Letzte Beweisanträge
Mord-Prozess Hanna: Diese Frist bleibt der Verteidigung noch vor dem Urteilsspruch
Der Mordprozess von Aschau um den gewaltsamen Tod von Hanna W., er scheint nun auf der Schlussgeraden. Über welche Beweisanträge das Gericht in Traunstein nun noch entscheidet. Und was der Verteidigung von Sebastian T. noch zu klären bleibt. Die Vorschau auf Tag 29.
Aschau/Traunstein – Ein Bild scheint sich abzuzeichnen, man sei an sich mit der Beweisaufnahme durch, ließ Richterin Jacqueline Aßbichler während des 28. Tages des Mordprozesses von Aschau wissen (Dienstag, 30. Januar). Was jetzt noch kommt, nimmt sich in den Augen vieler Zaungäste aus wie ein Nachjustieren, ein Feilen an letzten Kanten.
Was die Verteidigung des Angeklagten Sebastian T. ein wenig anders sieht. Sie will mit Beweisanträgen Details geklärt wissen. Details, die ihren Mandanten Sebastian T. (22) vor einer Freiheitsstrafe wegen Mordes oder Totschlags bewahren könnten. Der wichtigste Beweisantrag, über den das Landgericht Traunstein an Tag 29 (Donnerstag, 1. Februar, ab 9.30 Uhr) entscheiden könnte, betrifft den JVA-Zeugen: der Mann, dem Sebastian T. in den ersten Wochen seiner Untersuchungshaft in der JVA Traunstein die Tötung von Hanna W. gestanden haben soll.
Hat Sebastian T. seinem Mitgefangenen einen Mord gestanden?
Sebastian T. habe eingeräumt, dass er die junge Frau bewusstlos geschlagen habe, „damit sie sich nicht wehren kann“. Seitdem denkt das Gericht offenbar anders über den Tatvorwurf nach. Denkbar sei, dass im Falle einer Verurteilung nunmehr über Körperletzung plus Mord zu entscheiden sei, sagte Aßbichler vor wenigen Wochen. Demnach hätte Sebastian T. die junge Medizinstudentin in den Bärbach geworfen und sie dem Ertrinkungstod ausgesetzt, um die vorangegangene Körperverletzung zu verdecken.
Das will die Verteidigung so nicht akzeptieren. Der Zeuge aus der Untersuchungshaft habe wiederholt gelogen, sagte Verteidigerin Regina Rick am Dienstag, 29. Januar. Er habe mit falschen Behauptungen Kinder zu sexuellen Handlungen bewegt. „Es kann gut sein, dass er sich für sein eigenes Verfahren etwas erhofft“, sagte Dr. Markus Frank auf OVB-Nachfrage. „Und das wollen wir geklärt haben.“
Es geht nochmals um Hannas Handy
Ein weiterer Beweisantrag dient der nochmaligen Auswertung von Hannas Handy. Es gehe um das Zeitfenster, innerhalb dessen Hanna W. am 3. Oktober 2022 zu Tode gekommen sein könnte. Es gibt den Zeitpunkt eines Notrufs, und es gibt den Augenblick, da die Temperatur von Hannay Handy sank – vermutlich, weil es ins Wasser geriet. „Hatte der Angeklagte tatsächlich so viel Zeit, die gesamten vorgeworfenen Taten zu vollziehen?“, fragt Verteidiger Harald Baumgärtl.
Fraglich ist, ob das Handy über dieses Zeitfenster etwas sagen kann: Schließlich kann der Angreifer Hanna auch erst lange nach dem Handy in den Bach geworfen haben. Allerdings sei noch immer die Frage, ob Hanna den Notruf aus dem Wasser abgesetzt habe, fügt Markus Frank hinzu. Insofern ist nochmals fraglicher, welche Beweiskraft dem Abkühlungsprozess des Handys innewohnen kann.
Nebenkläger-Anwalt Holderle: Unfallthese komplett vom Tisch
Von „Kaffeesatzleserei“ sprach in den vergangenen Wochen immer wieder Walter Holderle, Anwalt von Hannas Eltern. Die nochmalige Aussagen des Hydrodynamikers Professor Dr. Andreas Malcherek und des Biomechanikers Professor Dr. Jiri Adamec bezeichnete er nach Tag 28 (30. Januar) als wertvoll. Die Unfallthese sei nunmehr „komplett vom Tisch“.
Ansonsten habe er lediglich zur Kenntnis genommen, dass zwei neue Beweisanträge gestellt worden sei. Der eine sei „extrem eigenartig“ gewesen, sagte Holderle. Was er damit meint, ist der Beweisantrag gegen den JVA-Zeugen. Um die Persönlichkeitsrechte dieses Zeugen zu schützen, habe das Gericht die Unterlagen den Prozessbeteiligten im Selbstleseverfahren überlassen. „Das hat die Verteidigerin aber nicht daran gehindert, aus diesen Aktenteilen zu zitieren. Das war befremdlich.“ Die Verteidigerin mache Stimmung gegen den Zeugen.
Glaubwürdigkeit des JVA-Zeugen auf dem Spiel?
Die Argumentation der Verteidigerin werde aber die Bewertung der Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht beeinflussen, sagte Holderle. Das Gericht habe sich bereits ein Bild vom Zeugen machen können und werde die konkreten Aussagen mit aller Sorgfalt hinterfragen.
Auch zur Auswertung von Hannas Handy sei alles gesagt, was zu sagen sei. „Das ständige Hinterfragen, immer wieder, macht keinen Sinn. Wir wissen ja nicht, ob das Handy zur gleichen Zeit wie Hanna ins Wasser gelangt ist.“
Wie vielen Beweisanträgen wird das Gericht am Donnerstag, 1. Februar, stattgeben? Eine spannende Frage. Fest steht, dass das Gericht nicht mehr unendlich viele Beweisanträge annehmen wird. Der Verteidigung bleibt noch eine Frist bis zum 8. Februar. Über die Anträge bis dahin wird das Gericht noch entscheiden müssen. Damit naht dann aber wohl die Entscheidung in einem Marathon-Prozess, der sich mittlerweile in seinem vierten Monat befindet.