„Erleben einen Paradigmenwechsel“
Psychologin sagt, warum Frauen in Beziehungen schneller ausbrennen
„Sprich mit mir!“: Nicht nur der Haushalt kann in Partnerschaften zum Streitthema werden. Eine Paartherapeutin erklärt das Phänomen „emotionale Arbeit“.
Wer in der eigenen Beziehung immer wieder versucht, die Gefühle und Gedanken der anderen Person zu reflektieren oder Gespräche über Gefühle zu führen, leistet „emotionale Arbeit“. Geprägt hat diesen Begriff die Soziologin Arlie Hochschild in den 90er-Jahren. Sie wollte damit beschreiben, wie Berufstätige in ihrem Job Emotionen einsetzen müssen. Zum Beispiel, wenn sie als Friseure ihre Kunden bei Laune halten.
„Frauen in heterosexuellen Beziehungen übernehmen bislang oft die emotionale Arbeit“, sagt Yvonne Beuckens BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Sie ist Diplom-Psychologin und arbeitet seit 16 Jahren in Bad Nauheim (Hessen) als Paartherapeutin. Das Phänomen sei nicht neu, habe sich aber erst in den vergangenen drei Jahrzehnten zugespitzt.
„Früher war die Ehe eine Versorgungsgemeinschaft und ein Paar hat sich darüber definiert, wenn es erfolgreich gemeinsam gewirtschaftet hat“, so Beuckens. Heute sei das anders. Da nehmen Beziehungen mehr Raum ein, auch weil es Dorfgemeinschaften so wie früher kaum noch gebe.
„Heutige Männer sind gewissermaßen arm dran, denn das Geld nach Hause bringen übernehmen mittlerweile beide Geschlechter und neue Aufgabenverteilungen sind noch unklar.“ So sind für die emotionale Arbeit und die Hausarbeit weiterhin eher Frauen zuständig. Ein Zustand, der die einen auf Dauer ausbrennt, die anderen überfordert.
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Was können Frauen tun, damit emotionale Arbeit sie nicht ausbrennt?
Den Grund für diese Ungleichheit sieht die Psychologin darin, dass die heute 30- bis 60-jährigen Männer anders sozialisiert wurden als die gleichaltrigen Frauen. „Auch neuere Studien zeigen: Jungen wird weniger beigebracht, mit welchem Vokabular sie ihre Gefühle ausdrücken und wie sie Emotionen ihres Gegenübers richtig interpretieren“, sagt Beuckens.
Ob dieser Unterschied auch biologisch begründet ist, darüber streite sich die Wissenschaft. „Viele sind der Meinung, die Unterschiede seien hauptsächlich soziologischer Natur. Andererseits ist Östrogen das Kümmerhormon und Testosteron das Scheuklappenhormon“, sagt die Paartherapeutin. „Deswegen fällt es Frauen vielleicht auch hormonell bedingt schwerer, sich nur um sich zu kümmern.“
Bei vielen Paaren entsteht aus diesem Ungleichgewicht eine schädliche Dynamik: Die Partnerin fordert aufgrund unerfüllter Wünsche mehr Verbindung, der Partner fühlt sich unter Druck gesetzt und zieht sich zurück. Die Psychologin Sue Johnson prägte für dieses Verhalten die Metapher des Tanzes. Genauer gesagt sieht sie es als „Protest-Polka“, da dieses ständige Vor und Zurück der Schrittfolge bei der Polka ähnelt.
Was können Frauen tun, damit emotionale Arbeit sie nicht ausbrennt? „Ich muss mir überlegen: Fühle ich mich verantwortlich oder bin ich verantwortlich“, sagt Beuckens und erklärt, dass wir alle eine „Lieblingsreaktionen auf Herausforderung“ haben. Das könne bei Frauen oft sein, sich zu kümmern und Empathie zu zeigen. Aber das sei nicht die einzige Art, mit Problemen umzugehen. „Ich darf auch mit Distanz oder mit Abwarten reagieren“, sagt die Psychologin.
Sie empfehle ihren Paaren immer die 3er-Regel: „Wenn mich etwas emotional anspringt, ist es beim ersten Mal Zufall, beim zweiten Mal mache ich mir ein gedankliches Eselsohr und erst beim dritten Mal spreche ich es an.“
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Emotionale Arbeit: „Wir erleben momentan einen Paradigmenwechsel“
Damit Männer und Frauen in Zukunft beide emotionale Arbeit erledigen, müssten Eltern von heute Vorbilder sein. „Kinder müssen auch ihren Vater als Verantwortlichen für Gefühle wahrnehmen“, sagt die Psychologin. „Wir erleben da momentan einen Paradigmenwechsel.“ Das merke sie auch daran, dass das Thema Mental Load (also unsichtbare Arbeit) in ihren Beratungen zunehme.
Heutige Paare, gerade mit Kindern, befänden sich in einem „Spannungsfeld“ aus dem, was sie gelernt haben und dem, was sie für richtig halten. „Gleichzeitig werden junge Menschen wieder konservativer und wünschen sich einfache Strukturen zurück“, sagt sie. Zum Beispiel die Trad-Wives, die sich nur um Haushalt und Familie kümmern.
Problematisch? Die Psychologin verneint. „Wir müssen von diesem Problemdenken wegkommen: Dass ein Partner mehr in emotionale Themen hereingeht und einer eher ausgleichend wirkt, kann sehr wertvoll sein“, sagt sie. Beide bringen so, wie in anderen Bereichen auch, ihre unterschiedlichen Fähigkeiten in die Beziehung ein. Nur ob es immer die Frau sein muss, die Emotionen liest – darüber könne man sich streiten.
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