Änderung für ökologische Landwirtschaft
„Dann hören wir definitiv mit Bio auf“: Landwirte aus dem Landkreis Mühldorf zur neuen Weidepflicht
Ab 2026 werden nach aktuellem Stand Bio-Bauern alle ihre Tiere ab dem fünften Monat auf die Weide treiben müssen. Zwei Bauern aus dem Landkreis Mühldorf sprechen darüber, wie sich das auf ihren Hof auswirken wird.
Reichertsheim/Landkreis Mühldorf - Grüne Wiesen, hier und da ein Bauernhof und mitten drin steht der von Anton Wimmer. Gemeinsam mit seiner Mutter betreibt der 36-jährige Reichertsheimer einen zertifizierten Biobetrieb. Er hat 23 Milchkühe, die im Winter in einem offenen Stall stehen. Seit dem Jahr 2013 ist der Hof der Wimmers biozertifiziert, „Für uns ist Bio gesetzt“, so Wimmer.
Die Wimmers mussten sich vor einigen Jahren als kleiner Betrieb entscheiden, ob sie aufgeben oder investieren. „Bio ist für unseren Betrieb der richtige Weg“, gibt der Bauer an. Wenn jetzt ab 2026 die Weidepflicht für Biobetriebe kommt, dann wird sich für den Hof der Familie nichts ändern. Sie haben bereits vor rund 12 Jahren alle Vorgaben eingehalten und nicht auf Ausnahmen gesetzt.
Bereits jetzt können die Milchkühe grundsätzlich immer auf die Weide, „auch nachts“. Zum Melken kommen die Tiere in den Stall und im Anschluss können sie wieder raus auf die Weide oder im Stall bleiben, da sind sie „total frei“.
Die Weide, die direkt an den Stall angrenzt, ist möglich, da es keine Straßen in direkter Nähe gibt. Sie befinden sich mit ihrem Hof in „glücklicher Lage“. Je nach Wetter, wie etwa bei starkem Regen, durch den der Boden aufgeweicht wird, müssten die Tiere im Stall bleiben „des is aber ganz soiten“, erklärt Wimmer. Den Rest der Zeit können sie Tag und Nacht auf die Weide.
Wimmer selbst kennt aber auch Landwirte, die zum Teil seit Jahren oder Jahrzehnten Biobetrieb sind, nun aber „jetzt vor einem riesen Problem“ stehen. Denn es gebe auch Betriebe, die aufgrund ihrer Ortslage, wie etwa in einem Dorf, ihre Tiere nicht auf die Weide bringen können.
Landwirte, unter anderem in Ortschaften, stehen vor Problemen
Solche Betriebe kennt auch Dr. Bernhard Hübner. Er sagt, dass die betroffenen Landwirte die Tiere durch den Ort treiben müssten, „was aber praktisch ned geht“. Hübner ist Bereichsleiter Landwirtschaft beim Landwirtschaftsamt und kennt einige Landwirte in den Landkreisen Mühldorf und Altötting, die seit Jahren oder gar Jahrzehnten ökologische Landwirtschaft betreiben. Diese Betriebe aber „können die Tiere nicht durch die Ortschaft treiben“. Laut Hübner ist das aber „eher ein kleiner Teil“.
Einer davon ist Josef Heindl aus Kirchdorf bei Haag. 2010 hat der 47-Jährige den Betrieb übernommen, der bereits seit 1994 Bio ist. Gemeinsam mit seiner Frau und dem Vater führt er den Hof und hat vier Kinder.
Jetzt wird die Familie wieder auf konventionelle Landwirtschaft umstellen müssen, wenn die Weidepflicht so kommt, wie angekündigt. Nämlich, dass alle Tiere ab dem fünften Monate auf die Weide müssen. Laut Heindl seien die Jungtiere ab dem fünften Monat aber „noch nicht so stabil“, um auf die Weide zu können. Sie könnten sich leicht Parasiten einfangen.
Die Familie müsste aus Ackerflächen, die rund um den Hof sind, Weideflächen machen. „Ois raus, des geht ned” sagt Heindl. Insgesamt haben sie rund 48 Hektar Fläche, wobei 22 Hektar Ackerfläche und 26 Hektar Grünland sind.
Joggingweide als Option
Sie könnten sich vorstellen, einen Teil der Tiere, also die rund 50 Milchkühe sowie einige Jungtiere auf eine Kleegrasweide zu stellen. Dafür müsste er aber zunächst eine Ackerfläche umfunktionieren. Das wäre dann eine sogenannte Joggingweide.
Eine Weide für alle Tiere, die die Familie auf dem Hof hat, das sind rund 50 Milchkühe und die Nachzucht, würde theoretisch funktionieren, doch die Familie hat sich dagegen entschieden. Wenn die Pflicht so kommt, dass alle Tiere ab dem fünften Monat rausmüssen, „dann hören wir definitiv mit Bio auf“. „Wir wollten uns nicht noch mehr unter Druck setzen lassen.“
Zusätzliche Kosten mit Weidepflicht
Warum sie sich gegen die Weidehaltung entscheiden werden, sind die Faktoren Stress, Aufwand und Geld, sagt Heindl. Sie müssten pro Tag mindestens eine Stunde mehr an Arbeit einplanen, nur um die Tiere auf die Weide und wieder zurückzutreiben. Sie müssten Wege sauberzumachen und einen neuen Weidezaun bauen. Das käme sehr teuer. Er sagt: „Des freie Denken, des freie Handeln, was den Bauern ausgemacht hat, geht verloren.”
Doch selbst wenn sie auf konventionelle Landwirtschaft umstellen, will Heindl „so viel ökologisch wirtschaften, wie‘s geht“. Die Fütterung wird aber wohl konventionell werden, weil es billiger ist
Bislang galt man auch als Biobetrieb, wenn die Tiere genügend Auslauf im Stall oder auf der Weide haben und sie jeden Tag mit frisch gemähtem Gras versorgt sind, sagt Hübner, der Bereichsleiter Landwirtschaft. Als Voraussetzung für eine Weide führt Hübner an, dass dort Gras stehen muss und sich die Tiere im Wesentlichen dort ernähren können. „Die Europäische Kommission hat in einem Pilotverfahren gegen Deutschland klargestellt, dass Pflanzenfresser immer Zugang zu Weideland haben müssen, wenn der Betrieb als Ökobetrieb geführt werden soll. Dies gilt unter anderem für Rinder, Schafe und Ziegen während der Weidezeit. Der Weidezugang darf nur aus vorübergehenden Gründen eingeschränkt werden. Das kann der Zustand des Bodens, die Witterung, die jahreszeitlichen Bedingungen oder eine behördliche Anordnung zum Seuchenschutz sein“, heißt es wörtlich in einer Mitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus. In allen anderen Fällen müssen sie auf der Weide stehen.


