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Belastung ist „enorm“ und wird wohl noch höher

Richter und Staatsanwälte sprechen Klartext: Wie Schleuser unsere Justiz strapazieren

Dr. Rainer Vietze, Oberstaatsanwalt in Traunstein.
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Immer häufiger, komplizierter und rücksichtsloser werden Schleusungen, Staatsanwaltschaft und Gerichte kommen ans Limit. Im Bild Dr. Rainer Vietze, Oberstaatsanwalt in Traunstein.

Die Nachrichten von rasenden oder überladenen Schleuserautos häufen sich und der Druck auf die Justiz in unserer Grenzregion wird immer höher: Die Schleusungsdelikte bei der Traunsteiner Justiz erreichten zuletzt einen Rekordwert - der heuer vermutlich nochmal getoppt wird. Wir haben mit Richtern und Staatsanwaltschaft über die Zahlen, das brutalere Vorgehen und über ihre Arbeitsbelastung gesprochen.

Traunstein/Laufen - Egal, ob sie bei stationären Kontrollen in Kiefersfelden und am Walserberg erwischt werden, nach einer wilden Verfolgungsfahrt über Landstraßen oder nachts irgendwo an der „Grünen Grenze“ auffliegen: „Die meisten der aufgegriffenen Schleuser in Oberbayern fallen in unseren Zuständigkeitsbereich“, bestätigt Dr. Rainer Vietze gegenüber chiemgau24.de. Er ist Oberstaatsanwalt in Traunstein und damit für die Landkreise Traunstein, Rosenheim, Berchtesgadener Land, Mühldorf und Altötting zuständig.

Höchstwert an Schleuserverfahren für Traunsteiner Justiz

Während an der Grenze zu Polen, Tschechien und der Schweiz erst seit Oktober 2023 dauerhaft kontrolliert wird, kennt man das Spiel bei uns schon rund acht Jahre. Wie stark frequentiert Südostbayern von den Schleusern ist, macht Vietze mit einem einfachen Vergleich deutlich: Im ersten Monat nach Einführung der Grenzkontrollen zu Polen, Tschechien und der Schweiz wurden dort 90 Schleuser dingfest gemacht - „im gleichen Zeitraum waren es im Bezirk der Staatsanwaltschaft Traunstein dagegen 200 bis 250“.

Die Justiz scheint am Limit. Bis November gingen voriges Jahr 715 Schleusungsverfahren bei der Traunsteiner Staatsanwaltschaft ein. Hinzu kommen noch 300 Verfahren, die die Bundespolizei noch gar nicht an die Justiz weitergegeben hat, so Dr. Rainer Vietze. Höchstwerte, wohin man blickt. Damit liege man 2023 etwa doppelt so hoch, wie noch ein Jahr zuvor. Auch während bzw. nach der Flüchtlingskrise von 2015/16 war das Niveau niedriger. Und heuer? Könnten die Zahlen nochmal steigen. Denn die Polizei rüstet im Grenzgebiet personell auf, damit dürften die Kontrollen dichter und die Anklagen mehr werden.

Traunsteiner Staatsanwälte momentan bei 64-Stunden-Woche

„Die Arbeitsbelastung pro Staatsanwalt beträgt bei uns aktuell über 64 Stunden pro Woche“, berichtet Vietze. Vier zusätzliche Staatsanwälte seien 2023 hinzugekommen, doch um weiterhin „effektiv und erfolgreich“ ermitteln zu können, müsste das Personal auch heuer verstärkt werden. Denn die Staatsanwälte müssen auch Hinterleute und Bandenstrukturen ausforschen. Nicht anders sieht es an den Gerichten aus. „Die Schleusungsverfahren beanspruchen die Gerichte mittlerweile enorm“, sagt Dr. Christian Liegl offen. Er ist Richter am Amtsgericht Laufen und damit für das Berchtesgadener Land zuständig.

Mehr Kontrollen, brutalere Schleuser - doppelte Arbeit für Gerichte

Die Belastung für die Gerichte steige vor allem deshalb, „weil sich die Qualität der Schleusungen verändert hat“, so Liegl. Immer öfter würden die Migranten auf Ladeflächen von Transportern oder in Kofferräumen „zusammengepfercht“. Auf der Flucht vor der Polizei werden die Schleuser immer rücksichtsloser und risikobereiter. Prozesse werden so immer komplexer und zeitaufwendiger. Traurigstes Beispiel: Der Unfall mit sieben Toten und 16 Verletzten vergangenen Oktober auf der A94 bei Ampfing. Der 24-jährige Fahrer sitzt noch in U-Haft und wartet auf seinen Prozess. Ermittelt wird unter anderem wegen Mordes.

Allein am Laufener Amtsgericht setzte es voriges Jahr 115 Verurteilungen wegen Schleusungsdelikten. Dass diese Verfahren „nur“ sechs Prozent aller Verhandlungen ausmachen, zeigt, dass die Justiz auch sonst alle Hände voll zu tun hat. Mehr Polizei, aber gleich viele Richter, das stellt auch Cornelia Stattelberger vom Landgericht Traunstein fest: „Das führt bei uns dazu, dass unsere Richterkollegen gerade noch imstande sind, den Arbeitsanfall zu bewältigen.“ Während es an der großen Strafkammer des Landgerichts bis 2020 im Schnitt 77 Verfahren jährlich waren, waren es 2022 schon über 100 Verfahren und voriges Jahr sogar über 140.

Schleusungsdelikte gibt es im deutschen Strafrecht mehrere verschiedene. Oft geht es um den Straftatbestand „Einschleusen von Ausländern“, wo bis zu fünf Jahre Haft drohen, aber manchmal auch nur Geldstrafen verhängt werden. Beim „gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusen“ sind dagegen schon bis zu zehn Jahre Haft möglich und beim „Einschleusen mit Todesfolge“ drei bis 15 Jahre. Hinzu kommen bei Schleusern oft noch Straßenverkehrsdelikte oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Doch auch Cornelia Sattelberger weiß: „Die Schleusungen selbst werden immer gefährlicher, was dann auch zu einem höheren Strafmaß führen wird.“

xe

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