Betrug und Wucher vorgeworfen
Flüchtlinge in zwei Hotels abgezockt und Staat betrogen – warum sind Inzell-Täter nicht im Knast?
Betrug und Wucher in einem besonders schweren Fall: Das wurde dem ehemaligen Pächter des Inzeller Hotels Gastager und seiner Mitarbeiterin vorgeworfen. Sie sollen die Zwangslage von Flüchtlingen ausgenutzt haben. Jetzt ist ein zweiter Fall bekannt – die mutmaßlichen Täter aber nicht hinter Gittern.
Inzell – In den Morgenstunden des 11. Januar wurde das Hotel Gastager in Inzell mit einigen Dutzend Einsatzkräften der Polizei gestürmt. Die Razzia dauerte mehrere Stunden an und am Nachmittag wurden zwei Menschen abgeführt: der ehemalige Pächter und seine mutmaßliche Komplizin.
Das Duo soll die Notsituation von Geflüchteten aus der Ukraine ausgenutzt haben, indem sie Zimmer mehrfach an die Flüchtlinge vermieteten. Jeder Bewohner eines Zimmers erhielt einen eigenen Mietvertrag, wodurch der Ex-Pächter laut Staatsanwaltschaft Traunstein bis zu fünfmal pro Zimmer vom Jobcenter in Traunstein abkassiert haben soll.
Unauffällige Masche
Die Mitarbeiterin bezeichnete die Staatsanwaltschaft als „rechte Hand“ des ehemaligen Pächters. Sie soll die Mietverträge ausgestellt und diese mit den geflüchteten Ukrainern schnellstmöglich direkt zum Jobcenter gebracht haben. Der Leiter des Jobcenters in Traunstein, Thomas Wendrich, erinnert sich, dass „alles zunächst unauffällig“ war, als die ersten Mietverträge an das Jobcenter übermittelt wurden.
Das Hotel wurde parallel für den Tourismus genutzt, weshalb die Mehrfachbelegung zunächst unentdeckt blieb. Ehrenamtliche Helfer aus Inzell, die die Flüchtlinge betreuten, sollen Unstimmigkeiten bemerkt und diese der Polizei gemeldet haben, sagt Inzells Bürgermeister Michael Lorenz. Gegenüber der Chiemgau-Zeitung berichtete ein Helfer von menschenunwürdigen Bedingungen im Hotel und Einschüchterungsversuchen des Duos gegenüber den Flüchtlingen und den Ehrenamtlichen.
Doppelt abgezockt
Im Rahmen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurde im Dezember des vergangenen Jahres festgestellt, dass 123 Personen unter der Adresse des Hotels gemeldet waren. Jetzt teilte die Staatsanwaltschaft Traunstein mit, dass das Duo parallel eine ähnliche Masche in einem weiteren Hotel abgezogen haben soll. „Die Verdachtsfälle sind im Zeitraum von Oktober 2022 bis Januar 2024 aufgetreten“, sagt Oberstaatsanwalt Dr. Rainer Vietze.
Wieder ukrainische Flüchtlinge ausgenutzt?
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärt, dass die Verdachtsfälle aufgrund der Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Hotel in Inzell bekannt wurden. Dabei habe sich herausgestellt, dass der Beschuldigte in Walkenried, einer Gemeinde im niedersächsischen Kreis Göttingen, ein weiteres Hotel betrieben habe, in dem ebenfalls ukrainische Flüchtlinge eingemietet gewesen seien.
Der ehemalige Pächter habe das Hotel in Walkenried in vergleichbarer Weise betrieben wie das Hotel in Inzell. „Es ergab sich ein Anfangsverdacht hinsichtlich der Straftatbestände Betrug und Wucher zu Lasten des Jobcenters Göttingen durch Mehrfachvermietung einzelner Zimmer und Abrechnung überhöhter Mieten“, teilt Vietze mit.
Verdacht nicht ausreichend bestätigt
Dieser Verdacht habe sich jedoch im Laufe der Ermittlungen bezüglich der meisten Fälle nicht bestätigt, sagt der Oberstaatsanwalt. Bei beiden Hotels blieb laut Staatsanwaltschaft Traunstein der Verdacht des Betrugs insgesamt nur bei wenigen Einzelfällen der Mehrfachvermietung von Zimmern bestehen. Trotzdem wurden gegen den ehemaligen Pächter und seine „rechte Hand“ Strafbefehle erlassen.
Dem Ex-Pächter wird von der Staatsanwaltschaft Traunstein in anderen Fällen vorgeworfen, die Straftatbestände des Betrugs, der Urkundenfälschung und der Verletzung des Dienstgeheimnisses verwirklicht zu haben. Seiner Mitarbeiterin wird ebenfalls Betrug vorgeworfen. Von beiden wurde von der Staatsanwaltschaft eine Einziehung von rund 71.000 € und rund 20.000 € angeordnet.
Straftaten fallen nicht “erheblich ins Gewicht”
Von einer Verfolgung der bestehenden Tatvorwürfe des Betrugs und des Wuchers in den Hotels werde abgesehen, „da die insoweit zu erwartende Strafe angesichts der in den beiden Strafbefehlen verfolgten Straftaten nicht erheblich ins Gewicht fällt”, sagt Oberstaatsanwalt Dr. Rainer Vietze.
Widersprüchliche Aussagen zwischen Helfern und Ermittlern
„Die umfangreichen Ermittlungen und die Auswertung zahlreicher Mietverträge haben ergeben, dass gegenüber den Flüchtlingen ein strafbares Verhalten nicht nachweisbar ist“, fährt Vietze fort. Es sei insbesondere nicht nachzuweisen, dass den Flüchtlingen konkret geschadet worden ist.
Die beiden Angeklagten haben nach Vietze zuerst Einspruch gegen ihre Strafbefehle eingelegt. „Nach meinem Kenntnisstand“, habe der Angeklagte den Einspruch zurückgenommen, sagt Sandra Sauer, Richterin am Amtsgericht Traunstein. „Beide sind auf freiem Fuß“, führt sie aus. Ein Hauptverhandlungstermin sei noch nicht anberaumt worden.
Ehrenamt bleibt stark
„Wir sind abhängig vom Tourismus und es würde uns freuen, wenn das Hotel wieder touristisch genutzt werden würde“, sagt Bürgermeister Michael Lorenz. Ein Großteil der Flüchtlinge habe das Hotel laut Aussage eines Helfers wieder verlassen und sei teils in privaten Unterkünften fündig geworden. Das ehrenamtliche Engagement habe durch den Vorfall keinen Schaden genommen, meint Lorenz und setze sich weiterhin tatkräftig für die Geflüchteten ein.