Große Gefahr durch Klimawandel
Rindenschlitzen in Chiemgau-Wäldern: Neue Methoden im Kampf gegen den Borkenkäfer
Der Borkenkäfer verbreitet sich auch in Bayern immer schneller. Grund dafür ist der Klimawandel mit warmen Sommern und niederschlagarmen Wintern. Wenn es jetzt wärmer wird, suchen sich die Käfer neue Bäume aus. Aber welche Möglichkeiten der Bekämpfung gibt es?
Chiemgau – „Es herrscht aktuell eine enorme Vermehrungsdynamik unter den Borkenkäfern“, sagt Wolfgang Madl, Bereichsleiter Forsten beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Traunstein. Die Bedingungen für das gefürchtete Insekt sind nahezu ideal: trockene Böden, kaum Niederschlag und immer höhere Temperaturen durch den Frühlingsbeginn. Deshalb sind Waldbesitzer gerade jetzt dazu aufgerufen, ihre Wälder nach einem möglichen Borkenkäfer-Befall zu untersuchen. Es gibt auch Möglichkeiten zur Bekämpfung, aber dazu später mehr.
„Vom Borkenkäfer betroffen ist vor allem die Fichte, aber auch andere Nadelbäume können befallen werden. Manchmal sogar die Tanne“, sagt Beate Rutkowski vom BUND Naturschutz in Traunstein. Fichten wurden auch im Chiemgau und Berchtesgadener Land häufig angebaut, da sie schnell wachsen. „Das ist auch historisch bedingt“, weiß Madl, „hier wurde für die Salzgewinnung viel Brennholz benötigt, deshalb wurde auf die Fichte zurückgegriffen.“ Dabei kommt die Fichte eigentlich aus Nordeuropa, die immer wärmer werdenden Bedingungen hier machen ihr neben dem Käfer zusätzlich zu schaffen.
„Warme, heiße und trockene Sommer oder jetzt schon ein trockenes Frühjahr führen dazu, dass die Bäume nicht genug Wasser führen und nicht genug Harz produzieren können“, erklärt Madl. Das Harz ist eine natürliche Abwehr der Bäume gegen den Käfer. „Die Vorschädigung durch den Klimawandel ist stark beschleunigt“, so der Fachmann und fasst zusammen: „Je wärmer und trockener die Sommer, umso schlimmer die Gefahr durch den Borkenkäfer.“
Schnelle Entwicklung des Borkenkäfers durch trockene Sommer
Dr. Daniel Müller von den bayerischen Staatsforsten Berchtesgaden fügt hinzu: „Die Feuchtigkeit im vergangenen Sommer führte dazu, dass sich die Borkenkäfer gut und schnell entwickeln konnten.“ Die Bekämpfung im vergangenen Jahr sei sehr schwierig gewesen. Generell vermehrt sich der Borkenkäfer rasend schnell: „Die Nachkommen von einem Pärchen summieren sich bei idealen Bedingungen auf über 100.000 Käfer im Jahr. Das ist eine sehr hohe Dynamik“, rechnet Madl vom AELF Traunstein vor.
Aber wie beschädigt der Borkenkäfer die Fichten? „Die Käfer bohren sich durch die Rinde und legen ihre Eier unter die Rinde. Die Maden fressen sich dann durchs Kambium, also die Schicht, die den Baum mit Wasser versorgt. Durch die Fraßaktivitäten kann der Baum das Wasser nicht mehr bis nach oben in die Krone pumpen und stirbt ab“, erklärt Madl. Rutkowski vom BUND erklärt: „Besonders geschwächte und kranke Bäume werden vom Borkenkäfer befallen und endgültig zum Absterben gebracht, der Käfer dient also eigentlich der Waldgesundheit. Aber artenarme Fichtenwälder sind in tiefen Lagen im Klimawandel nicht zu halten.“ Der Anteil an Fichten in den Wäldern im Chiemgau ist laut Mald immer noch recht hoch.
Befallene Bäume müssen entfernt werden
„Wenn sich die Tagestemperatur über 18 Grad bewegt, fliegt der Käfer aus und sucht sich neues Brutmaterial. Deshalb müssen die Waldbesitzer jetzt schauen, wo sich der Käfer frisch eingebohrt hat“, so Madl. Die einzige Bekämpfungsmöglichkeit ist so simpel wie radikal: Baum fällen und aus dem Wald entnehmen. Befallene Bäume können am feinen Bohrstaub der Käfer erkannt werden. „Wie Schnupftabak sieht der dunkel-braune Staub aus, der sich in Spinnweben oder im Moos zu Fuße eines Baumes findet“, schreibt das AELF in einer Pressemitteilung. Biologin Rutkowski: „Wenn die Bäume sofort gefällt werden, können sich die Tiere nicht so leicht ausbreiten. Sind die Fichten bereits abgestorben, dann kann man sie auch stehen lassen, denn dann sind keine Käfer mehr in der Rinde.“
Gefällte Bäume müssen dann direkt ins Sägewerk gebracht werden oder mindestens 500 Meter entfernt vom Wald gelagert werden. Geht das nicht, kommt eine recht neue Methode zum Einsatz: das Rindenschlitzen. Mit einer speziellen Fräse, die es als Aufsatz für Motorsägen gibt, werden Schlitze in die Rinde gefräst. „Das führt dazu, dass die Rinde schneller austrocknet“, erklärt Müller vom Staatsforsten Berchtesgaden. Das führe dazu, dass der Borkenkäfer aushungert, andere Insekten können die Rinde dafür nutzen, es fördere die Biodiversität. „Außerdem verrotet das Holz dann naturnäher“ führt Müller fort, „so bildet sich schneller ein Keimbett für die Samen neuer Bäume.“
Neue Methode: Rindenschlitzen hilft, wo Holz liegen bleibt
Das Rindenschlitzen wird auch prophylaktisch eingesetzt, „wenn Fichten durch Windwurf oder Schneebruch in Gebieten umgeworfen wurde, wo wir das Holz nicht ernten können“, so Müller. Für ihn ist die Gefahr durch den Borkenkäfer für den Wald im Chiemgau aktuell „hoch“. Die Bayerischen Staatsforsten hat sich als ihre wichtigste Klimaschutzmaßnahme das Ziel gesetzt, unter den älteren Waldbestand schon eine nächste Generation von jungen Bäumen zu bekommen. „Wir ernten Altbäume, dadurch gelangt Licht an den Boden und zur Vorsorge kann sich die nächste Baumgeneration schon etablieren“, sagt Müller.
Die zweite wichtige Maßnahme sei, für Mischung zu sorgen. Müller: „Wir müssen Bestände, die aus überwiegend Fichte bestehen und andere Bestände, die aus wenigen Baumarten bestehen, dazu bringen, dass sie in der nächsten Generation aus vielen Baumarten gemischt sind.“ Wenn dann einzelne Baumarten ausfallen, sei nicht der ganze Wald kaputt. Einen weiteren Vorteil „im Mischwald mit hohem Laubanteil“ sieht Rutkowski: „Der Boden ist feuchter und es gibt mehr natürliche Fressfeinde des Borkenkäfers wie Ameisen, Laufkäfer oder Vögel.“
Madl vom AELF Traunstein nennt als klimatolerante Baumarten allgemein Laubhölzer – oder im Nadelholzbereich die Tanne oder Douglasie. Bayern sei traditionell Buchen-Land. Rutkowski bringt eine weitere Baumart ins Spiel: „Tanne und Kiefer werden seltener befallen. Sie sind weniger anfällig gegen Trockenheit und damit alternative Nadelbäume.“ Sie warnt aber auch: „Wenn es weniger Fichten gibt, gibt es auch weniger Buchdrucker und Kupferstecher.“ Außerdem gebe es weltweit Borkenkäfer, die sich auch an verschiedene Baumarten wenden: „Es könnten sich also immer wieder Borkenkäfer ausbreiten oder auch aus anderen Regionen einwandern.“
Bis so eine neue Generation an Wald nachwächst, dauert es im Flachland laut Müller 80 bis 120 Jahre, im Gebirge sogar 160 bis 190 Jahre. Waldbesitzer sind übrigens verpflichtet, nach dem Borkenkäfer Ausschau zu halten und befallene Bäume zu fällen. Falls das nicht passiert, übernimmt das AELF und kann die Bekämpfung des Käfers im schlimmsten Fall in Rechnung stellen.

