden. Wenn Frauen dominant auftreten, verstößt das gegen diese Erwartungen, was negative Reaktionen auslösen kann“, sagt sie. Gleichzeitig erfordere Erfolg aber oft genau diese Eigenschaften. Verhalten sich Frauen zu „sanft“, würden sie als „nicht durchsetzungsstark“ gelten, zeigten sie Stärke, gelten sie als „herrisch“.
„Der Begriff Queen Bee Syndrom – oder noch schlimmer Stutenbissigkeit – ist problematisch, weil er Frauen unterstellt, es sei eine natürliche Tendenz, sich von anderen Frauen zu distanzieren“, sagt Algner. Doch es gebe durchaus ein wissenschaftlich belegtes Phänomen namens „Self-Group Distancing“. Es beschreibt, dass sich Frauen in männlich dominierten Umfeldern von anderen Frauen distanzieren, um sich an die oft männlich geprägten Erwartungen an Erfolg anzupassen – nicht aus Konkurrenz, sondern weil das System sie dazu zwinge. „In dem Sinne stimme ich Ralf Lanwehr zu: Fix the system, don’t fix the women!“
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