Ticker: Prozess um mutmaßlichen Mord an Hanna W. aus Aschau
Neue Erkenntnisse nach Hausdurchsuchung bei Sebastian T.s Familie? Kripo-Mann sagt aus
Traunstein/Aschau im Chiemgau - Für den Staatsanwalt war es zuletzt nur noch „reine Verzögerungstaktik“ - doch heute endet auch für die Verteidiger von Sebastian T. die letzte Frist: Alle Beweisanträge, die man noch in petto hat, müssen auf den Tisch. Kommt da noch eine Überraschung oder ist der Weg in Richtung Urteil frei?
Update, 15.30 Uhr - Neue Erkenntnisse nach Hausdurchsuchung bei Sebastian T.s Familie?
Welche digitalen Spuren hinterließ Sebastian T. rund um die Tatzeit? Auch die neuesten Erkenntnisse der Kripo bringen für den Angeklagten nichts Entlastendes. Fest steht: Gegen 1.24 Uhr nachts wurde auf Youtube ein Fitness-Video angeschaut. Die nächste Aktivität, gut zehn Minuten nach der mutmaßlichen Tat, um 2.42 Uhr, als Sebastian T. das Online-Spiel „Clash of Clans“ spielte.
Dazwischen sei auf Youtube nichts passiert, macht jetzt ein Zeuge der Kripo nochmal klar. Er wertete die übrigen Geräte aus, die bei der Hausdurchsuchung bei seiner Familie in Aschau vorige Woche mitgenommen wurden. Erst am Nachmittag des 3. Oktober war Youtube auf einem der Geräte wieder aktiv: Ein Häkel-Video sei da über den Bildschirm gelaufen. Den Beweisantrag der Verteidigung, dazu noch Daten bei Google abzufragen, hält auch der Kripo-Mann für überflüssig. „Wir haben die Daten selbst, sie liegen uns vor.“
Auch mit Sebastian T.s Account im Spiel „Clash of Clans“ hat sich der Kriminalpolizist noch einmal beschäftigt. „Jojo“ habe er dort geheißen. Als Avatar wählte er eine weibliche Spielfigur mit rosa Haaren und leuchtenden Augen. Richterin Aßbichler: „Es hätte als Avatare auch starke Typen zur Auswahl gegeben, Muskelprotze oder blonde Kämpfertypen, wie Wikinger...“ Der Angeklagte grinst, als sich die Richterin laut Gedanken über seinen Avatar macht. Über fünf Jahre spielte er „Clash of Clans“ schon.
Obwohl die Vorsitzende Richterin den heutigen 8. Februar als letzten Tag ansetzte, um Beweisanträge zu stellen, verlängert sie die Frist nun nochmal um eine Woche. Doch weder Staatsanwaltschaft noch Verteidigung machen den Anschein, als hätten sie noch etwas in petto. Die nächste Aufgabe des Gerichts wird es sein, die insgesamt zehn neuen Beweisanträge jetzt zu bewerten. Sind sie zulässig? Gibt es nochmal neue Gutachten? Die Antwort darüber wird am kommenden Prozesstag, am 15. Februar gegeben. Für heute wird die Verhandlung unterbrochen.
Update, 13.55 Uhr - Vor Gericht fliegen die Fetzen - mal wieder
Die neun neuen Beweisanträge der Verteidigung liegen jetzt vor. Einige davon sollen erneut die Unfallthese stützen. Nämlich, dass Hanna W. selbstverschuldet im Bärbach landete und sich die schweren Verletzungen erst dort zuzog. Jetzt ist Staatsanwalt Wolfgang Fiedler am Zug – und hörbar schlecht gelaunt: „Zur Unfallthese haben wir bereits drei Gutachten gehört. Es steht zweifelsfrei fest, dass es kein Unfall war. Daran festzuhalten ist erbärmlich“, so der Staatsanwalt.
Verteidigerin Regina Rick will das nicht auf sich sitzen lassen, spricht von „Wut-Tiraden“ des Staatsanwalts: „Wir sind hier vor der Jugendkammer und nicht im Kindergarten!“ Dann grätscht Walter Holderle dazwischen, der Anwalt, der Hannas Eltern vertritt: „Der Kindergarten kommt doch von Ihnen“, schießt er in Richtung Rick. Wie so oft zeigt sich: Es braucht nicht viel, und schon entlädt sich die angespannte Stimmung vor dem Landgericht wieder.
Auch die Staatsanwaltschaft selbst stellt noch einen Beweisantrag. Es geht dabei um die Hausdurchsuchung bei der Familie des Angeklagten in Aschau am Mittwoch voriger Woche. Um 6.30 Uhr morgens stand die Polizei vor der Tür. „Handys, PCs, Tablets und schriftliche Unterlagen wurden sichergestellt“, so Staatsanwalt Fiedler.
Damit wolle man erneut klären, was Sebastian T. zwischen 2 und 3 Uhr nachts am 3. Oktober 2022 getrieben hat. „Wir wollen prüfen, ob es entlastende Daten gibt, ob der Angeklagte als Täter ausscheidet“, so Staatsanwalt Wolfgang Fiedler. „Wir haben also zugunsten des Angeklagten ermittelt.“ Was wurde gefunden? Dazu soll gleich noch ein Rosenheimer Kriminalpolizist aussagen.
Update, 12.20 Uhr - Erklären andere Unglücksfälle den „Fall Hanna“?
Ob das alles noch was bringt? Man wird sehen. Die Verteidiger Regina Rick, Harald Baumgärtl und Markus Frank tragen jetzt nach und nach ihre neun Beweisanträge vor. Drei drehen sich um Aspekte, die im Prozess bisher noch keine Rolle gespielt haben: Es geht dabei um Unglücksfälle, bei denen Ertrunkene ähnliche Verletzungsmuster aufgewiesen hätten, wie sie auch bei Hanna W. gefunden wurden.
Ein Fall spielt in der Region: An Neujahr 2022 wurde ein junger Mann aus Siegsdorf tot in der Traun bei Traunreut aufgefunden. „Auch er ertrank und hatte ein ähnliches Verletzungsbild“, so Verteidiger Markus Frank. Der Siegsdorfer sei über drei Wehre der Traun gespült worden. Fremdeinwirkung wurde ausgeschlossen. Außerdem wird ein Fall aus dem Jahr 2018 von der Verteidigung hervorgeholt, der in Thüringen passierte.
Dort wurde eine Leiche in einem Stausee gefunden. Zuerst glaubte man an ein Tötungsdelikt, dann erklärte sich der Rechtsmediziner die Verletzungen des Mannes durch Steine im Wasser. Der Rechtsmediziner der Universität Halle an der Saale soll deshalb auch vors Traunsteiner Landgericht kommen und dazu aussagen.
Und die Verteidigung will einen Unglücksfall genauer beleuchten, der sich im vergangenen September in Aschau zutrug – genau am Bärbach, an dem Sebastian T. Hanna bewusstlos geschlagen haben soll. Ein 58-Jähriger stürzte über die „steile Böschung in den Bärbach“, so die Verteidiger und verstarb. Deshalb soll ein Aschauer Feuerwehrler als Zeuge geladen werden, der berichten soll, wie gefährlich das Umfeld des Bärbachs sei.
Die übrigen Beweisanträge der Verteidiger drehen sich – mal wieder – um Geodaten von Bekannten des Angeklagten, um die Frage, wer in der Tatnacht wann welche Youtube-Videos geschaut oder Spiele am Handy gespielt hat. Auch ein thermodynamisches Gutachten wird gefordert. Denn laut Verteidigerin Rick zeige der Temperaturabfall in Hannas Handy, dass sie den Notruf an ihre Eltern erst absetzte, als sie schon im Bärbach trieb. Demnach wäre sie nicht bewusstlos von Sebastian T. dort hineingeworfen worden – sondern vielleicht selbstverschuldet im Bach gelandet.
Weitere Gutachten, die die Verteidiger fordern, sollen wiederum beweisen: Hannas schwere Verletzungen seien allesamt durch Steine im Bärbach und der Prien zu erklären – und die roten Flecken, unter anderem auf ihrem Rücken, seien Einblutungen, die beim Ertrinkungstod immer wieder vorkämen.
Auch die Staatsanwaltschaft wird noch einen Beweisantrag vorlegen – und außerdem Stellung zu den neuesten Vorstößen der Verteidiger nehmen. Das hat bereits bei den letzten Prozesstagen oft für dicke Luft im Gerichtssaal gesorgt.
Update, 10.17 Uhr - Zehn neue Beweisanträge prasseln aufs Gericht ein – auch von der Staatsanwaltschaft
Wie lange wird dieser Prozess noch dauern? Diese Frage kann man sich gleich zu Beginn des 30. Verhandlungstags stellen. Heute ist der letzte Tag, an dem die Prozessbeteiligten Beweisanträge stellen können. Und Richterin Jacqueline Aßbichler lässt durchblicken: ganze zehn Beweisanträge werden heute an das Gericht gestellt. Neun stammen von der Verteidigung, einer von der Staatsanwaltschaft. Es wird dabei auch um die Hausdurchsuchung bei der Familie des Angeklagten gehen.
Nun geht es in die Details. Verteidigung und Staatsanwaltschaft stellen ihre Beweisanträge vor. Ob sie vom Gericht angenommen werden – und der Prozess dadurch nochmal wesentlich länger dauern wird – stellt sich heute aber nicht mehr heraus. Das Landgericht wird sich dafür Zeit nehmen und wohl erst am 15. Februar darüber entscheiden.
Nun darf man gespannt sein, welche neuen Argumente den Anwälten von Sebastian T. sowie der Staatsanwaltschaft noch eingefallen sind.
Der Vorbericht zum 30. Prozesstag im Mord-Prozess um den Tod von Hanna W.
Das Traunsteiner Landgericht zieht einen Schlussstrich: Schon am vorletzten Prozesstag setzte man der Verteidigung eine Frist. Am heutigen Verhandlungstag am Donnerstag (8. Februar) müssen die letzten Beweisanträge gestellt sein. Dann geht nichts mehr und die Beweisaufnahme wird geschlossen. Auch der Bitte von Verteidigerin Regina Rick, die Frist zu verlängern, kam Richterin Jacqueline Aßbichler nicht nach.
Neue Beweise? Letzte Chance für die Verteidiger von Sebastian T.
Ab 9 Uhr wird heute also klar sein, was das Verteidiger-Trio von Sebastian T. noch in petto hat. Welche Zeugen wollen sie noch anhören? Welches Gutachten könnte den Angeklagten noch entlasten? Tun sich im Mord-Prozess um den Tod von Hanna W. noch neue Aspekte auf? Mit mindestens einem weiteren Verhandlungstag bis zu den Plädoyers muss also noch gerechnet werden. Denn falls neue Beweisanträge der Verteidigung kommen, muss das Gericht in der Zwischenzeit auch noch über deren Zulässigkeit entscheiden.
Schon am jüngsten Prozesstag liefen Rick und ihre Anwaltskollegen, Harald Baumgärtl und Markus Frank, gegen eine Mauer. Akteneinsicht in ein früheres Verfahren des „Knast-Zeugen“, der den Angeklagten schwer belastete, bekamen sie nicht wie gewünscht. Und auch die Handy-Geodaten eines Bekannten von Sebastian T. sollen nicht ausgewertet werden. Aus beidem ließen sich keine Rückschlüsse ziehen, ob der Richtige auf der Anklagebank sitzt oder nicht, so das Gericht. Staatsanwalt Wolfgang Fiedler bezeichnete das Vorgehen der Verteidigung als „reine Verzögerungstaktik“.
Aktuell hätte das Landgericht noch sechs weitere Termine für die Verhandlung freigehalten, bis zum 5. März. Auch die letzten Zeugen, die die Verteidigung noch laden ließ, konnten zur Aufklärung des mutmaßlichen Tatgeschehens nichts beitragen. Sebastian T. soll am 3. Oktober 2022 Hanna W. auf ihrem Heimweg vom Club „Eiskeller“ bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen und sie dann in den Bärbach geworfen haben. Dort ertrank die damals 23-Jährige. Sebastian T. war anfangs für die Polizei nur als wichtiger Zeuge interessant, da er zur Tatzeit als Jogger gesehen wurde. Am 17. November 2022 wurde er jedoch festgenommen, sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Die Anklage lautet auf Mord.
chiemgau24.de wird aktuell vom Prozess berichten.
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