Was das mit Michelin-Sternen zu tun hat
(K)ein Bierchen bitte: Wie die japanischen Wagyu-Rinder ins Achental kamen
Mitten in Grassau stehen japanische Wagyu-Rinder im Stall. Aber wie kamen die für ihr teures Gourmet-Fleisch bekannten Tiere ins Achental? Christian Kreuz erzählt die Geschichte und welche Rolle eine Autowerkstatt sowie ein michelingekrönter Gourmet-Koch dabei spielen. Und bekommen die Wagyus tatsächlich Bier zum Trinken?
Grassau - Das kleine Wagyu-Kälbchen steht auf seinen langen, noch wackligen Beinchen unter der Infrarotlampe im Stall. Es ist erst vor vier Stunden geboren. aber es versucht schon neugierig zu den Menschen zu stacksen, die vor seinem Gatter stehen.
Einer davon ist Christian Kreuz. Der Mann, der diese für ihr teures Gourmet-Fleisch berühmte Rasse aus Japan ins Achental geholt hat. 32 ziemlich zufrieden Heu mampfende Wagyu-Rinder hat er jetzt im Stall mitten in Grassau stehen, dabei hat die spektakuläre Geschichte erst 2019 begonnen.
Damals wollte sein Vater Johann nach drei Jahrzehnten Milchvieh-Haltung mit dem Erreichen des Rentenalters aufhören mit der Landwirtschaft. „Das wollte ich aber nicht, weil ich mit den Tieren seit meiner Geburt aufgewachsen bin. Ich habe sie schon als Kind immer raus aufs Feld und dann wieder in den Stall getrieben“, erzählt Christian Kreuz. Nötig hätte er all die Arbeit mit dem lieben Vieh eigentlich nicht: Schließlich führt der Mann mit dem schwarzen Ohrring seit 2011 eine im Ort bekannte Autowerkstatt.
Was sind Wagyu-Rinder?
Wagyu (japanisch 和牛) ist eine Bezeichnung mehrerer Rinderrassen japanischen Ursprungs. Übersetzt heußt Wagyū schlicht „japanisches Rind“. Das Wagyu-Rind ist wegen seines extrem schmackhaften Fleisches berühmt. Obwohl es von Fettadern durchzogen ist, gilt es wegen des hohen Anteils an Omega-3-Fettsäuren als besonders gesund. Durch eine genetische Besonderheit schmilzt das Fett des Wagyu-Rindes schon ab 25 Grad (beim normalen Rind liegt das bei über 40 Grad) und damit unter der Körpertemperatur des Menschen. Dadurch hat man das Gefühl, dass das Fleisch sprichwörtlich auf der Zunge zergeht.
In Japan gilt besonders das sogenannte „Kobe-Beef“ als absolute Spezialität. Nur die in der japanischen Region Kōbe geborenen, aufgezogenen, gemästeten und geschlachteten Tiere dürfte diese geschützte Ursprungsbezeichnung tragen. Damit ist das Gourmet-Fleisch vergleichbar mit Champagner oder Nürnberger Lebkuchen. (Quelle mit Wikipedia)
„Spinne ich jetzt?“
Damit verdient der 39 Jahre alte Kreuz sein Geld, dennoch wollte er auf das Leben mit den Tieren auf dem Hof nicht verzichten. Bei einem Gespräch mit seinem Bruder kam er auf die verrückte Idee, Wagyu-Rinder ins Achental zu holen. „Ich habe mich gefragt, wie ich mit wenigen Rindern so viel erwirtschaften kann, dass der Hof weiterläuft. Melken kam nicht mehr in Frage“, so Kreuz. Bevor das Abenteuer startete, stellte er seine für spektakuläre Idee Freunden und Landwirten vor: „Ich habe sie gefragt: Spinne ich jetzt? Sie sind aber sofort hinter mir gestanden und auch ein vertrauter Bauer hat gesagt, dass es funktionieren könnte.“ In der erweiterten Region gibt es auch in Eggstätt Wagyu-Rinder, der zweite Bürgermeister Hans Plank verkauft dort ihr Fleisch.
Ein Prospekt überzeugt den Vater
Bevor Kreuz sein Experiment tatsächlich starten konnte, musste er noch seinen Vater überzeugen. Und dafür wählte der schlaue Mann einen ganz besonderen Weg: Er gestaltete mit Hilfen von Freunden ein aufwändig gestaltetes Prospekt mit einem rot-schwarzen Logo. „Achental Wagyu - 100% made Dahoam“ steht darauf, drin werden alle Vorteile des Gourmet-Fleisches aufgezählt. Papa Johann war von der Idee begeistert - und hilft seinem Sohn seitdem bei dem außergewöhnlichen Projekt bei der Arbeit im Stall mit.
Leihmütter helfen
Den Grundstein für seine Wagyu-Herde legte Christian Kreuz mit zwei Mutterkühen, die er aus Holstein ins Achental transportierte. Danach folgte die Zucht mit Samen von Vollblut-Wagyu-Rindern. Ein „Schuss“ davon kostet bis zu 400 Euro, dazu kaufte der Grassauer auch einige „fertige“ Embryonen für bis zu 2000 Euro pro Stück. Diese wurden teilweise von braun-weiß gefleckten „Leitmüttern“ ausgetragen - nur so konnte Kreuz in ein paar Jahren eine Herde aufbauen.
Erst im vergangenen Jahr 2024 schlachete er zum ersten Mal ein Tier und verkaufte das weltweit begehrte Fleisch ausschließlich per Direktvermarktung direkt vom Hof. Das Interesse war überwältigend: „Ich konnte gar nicht so viel liefern, wie bestellt wurde. 85 Kunden haben Fleisch abgeholt - und weit über 50 Prozent sind danach wiedergekommen.“ Dabei sind die Preise für das Ausnahme-Fleisch beachtlich: Roastbeef kostet 185 Euro pro Kilogramm, Filet sogar 240 Euro/kg. Es gibt aber auch Hackfleisch für 27 Euro/kg oder Gulasch für 30 Euro/kg.
Fotos: Japanische Wagyu-Rinder im Achental




Hohe Preise, aber auch hohe Investitionen
Eine goldene Nase verdient sich Kreuz damit nicht - schließlich schlachtet er derzeit pro Jahr nur vier Rinder. Die Investitionen waren zudem so hoch, dass er sie vielleicht in 20 Jahren wieder hereingeholt haben wird. Als Erfolg betrachtet er die Sache trotzdem schon jetzt: Schließlich hat sich sein außergewöhnliches Angebot über Mund-Propaganda und die Auftritte von „Achental Wagyu“ in den sozialen Medien schnell herumgesprochen. Der prominenteste Kunde erfuhr jedoch bei einer Taxifahrt vom Gourmet-Fleisch.
Sterne-Koch Edip Sigl als bester Kunde
„Mein guter Freund Joschi fährt Taxi auch für das Achental-Ressort. Eines Tages hat er Chefkoch Edip Sigl kutschiert und ihm erzählt, dass es Wagyu-Fleisch direkt vor seiner Haustür gibt“, erzählt Christrian Kreuz. Das gilt sprichwörtlich: Etwa von April bis November grast die Wagyu-Herde ein paar Hundert Meter von der Küche des legendären Gourmet-Restaurants es:senz. Der „Koch des Jahres 2023“ wurde im März 2024 mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Und weil das Wagyu-Fleisch „direkt aus der Region kommt“ und seinen höchsten Ansprüchen genügt, bestellt Edip Sigl jetzt regelmäßig Fleisch bei Christian Kreuz.
Es ist quasi der Ritterschlag für sein verrücktes Projekt mit japanischen Rindern am Alpenrand. Dabei passen die braun-schwarzen Tiere eigentlich perfekt hierher. Sie sind wetterfest und stehen über die Hälfte des Jahres Tag und Nacht auf der Weide. Außerdem sind sie - im Gegensatz zum ansässigen Fleckvieh - extrem freundlich auch zu Touristen. Wer an der Weide vorbeigeht, bekommt Besuch von freundlich schnüffelnden und schleckenden Rindern.
Klassische Musik, Massage und ein Bier
In Japan werden die Gourmet-Tiere ganz speziell gepflegt, damit das Fleisch besonders zart schmeckt. „Sie hören klassische Musik, werden massiert und bekommen am Abend ein Bier, damit sie mehr Hunger bekommen“, erzählt Christian Kreuz mit einem Grinsen. Solch ein Verwöhnprogramm gibt es bei ihm nicht: Im Stall läuft Bayern 1. Und natürlich gibt es ganz viele Streicheleinheiten für die sympathischen Wagyu-Rinder - nicht nur für neugeborene Kälbchen.

