Hanna-Mordprozess in Traunstein
Geduldsprobe für Hannas Eltern: „Die wollen Aufklärung, keine juristischen Spielchen!“
Eine Woche hat die Verteidigung noch Zeit für neue Beweisanträge: Sollte bis zum 8. Februar nichts mehr kommen, ist die Beweisaufnahme im Hanna-Mordprozess abgeschlossen. Am 29. Verhandlungstag gab es für die Verteidigung weitere Rückschläge.
Aschau/Traunstein – Rückschlag für die Verteidigung von Sebastian T. im „Eiskeller“-Mordprozess. Und obendrein ein strenger Rüffel für Anwältin Regina Rick. „Schäbig und unmoralisch“ sei die Art gewesen, in der sie den Beweisantrag gegen den JVA-Zeugen gestellt habe, sagte Staatsanwalt Wolfgang Fiedler zu Beginn von Prozesstag 29.
Verteidigerin zeichnete abstoßendes Bild vom Zeugen
Er kritisierte mit seinem Nachsatz, dass Rick in ihrer Antragsbegründung detailliert aus Akten über den JVA-Zeugen zitiert hatte. Dabei waren diese Unterlagen den Prozessbeteiligten im Selbstleseverfahren überlassen worden, um die Persönlichkeitsrechte des Zeugen zu schonen. Das sei Rick einerlei gewesen, zudem habe sie daraus ohne Zusammenhang und mitunter „sinnentstellend“ zitiert, sagte Fiedler.
Das Bild, das die Wahl-Verteidigerin von Sebastian T. vom Haftzeugen zeichnen wollte, führte im Übrigen nicht zum Erfolg. Das Gericht lehnte den Antrag ab und wies auf fehlende oder fehlerhafte Begründungen hin. Die Tatsache, dass der Zeuge einmal gelogen habe, reiche nicht entfernt hin, um ihm dauerndes Lügen zu unterstellen. Auch mache eine psychische Erkrankung den Zeugen nicht zum notorischen Lügner.
Angriff auf Haft-Zeugen gescheitert
Damit ist der Angriff der Verteidigung auf den Zeugen aus der JVA Traunstein gescheitert. Es gelang offenbar nicht, die Glaubwürdigkeit des Mannes beim Gericht zu erschüttern. Dabei hatte für den Angeklagten Sebastian T. und seine drei Verteidiger so viel auf dem Spiel gestanden. Der Zeuge aus der Untersuchungshaft hatte die entscheidende und belastende Aussage gemacht, die – anders als die Aussage von Sebastian T.s Schulfreundin, die überhaupt erst zu T.s Verhaftung geführt hatte – keine Widersprüche aufwies.
Ihm gegenüber soll Sebastian T. Mord gestanden haben
Sebastian T., so sagte er aus, habe ihm gegenüber den Mord auf Hanna eingeräumt. Er habe die junge Frau bewusstlos geschlagen, „damit sie sich nicht wehren könne“.
Demnach könnte Sebastian T. die Bewusstlose in den seinerzeit reißenden Bärbach geworfen haben, um die Spuren des vorangegangenen Angriffs zu verdecken. Das Gericht hatte denn auch an einem früheren Verhandlungstag darauf hingewiesen, dass der Tatvorwurf im Falle einer Verurteilung auf Körperverletzung plus Mord lauten könne.
Überraschungszeuge vom dritten Prozesstag
Der Mithäftling des Angeklagten Sebastian T. war der Überraschungszeuge in diesem an sich schon bemerkenswerten Prozess. Nach den ersten beiden Verhandlungstagen hatte er sich über seinen Anwalt bei der Staatsanwaltschaft gemeldet. Er wolle sich zu einem Gespräch äußern, das er gut zehn Monate zuvor während des „Aufschlusses“ – der einen Stunde an jedem Tag in Haft, an der die Zellentüren offen stehen und Gefangene einander besuchen können – ein aufschlussreiches Gespräch mit Sebastian T. geführt habe.
Verteidiger Harald Baumgärtl hatte betont, dass sogenannte „Knastzeugen“ stets mit Vorsicht zu genießen seien. Schließlich sagten sie aus, um sich einen Vorteil wie etwa Hafterleichterung oder einen besseren Stand in einer bevorstehenden Verhandlung zu sichern. Das war bei dem JVA-Zeugen nicht auszuschließen gewesen, zumal er bei seiner eigenen Verhandlung seinerseits mit Richterin Jacqueline Aßichler zu tun haben wird.
Der Zeuge hat mehr zu verlieren als zu erhoffen
Der Staatsanwalt hatte jedoch von Beginn an betont, dass man dem Zeugen niemals einen „Deal“ angeboten habe. Eine Falschaussage würde ihm Haft einbringen. Somit hat der JVA-Zeuge viel mehr zu verlieren als zu erhoffen. Während seiner Aussage vor Gericht hielt er mit seiner eigenen Straftat – einem Sexualdelikt – nicht hinterm Berg. Seine Behauptungen hörten sich glaubwürdig an, zumal er von Sebastian T.s Leiden an den dauernden Zurückweisungen durch Frauen zu berichten wusste. Demütigende Erfahrungen, die spätere Zeugen aus dem Bekanntenkreis von Sebastian T. bestätigten. Damit scheint zumindest belegt, dass der Zeuge in der Untersuchungshaft tatsächlich Umgang mit Sebastian T. hatte.
Staatsanwaltschaft ließ T.s Elternhaus durchsuchen
Was am 29. Prozesstag noch geschah: Das Gericht informierte darüber, dass Sebastian T.s Elternhaus in Aschau am Mittwoch, 31. Januar, morgens durchsucht worden sei. Es dürfte eine Hausdurchsuchung im Sinne des Angeklagten gewesen sein.
Noch immer steht die Frage im Raum, was Sebastian T. in den entscheidenden Minuten des 3. Oktober 2022 getan hat. Kurz nach 2.32 Uhr dürfte Hanna W. im Bärbach ertrunken sein. Um 2.42 Uhr begann der Angeklagte, auf dem Smartphone „Clash of Clans“ zu spielen. Was geschah in den zehn Minuten dazwischen? War Sebastian T. im Internet zugange, um etwas auf Google zu suchen? Die Durchsuchung könnte demnach Zugangsdaten zu Sebastian T.s Smartphone gegolten haben. Die Eltern hatten sich am Dienstag, 30. Januar, geweigert, diese Daten herauszugeben. Genaueres wird wohl erst am 30. Prozesstag am 8. Februar zu erfahren sein.
Wie viele Beweisanträge hat die Verteidigung noch?
Am 8. Februar 2024 läuft die Frist ab, die das Gericht der Verteidigung gesetzt hat: Bis dahin müssen die letzten Beweisanträge gestellt sein. Anwältin Rick hatte immer angekündigt, noch eine ganze Reihe Beweisanträge „in der Pipeline“ zu haben. An Tag 29 kam kein neuer Antrag hinzu, dafür wies das Gericht noch einen weiteren in der Woche zuvor gestellten Antrag zurück.
Die Verteidigung hatte über die Geodaten des Handys eines anderen Zeugen geklärt haben wollen, ob Sebastian T. wirklich schon am Abend des 3. Oktober 2022 eine Frage gestellt haben kann, die Täterwissen verriet. Tatsächlich widersprachen sich Sebastian T.s Bekannte in dieser Frage immer wieder, allen voran seine Schulfreundin, die wiederholt vom 3. Oktober, aber auch vom darauffolgenden Tag sprach. Das Gericht wies den Antrag ab, weil sich durch die Daten eines Smartphones eben nicht zweifelsfrei belegen lasse, wo sich jemand zu einem gewissen Zeitpunkt aufgehalten habe.
Hannas Eltern leiden unter juristischem Hickhack
Die Eltern von Hanna blieben dem 29. Verhandlungstag fern. Er rate seinen Mandanten auch mal davon ab, den Prozess persönlich zu verfolgen, sagte Nebenklägeranwalt Walter Holderle. „Gerade heute, wo absehbar war, dass wieder Sperenzchen ablaufen werden, weil sich Frau Rick mit dem Gericht anlegt. Das ist natürlich belastend, weil die Eltern wenig Verständnis dafür haben. Die wollen Aufklärung in der Sache, keine juristischen Spielchen.“
Kommt da noch was von der Verteidigung? Zumindest diese Entscheidung dürfte am 8. Februar fallen.