Blick auf die Zahlen seit 1900
Trockener Winter und wenig Schnee: Ist der Wasserpegel des Chiemsees historisch niedrig?
Der Wasserpegel des Chiemsees ist aktuell ziemlich niedrig. Und auf den Bergen liegt nicht viel Schnee, der das bayerische Meer bei Frühlingswetter füllen könnte. Wir haben einen Blick in die historischen Pegeldaten geworfen und Fachleute befragt.
Chiemsee – „Der aktuelle Wasserstand ist niedrig“, schreibt Klaus Moritz vom Wasserwirtschaftsamt (WWA) Rosenheim dem OVB. Moritz ist Sachgebietsleiter Gewässerkunde und leitet den Hochwassernachrichtendienst. Eine Messstation in Prien übermittelt alle 15 Minuten den aktuellen Pegelstand. Die Daten der Messstation sind für alle zugänglich. Gemessen wird immer der Wert über Normalhöhennull, also die Bezugsfläche für Höhen über dem Meeresspiegel.
Der Tiefstwert, der jemals am Chiemsee gemessen wurde, liegt bei 517,59 NHN und stammt vom 11. Januar 1909. Aus diesem Jahr stammt auch der Tiefstwert für den Monat März: Am 9. März wurden 517,61 NHN gemessen. Das Tagesmittel vom 17. März betrug 517,81 NHN, der Jahrestiefstwert stammt vom 10. März: 517,77 NHN. „Extreme Niedrigstwerte wurden im März 2025 bislang nicht erreicht“, so Moritz vom WWA Rosenheim.
Ähnlich schätzt es Ilsabe Weinfurtner vom WWA Traunstein ein: „Derzeit sehen wir einen niedrigen, aber keinen außergewöhnlichen Niedrigwasserstand. Für das Winterhalbjahr sind Wasserstände wie derzeit relativ normal“. Geregelt werde der Wasserstand am Chiemsee hauptsächlich durch den Zufluss der Tiroler Achen. „Daher ist vor allem der Niederschlag im Einzugsgebiet der Achen relevant und nicht unbedingt der Niederschlag vor Ort. Der Ursprung der Tiroler Achen liegt in den österreichischen Zentralalpen“, teilt Weinfurtner dem OVB mit.
Tiefstwerte im März nicht ungewöhnlich aber seltener
Die OVB-Grafik zeigt, dass die Tiefstwerte der Jahre hauptsächlich im Winter zwischen Dezember und Februar liegen. Aber in acht Jahren seit 1906 wurde der Jahrestiefstwert auch im März gemessen, wie in diesem Jahr. Durch die Schneeschmelze steigt der Pegel dann an, außerdem sind im Chiemgau wie in ganz Deutschland die Sommermonate, was die Menge angeht, generell niederschlagsreicher als die Winter. Der mittlere Wasserstand für den März der Jahre 1970 bis 2020 beträgt 518,07 NHN. Der aktuelle März liegt also zwischen 40 und 35 Zentimeter unter dem März-Durchschnitt.
Aber auch trockene Märze gab es in den vergangenen 125 Jahren schon häufiger, wie die zweite OVB-Grafik zeigt. In insgesamt 26 Jahren sank der Pegel unter 517,80 NHM, 1972 sogar an allen Tagen im März. „Aktuell ist mit keinem großen Dargebot alleine aus der Schneeschmelze zu rechnen, da im Einzugsgebiet nur noch in den Hochlagen relevante Schneemassen vorhanden sind“, so Weinfurtner vom WWA Traunstein.
Ihrer Meinung besteht dennoch wenig Grund zur Sorge: „Aufgrund des niedrigen Wasserstands im Chiemsee ist damit zu rechnen, dass die Abflüsse in die Alz geringer ausfallen als üblich. Gravierende negative Auswirkungen für den Chiemsee sind nicht zu befürchten. Der Chiemsee ist ein großes Gewässer, das Zurückgehen der Wasserstände ist ein sukzessiver Prozess, auf den sich der See und seine Lebewesen einstellen können.“
Dem schließt sich Moritz vom WWA Rosenheim an: „ Es sind keine extremen Niedrigstwerte zu erwarten. Selbst bei kompletten Ausbleiben von Niederschlägen und Fehlen der Schneeschmelze, also dem worst case, würde der Wasserspiegel bis Ende März um etwa acht bis zehn Zentimeter fallen.“
Kein historisches Ereignis
Die Werte dürften auch mit den historischen Werten gut vergleichbar sein: „Der Volumenverlust aufgrund des Sedimenttransports (vor allem Schwebstoff, weniger Geschiebe) der Tiroler Achen ist in dieser Fragestellung von nachrangiger Bedeutung. Der Prozess der Chiemsee-Verlandung ist über eine Zeitspanne von Jahrhunderten bis Jahrtausenden zu betrachten“, ordnet Weinfurtner, Pressesprecherin des WWA Traunsteins, ein.
Der aktuelle Chiemsee-Pegel ist also niedrig, aber nicht historisch. „Niederschlagsarme Zeiten und ausbleibende Schneeschmelzen wirken sich unmittelbar auf den Wasserstand des Chiemsees aus“, schreibt Weinfurtner und ergänzt: „Diese Phasen werden sich auf Grund des Klimawandels in Zukunft vermutlich häufen.“

