Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Interview mit Moor-Forscher

„Man geht noch zu wenig auf die Bauern zu“ – Rosenheimer Biologe über Moorgebiete der Region

Die Kollerfilze vor (rechts unten, 1971) und nach der Renaturierung (großes Bild, 2016)
+
Die Kollerfilze vor (rechts unten, 1971) und nach der Renaturierung (großes Bild, 2016)

Heimischen Mooren werden klimaregulierende Fähigkeiten nachgesagt: Sie sollen Treibhausgase binden und Hochwasser vorbeugen. Doch viele dieser Feuchtgebiete wurden über die Jahrzehnte entwässert, um landwirtschaftlich genutzt werden zu können. Biologe Alfred Ringler setzt sich seit Kindheitstagen mit der Thematik auseinander und versucht zu vermitteln.

Alfred Ringler im Jahr 1976, kurz vor einem Moorflug zur Dokumentation eines Moorgebietes.

„Das fing schon im 11. oder 12. Lebensjahr an“, erzählt Ringler im Interview. Er wuchs im Erdinger Moos auf. „Da habe ich die starken Veränderungen, sprich den Untergang, einer ursprünglichen Moorlandschaft leibhaftig miterlebt.“ Wie ein roter Faden zieht sich das Schicksal der Moore durch sein bisheriges Leben. Im Jahr 1946 geboren, hat Ringler so einige Diskussionen und Entwicklungen im Umgang mit bayerischen Moorgebieten erlebt und in zahlreichen Veröffentlichungen dokumentiert.

Die Ergebnisse sind teilweise ermutigend, insgesamt aber beunruhigend

Alfred Ringler

Über Jahrzehnte sammelte Alfred Ringler Daten zu den Moorgebieten der Region. Bereits 2021 veröffentlichte er diese in der Zeitschrift „Anliegen Natur“ unter dem Titel: Gesundheits-Check der Moore: Langzeit-Monitoring in Südostbayern. „Die Ergebnisse sind teilweise ermutigend, insgesamt aber beunruhigend“, so sein eigenes Fazit zu den Ergebnissen. Dabei seien diese Gebiete von besonderer Bedeutung für unsere Umwelt. Weshalb?

Natur-, Klima- und Hochwasserschutz

Traditionell aus Naturschutzgründen, weil viele unserer gefährdeten Arten nur in den Mooren vorkommen. Das ist ihr Rettungsfloß. Wenn ihnen das weggezogen würde, gehen sie unter“, beginnt Ringler seine Erläuterung. „In den letzten 20 Jahren seit dem Klimawandel steht der Klimaschutz stark im Mittelpunkt. Die Moore sind mehr als Wälder dazu in der Lage, Kohlenstoff zu speichern. Viele Moore haben eine Torfmächtigkeit von über fünf Metern. Und in diesem Boden ist eine ungeheure Menge an Kohlenstoff und damit auch CO2 unschädlich gespeichert.“

Fühlen sich in deutschen Mooren wohl: Eidechsen.

Dann komme der Hochwasserschutz dazu. Die überall verteilten Moore bilden kleine Wasserrückhaltebecken. Würden diese wieder funktionieren, könnten Hochwasserspitzen im Mühldorfer und Altöttinger Raum vorgebeugt werde. „Jeder kleine Rückhaltebeitrag wirkt sich positiv auf die Schadensbilanz aus. Auch auf Passau, Regensburg, und so weiter.“

Betrachtet man die von Alfred Ringler gesammelten Zahlen genauer, wird eines deutlich: Nach Regionen aufgeschlüsselt steht es recht unterschiedlich um unsere Moore.

Berchtesgadener Land Top, Landkreise Mühldorf und Altötting Flopp?

Sieht man sich die veröffentlichten Zahlen genauer an, zeigt sich, dass die Landkreise Mühldorf und Altötting mit einem Flächen-Minus von 75,5 Prozent und 70,9 Prozent am schlechtesten abschneiden. Am besten steht der Landkreis Berchtesgadener Land da: Plus 12,3 Prozent, ein tatsächlicher Flächenzuwachs. Hierbei wurden die Daten von 1960 bis 1987 mit denen von 2014 bis 2021 verglichen. Auf den ersten Blick ein immenser Unterschied.

„Das bedeutet nicht, dass in Mühldorf und Altötting der Naturschutz ‚untätiger‘ ist, als anderswo. Auch dort gibt es sehr viele Projekte“, erklärt Ringler dazu. „Der Zustand der Moore ist eng gekoppelt mit dem Zustand der Landwirtschaft. Je intensiver ein Gebiet bewirtschaftet wird, desto intensiver ist die Entwässerung der Moore.“ Gerade hier gibt es regionale Varianzen.

„Dass der Landkreis Berchtesgadener Land überdurchschnittlich dasteht, hängt zum einen daran, dass die Landwirtschaft zum Teil nicht ganz so intensiv wirtschaftet, wie etwa in Mühldorf oder Altötting“, so Ringler weiter. „Zum anderen, dass dort zwei große Moorprojekte gelaufen sind – nämlich das Ainringer Moor und das Haarmoos – und die Gesamtmenge der Moore pro Landkreis nicht sehr groß ist, sodass der Anteil dieser renaturierten Moore in der Gesamtbilanz relativ hoch ist.“

Um Mühldorf und Altötting gebe es dagegen viele kleine Moore. Diese seien von jeder landwirtschaftlichen Maßnahme stark betroffen. Zwischen den 50er und 80er Jahren seien viele dieser Flächen in Wiesen und Acker umgewandelt worden. „Da ist es sehr schwer und unpraktisch, heute etwas dagegen zu tun.“

Großes Verständnis für und bei Land- und Forstwirtschaft

Die Forstwirtschaft habe bereits in den 1980er Jahren umgeschwenkt und staatseigene Moore renaturiert. In der Landwirtschaft gestalte sich dies schwieriger. Moor-Ödland der Nutzung zuzuführen, sei früher als „Kulturtat erster Güte“ angesehen worden. „Es ist natürlich ganz klar, dass es einem Bauern sehr schwerfällt, eine Fläche, die sein Vater kultiviert, entwässert, in Ackerland oder Grünland umgewandelt hat, jetzt wieder zu vernässen. Aus Klimaschutzgründen“, so der Biologe weiter. „Das kann man ihm nicht verübeln.“

Doch Alfred Ringler sieht auch Chancen. „Man muss mit der Landwirtschaft Lösungen finden.“ Ohne Ertragsverluste oder Einkommensverluste müsse der Einstieg in solche Programme zum Schutz der Moore erleichtert werden. Und damit spricht er etwas an, das auch in der Landwirtschaft genau so gesehen wird.

Alfred Ringler ist sich dessen bewusst. Manche Maßnahme koste Geld, andere seien durch Unterstützung von Bibern, die Wasser stauen, völlig kostenlos. Doch wenn Flächen von Bauern nicht mehr genutzt werden können, müsse man Ertragsausfälle ersetzen.

„Die Landwirtinnen und Landwirte sind bereit ihren Beitrag für den Klimaschutz im Moor zu leisten, wenn gemeinsam mit den betroffenen Bewirtschaftern und Grundeigentümern praxistaugliche Zukunftskonzepte entwickelt werden, durch die Freiwilligkeit und Verlässlichkeit sichergestellt sind“, so Stefan Köhler, Umweltpräsident des Bayerischen Bauernverbandes auf der Website der Vereinigung. „Wenn es um Veränderungen bei der Bewirtschaftung von Moorflächen geht, darf nicht über die Köpfe der Bauernfamilien und der Menschen vor Ort hinweg entschieden werden. Pauschale Verbote für die ackerbauliche Nutzung müssen Tabu sein und Bauernland muss in Bauernhand bleiben!“

Landwirten geht es also im Grunde auch darum, wie solch ein Schutz der Moore und eine Renaturierung der Gebiete genau gestaltet wird. Eine staatliche Unterstützung scheint hier notwendig. „Man geht noch zu wenig auf die Bauern zu“, so Ringlers Zusammenfassung. Es sei zwar bereits ein „Moor-Bauern-Programm“ in Entstehung, doch auch Fördermöglichkeiten fehlen noch. „Da ist die Plattform mit der Landwirtschaft noch nicht intensiv genug.“

Auch Libellen lieben Feuchtgebiete wie Moore.

Moore schützen das Klima, die Artenvielfalt und die Gesellschaft vor Hochwassern. Landwirte produzieren Lebensmittel, die wir alle brauchen. Die Ansprüche scheinen allesamt legitim und auch wichtig. Ziel muss es also sein, gemeinsam zu agieren. Eine Bereitschaft dazu ist sowohl vonseiten des Naturschutzes, als auch der Landwirte und der Politik erkennbar. Nun muss diese Bereitschaft in Form gebracht und praktisch umgesetzt werden.

ar

Kommentare