Eine Million versteigerter Kälber und eine bewegte Historie
Im Video: Bagger fressen sich durch die Chiemgau-Halle - und ein Stück Stadtgeschichte geht
Stück für Stück arbeiten sich die Bagger vor: 49 Jahre wurde die Chiemgau-Halle in Traunstein alt, jetzt wird sie abgerissen. Damit geht ein bewegtes Stück Stadtgeschichte zu Ende. Wir haben Video und Fotos und blättern noch einmal durch ihre bewegte Historie.
Traunstein - Sage und schreibe über eine Million Kälber sind es, die die Chiemgau-Halle in Traunstein schon von innen gesehen haben. So viele wurden seit ihrem Bau 1975 an der Siegsdorfer Straße versteigert. Allein seit der Währungsumstellung erbrachten sie 180 Millionen Euro Umsatz. Jetzt, wo der Neubau hin zur B306 steht, kann die alte Chiemgau-Halle abgerissen werden. Am Donnerstag (21. März) arbeiteten sich die Bagger bereits durch die Glasfronten, dann geht es ans Gemäuer.
„Den Grund werden wir danach als Parkplatz nutzen“, so Bernhard Reiter vom Rinderzuchtverband gegenüber chiemgau24.de. Denn zum Frühlingsfest oder der „Truna“ sei es für die Autos an der Siegsdorfer Straße schließlich immer eng geworden. Am 13. März wurde die neue Halle erstmals für eine Versteigerung genutzt. Der Rinderzuchtverband schaut mit seiner alten Chiemgau-Halle auf eine bewegte Geschichte zurück.
Von Franz-Josef Strauß über Ottfried Fischer bis zum Frauen-Schlammcatchen
1300 Menschen fanden in der alten Halle Platz. Mit dem Bau 1975 war sie die größte Veranstaltungshalle in Traunstein - und wurde deshalb auch abseits der Kälberversteigerungen oft genutzt. Der damalige Ministerpräsident Franz-Josef Strauß kam 1978 zum Beispiel für eine Wahlkampfveranstaltung. Doch das große Manko der Chiemgau-Halle: der Stallgeruch, besonders bei Opernaufführungen. Für Kabarettisten wie Ottfried Fischer, Lisa Fitz oder Bruno Jonas war er dagegen Anlass für zusätzliche Spötteleien.
Über 30 Mal im Jahr wurde die Halle von Künstlern oder Vereinen gebucht. Auch weniger rühmliche Veranstaltungen, wie ein Frauen-Schlammcatchen, waren dabei, das Proteste hervorrief. Früher, ab 1959, war die Viehhalle noch auf der Hallerwiese in Traunstein angesiedelt. Doch vor allem Anfang der 1970er-Jahre verdoppelte sich die Anzahl der versteigerten Kälber auf über 10.000 jährlich. Eine größere Halle musste her - und an der Siegsdorfer Straße wurde sie gefunden. Auf dem alten Platz an der Scheibenstraße konnte sich dann die Traunsteiner Feuerwehr niederlassen.
1996 wurden die Kälberversteigerungen dann in den rückseitigen Stall verlegt - in jenen Stall, dessen Dach im Februar 2019 unter den Schneemassen zusammenbrach. Der Vorteil dort war: Die Tiere warteten nicht mehr angebunden, sondern wurden dort in Boxen aufgestallt. Die Suche für einen Neubau gestaltete sich für den Rinderzuchtverband aber schwierig. Favorisiert wurde dafür Wolkersdorf, doch nach Protesten einer Bürgerinitiative distanzierte man sich davon. Dann fiel der Entschluss für einen Neubau an alter Stelle.
Die Zahl der versteigerten Tiere ging über die Jahrzehnte nur leicht zurück, aber immer weniger Landwirte kamen zu den Märkten. Früher waren es noch regelrechte Familienausflüge der Bauernfamilien nach Traunstein. Deshalb reichen heute noch 199 Plätze statt der bisherigen 1300. Im neuen Stall haben die Kälber noch mehr Platz, Luft und Licht, es gibt nach wie vor ein bewirtetes Stüberl, einen Quarantänestall und eine Bergehalle für Heu und Stroh. Die Baukosten lagen bei rund sieben Millionen Euro.
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