Experten geben Tipps
Waldbrand-Serie im Chiemgau – welche Rolle der „Faktor Mensch“ spielt und was hilft
Kaum Regen, wenig Schnee und Nordostwinde sorgen für ein sehr trockenes Frühjahr im Chiemgau. Die Feuerwehren mussten in diesen Tagen zu diversen Waldbränden ausrücken, die Gefahr weiterer Feuer in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein ist hoch. Wir haben drei Experten und den Deutsche Wetterdienst befragt.
Chiemgau – „Wir haben die Lage relativ frühzeitig erkannt und den Brand recht schnell eindämmen und so eine Ausbreitung vermeiden können“, erzählt Johannes Herzinger dem OVB. Er war als stellvertretender Kommandant der Feuerwehr Prien bei den Löscharbeiten eines Waldbrandes nahe des Grassauer Ortsteils Rottau dabei. Für den gesamten Landkreis Rosenheim hat das Landratsamt eine Warnstufe für eine „anhaltend hohe Waldbrandgefahr“ ausgegeben. Im Landkreis Traunstein gibt es zwar keine offizielle Warnmeldung, die Situation ist allerdings identisch. Einen großen Vegetationsbrand im Schönramer Filz löschte die Feuerwehr am Mittwoch (16. April).
„Wir haben die Gefahrenstufe drei bis vier, was sehr hoch ist“, sagt Tassilo Heller vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Traunstein. Die Lage sei angespannt, das Gefahrenpotenzial da. „Wenn man draußen unterwegs ist, ist das auch an den Sandstaubwolken beim Radfahren gut zu erkennen“, erklärt der stellvertretende Bereichsleiter Forsten am AELF. Die beiden Kreisbrandräte aus Rosenheim, Richard Schrank, und Traunstein, Christof Grundner, warnen ebenfalls.
„Es ist durchgängig verbreitet trocken, Gras, Büsche, Sträucher und Bodengewächse. Das macht es sehr empfindlich für Brände“, so Schrank und sein Kollege Grundner ergänzt: „Insbesondere in den Hanglagen im Voralpenland ist die Gefahr sehr groß. Wir hatten in den vergangenen Tagen auch Einsätze, in Trostberg ist eine Hecke abgebrannt.“ Auch weil wettertechnisch keine wirkliche Besserung in Sicht ist, sei die Warnstufe herausgegeben worden, erklärt Schrank.
Langer Regen wäre wichtig
Beide sind sich einig, dass bei der aktuellen Lage auch kein kurzer Regenschauer hilft. Ein oder auch zwei Tage Regen würden nicht schaden. „Auch wenn ich jetzt frei habe und es widersprüchlich klingt, wäre schlechtes Wetter gut“, sagt der Rosenheimer Schrank. Der Traunsteiner Grundner erklärt, warum ein längerer Regen wichtig wäre: „Die Grundtrockenheit ist so hoch und es ist weit in den Boden rein trocken. Wenn es jetzt zwei Stunden regnet und danach die Sonne scheint und windet, ist alles wieder trocken.“
Aber wie wird denn jetzt das Wetter in den nächsten Tagen? „Tatsächlich ist ein Ende der längeren trockenen Witterung in Sicht“, schreibt der Deutscher Wetterdienst auf OVB-Anfrage. Einzelne Schauer am Dienstag (15. April) konnten die Trockenheit vorerst nicht merklich lindern. „Deutlich besser sieht es diesbezüglich nach für den Karfreitag aus, wenn von Südwesten verbreitete Regenfälle durchziehen. Die ganz großen Mengen deuten sich für den Südosten Bayerns zwar nicht an, dennoch sollte im Zuge dessen die Waldbrandgefahr deutlich zurückgehen“, so die Außenstelle des Nationalen Wetterdiensts in München.
Faktor Mensch bei Waldbränden entscheidend
Heller vom AELF erklärt einen weiteren Vorteil von einem längeren, sogenanntem Landregen: „Das Wasser würde dann auch bei mehreren Tagen Regen die abgestorbene Vegetation am Boden wegspülen.“ Er schaut vor allem auf die Feiertage: „Ich hoffe, dass es kühler und regnerischer wird. Dann ist die Lage entspannter, weil nicht so viele Leute draußen sind.“ Denn Heller sagt: „Der Faktor Mensch ist bei Waldbränden entscheidend.“ Das sieht auch Kreisbrandrat Schrank so:
„Über 90 Prozent der Waldbrände sind vom Mensch verursacht“.
Grundner, Traunsteins Kreisbrandrat, stimmt dem ebenfalls zu: „Meisten sind es Unachtsamkeiten von Menschen: Lagerfeuer, Zigaretten, Heckenbrände durch die Hitze vom Grill oder Schwändfeuer. Auch eine Wiese fängt nicht einfach so an zu brennen.“ Ein Blitzeinschlag sei laut Heller vom AELF noch ein natürlicher Auslöser, dieser sei aber „recht selten“. Im schlimmsten Fall sei es Brandstiftung. Ein Faktor, der laut Heller unterschätzt wird: „Beim Parken mit dem Auto, wenn der heiße Auspuff unabsichtlich sehr nahe an trockener Vegetation kommt. Dann glimmt es erst und auf einmal brennt es.“ Alle drei Fachleute sind sich einig, dass die Bevölkerung gerade äußerst vorsichtig und aufmerksam sein sollte.
Schon im vergangenen Jahr gab es im Frühjahr eine erhöhte Waldbrandgefahr in der Region. „Ich denke, wir müssen uns da vermehrt drauf einstellen“, so Schrank, und Grundner fügt hinzu: „Da muss ein Umdenken erfolgen, vor allem in der Verhütung der Brände.“ Heller verweist auf den Klimawandel:
„Die Folgenforschung des Klimawandels sagt klar: Gewohnte jahreszeitliche Abläufe und Mechanismen ändern sich. Eine Frühjahrstrockenheit wird irgendwann Normalität, das ist abzusehen und wird von den Modellen vorausgesagt.“
Eine Erklärung dafür, warum das so ist, liefert der Deutsche Wetterdienst: „Längere trockene Phasen im Frühjahr, vor Beginn der Vegetationszeit, gehen nicht selten auch mit erhöhter Waldbrandgefahr einher, da die Böden aufgrund der noch nicht vorhandenen Vegetation schnell austrocknen können. Meist ist die Luft sehr trocken und in diesem Jahr begünstigte auch der teilweise kräftige Nordostwind die Verdunstungsprozesse.“
Wie entsteht eine lange trockene Wetterlage
Und wie und warum entsteht eine Wetterlage wie in diesem Frühjahr? „Für eine längere Trockenperiode braucht es eigentlich immer eine stabile Hochdruckwetterlage mit trockener Luft. Im März/April 2025 befand sich der Schwerpunkt des Hochs nicht selten nördlich oder nordwestlich von Deutschland, so dass mit nordöstlicher Strömung die Zufuhr trockener Festlandsluft gewährleistet war“, schreibt der Deutsche Wetterdienst.
Die Folgen kommen noch aus dem vergangenen Jahr: „Bei Hochdruckwetterlagen im Winter, wie wir sie etwa Ende Dezember 2024 hatten, bildet sich in den Niederungen häufig eine feuchte Schicht mit Nebel oder Hochnebel aus. In höheren Lagen, oberhalb dieser feuchten Grundschicht, ist die Luft dann aber oft sehr trocken, und so können Waldbrände selbst im Herbst und Winter auftreten - wie z. B. im Januar 2017 am Jochberg.“