Mit „letzten Worten“ machte Traunsteiner alles noch schlimmer
Urteil wegen sexueller Belästigung - doch Ex-Landgerichtspräsident spricht von „Komplott“
Er war Richter, Oberstaatsanwalt und zuletzt Präsident des Traunsteiner Landgerichts, jetzt wurde Prof. Dr. Ludwig Kroiß selbst verurteilt: sexuelle Belästigung seiner Sekretärin, die noch heute leidet. Doch Kroiß teilte in seinen „letzten Worten“ in alle Richtungen aus - und redete sich damit um Kopf und Kragen.
München/Traunstein - Das wird bundesweit Schlagzeilen machen: Der Ex-Präsident des Traunsteiner Landgerichts wurde am Mittwoch (5. Juni) selbst verurteilt. Das Amtsgericht München sprach Prof. Dr. Ludwig Kroiß (65) der sexuellen Belästigung schuldig. Unvermittelt habe er seine Sekretärin auf den Mund geküsst. Richter Stefan Vollath kam zum Entschluss: „Eine Geldstrafe ist nicht mehr ausreichend.“ Sechs Monate Haft auf Bewährung verhängte er. Während der Verhandlung schwieg Kroiß. Erst in seinen „letzten Worten“ teilte er aus, sprach von „Skandalen“ und einem „Komplott“ gegen ihn.
Gerichtspräsident küsst Sekretärin - Es passierte beim Umtrunk nach Feierabend
„Er war mein Vorgesetzter, er ist Professor. Und ich wollte keine Nachteile haben“, beschrieb die 34-Jährige ihr schwieriges Verhältnis zum Angeklagten. Sie arbeitete als Sekretärin im Vorzimmer des Gerichtspräsidenten. Es war der 1. September 2021. Nach Feierabend lud sie Kroiß wie so oft in sein Büro zum Umtrunk - allein. Ein paar Gläser Wein, dazu Gespräche über die Familie der Frau und Anekdoten aus dem Berufsleben des Gerichtspräsidenten. Und zum Schluss eine Umarmung, „fester und länger wie sonst, das hat ewig gedauert“, so die Frau.
„Einmal drücken geht noch“, habe Kroiß dann gesagt - und seine Sekretärin dachte, gleich muss es vorbei sein. Doch plötzlich setzte ihr der Gerichtspräsident einen Kuss auf die Lippen. „Ich habe mich sehr, sehr unwohl gefühlt. Ich war irritiert und bin einfach raus.“ Über eine Stunde wurde die 34-Jährige vernommen. Als sie in Tränen ausbrach, brauchte es eine Pause. Der Vorfall hat sie psychisch komplett aus der Bahn geworfen: Für acht Wochen begab sich die Frau in stationäre psychiatrische Behandlung. Auch jetzt, als der Prozess vor der Tür stand, war sie wieder arbeitsunfähig.
Auch Traunsteiner Richterin fühlte sich schon belästigt
Am Tag danach stellte die Justizangestellte den 65-Jährigen zur Rede. „Er hat bedröppelt geschaut und gemeint, er wolle es nicht auf den Alkohol schieben. Aber man brauche das Thema auch nicht weiter vertiefen.“ Die Einladungen zum Gläschen nach Feierabend blieben seitdem genauso aus, wie die Komplimente. Eine „schöne, starke Frau“ nannte sie Ludwig Kroiß angeblich mal. Die 34-Jährige habe nach dem Kuss täglich gezittert auf dem Weg ins Gericht - aus Angst vor Konsequenzen und aus Angst, mit dem Chef noch einmal alleine im Raum zu sein.
Der ausgewiesene Jurist Kroiß blätterte während der Zeugenaussagen eifrig in Unterlagen, notierte mit, stellte Nachfragen, verteidigte sich in gewisser Weise auch selbst. 4000 Euro Schmerzensgeld bot er seiner Ex-Sekretärin im Vorfeld. Doch es half alles nichts. Eine Richterin aus Traunstein erzählte als Zeugin ebenfalls von Komplimenten, Einladungen zum Weintrinken - und von „ekligen“ Umarmungen des Präsidenten: „Ich will nicht so gepackt werden, nur weil ich blond bin.“ Andere enge Mitarbeiter Kroiß‘ sind dagegen bei den Vorwürfen „aus allen Wolken gefallen“.
Kroiß „letzte Worte“ machten alles nur noch schlimmer
Die Verteidiger Andreas von Máriássy und Anita Süßenguth sprachen von einer schwierigen Beweisaufnahme und einer „Aussage-gegen-Aussage-Konstellation“. Ihre Forderung: Freispruch. Manche Zeuginnen meinten nämlich, die 34-Jährige erzählte, Kroiß hätte sie nur auf die Wange geküsst. Dann wäre die sexuelle Belästigung vom Tisch. Aber Richter Stefan Vollath sah bei der Frau kein Motiv für eine Falschbelastung. Im Urteil ging der Richter sogar noch weiter, als die Staatsanwaltschaft. Sie forderte 20.700 Euro Geldstrafe. Dass das in Vollaths Augen zu wenig gewesen wäre, lag an den „letzten Worten“ des Ex-Landgerichtspräsidenten...
Kroiß sprach von „Skandalen“ bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und witterte einen „Komplott“: „Es möchte mir jemand etwas Böses. Und ich weiß auch, wer es ist.“ Der 65-Jährige wurde schon vom Dienst suspendiert, die Pension ist gekürzt. „Und den Rufschaden können Sie sich nicht vorstellen.“ Mit der Umarmung an jenem Tag habe er sich bei seiner Sekretärin vielleicht „ungelenk verabschiedet“. Doch er sei sich keiner Schuld bewusst. Was Richter Vollath aber so sauer aufstieß: Kroiß beschuldigte die 34-Jährige, sie habe sich den Kuss wegen psychischer Probleme womöglich eingebildet. Auch gegen ihre Familie teilte er indirekt aus.
Der ehemalige Präsident des Traunsteiner Landgerichts ist mit den sechs Monaten „auf Bewährung“ jetzt vorbestraft. Die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre. Lässt er sich dann etwas zu Schulden kommen, kann es ins Gefängnis gehen. Kroiß muss außerdem 4000 Euro an den Münchner Verein „IMMA“ zahlen, der Mädchen und junge Frauen bei der Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen unterstützen will. Der Präsident des Traunsteiner Landgerichts steht auch den Amtsgerichten von Rosenheim, Traunstein, Mühldorf, Altötting und Laufen vor - und damit über 700 Mitarbeitern. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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