OVB vor Ort: Grenzübergang in Kiefersfelden
Viele im Reisebus: Tausende illegale Einreisen in der Region verhindert – so geht die Polizei vor
Für Grenz-Pendler sind die Kontrollen der Polizei in Kiefersfelden inzwischen Alltag. Bei den Beamten sieht das anders aus. Wir haben die Polizei vor Ort begleitet: Wie die Arbeit an der Grenzstation wirklich abläuft – und wie viele Menschen in der Region täglich versuchen, illegal einzureisen.
Rosenheim/Kiefersfelden – Es ist Dienstag, 9 Uhr morgens, und die meisten Pendler haben es schon in die Arbeit geschafft. Am Grenzübergang Kiefersfelden herrscht dennoch reges Treiben. Im Sekundentakt fahren Autos und Lkw an den Polizeibeamten vorbei. Manche Fahrer halten bereits ihren Ausweis an die Fensterscheibe. Und innerhalb dieser wenigen Sekunden entscheiden die Beamten, ob der Fahrer die Grenze nach Deutschland direkt überschreiten darf. Wenn nicht, wird die Kelle gezückt. Dann gibt es eine genauere Kontrolle.
Grenzkontrollen: So wird entschieden, wer rausgezogen wird
„Es hängt von verschiedenen Faktoren ab, wer rausgezogen wird“, erklärt Rainer Scharf, Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion Rosenheim neben dem Kontrollhäuschen auf der Autobahn. „Es ist nicht nur das Kennzeichen. Auch das Auto spielt eine Rolle, ob die Scheiben verdunkelt sind und wie sich der Fahrer beim Zufahren auf die Kontrollstelle verhält“, sagt Scharf. Es sei die Summe der Faktoren, die letztlich entscheidend ist. Das Ziel der Kontrollen: Unerlaubte Einreisen verhindern.
3300 illegale Einreisen im vergangenen Jahr
Und dass das in vielen Fällen funktioniert, zeigen die offiziellen Zahlen der Bundespolizeiinspektion Rosenheim. In ihrem Zuständigkeitsbereich zwischen Chiemsee und Rosenheim haben die Rosenheimer Beamten im Jahr 2024 insgesamt 3300 unerlaubte Einreisen und Einreiseversuche festgestellt. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl damit um etwa 30 Prozent zurückgegangen. Allerdings werden immer noch täglich zehn Personen ohne die erforderlichen Dokumente an der Einreise gehindert. 2024 stammten die meisten Migranten aus Syrien. Insgesamt war jede fünfte Person, die versucht hat, illegal einzureisen aus diesem Land. Zehn Prozent der Migranten stammten aus der Türkei, sieben aus der Ukraine und fünf aus Nigeria.
Grenzkontrollen seit 2015: Warum fahren Schleuser noch über die Autobahn?
Immer wieder machen diese Fälle auch Schlagzeilen. Besonders dann, wenn die Polizisten an der Grenze eine Schleuserbande erwischen. Fälle, die auch für Verwunderung sorgen. Immerhin bestehen die Grenzkontrollen bereits sei 2015. So langsam müsste sich doch bis zu jedem Schleuser durchgesprochen haben, dass auf der Autobahn bei Kiefersfelden kontrolliert wird? Doch Scharf hat dafür eine Erklärung: „Schleuser sind Menschen, die schnell Geld machen wollen. Meist haben sie auch keine Ortskenntnisse und fahren einfach nach Navi.“ Und dieses würde nunmal meist die Autobahn als schnellste Route anzeigen.
„Ein Schleuser weiß in der Regel nicht, dass er zum Beispiel auch über Sachrang fahren könnte“, ergänzt Scharf. Und selbst wenn: Die Bundespolizei hat auch die Nebenverkehrsstrecken im Auge. Denn während an der offiziellen Grenzstation etwa 30 Polizisten bereitstehen, sind zusätzliche Kräfte als Schleierfahnder im Hinterland unterwegs.
Reisebusse sind Haupt-Verkehrsmittel der Migranten
Nach und nach fahren die verschiedensten Autos langsam durch die Kontrollstelle. Bei den Kennzeichen ist von Italien bis Holland einiges dabei. Wer rausgewunken wird, muss rechts abbiegen und ins Kontrollzelt. Doch was, wenn sich jemand nicht an die Aufforderung hält und einfach davonrast? Das passiert „in wenigen Einzelfällen“, sagt Scharf. Doch auch darauf sind die Grenzpolizisten vorbereitet. Ein Einsatzfahrzeug steht jederzeit abfahrbereit, um die Ausreißer zu stoppen. Zudem könnten auch Streifen anderer Dienststellen bei der Verfolgung mithelfen. „Meistens erwischen wir sie nach wenigen Kilometern“, berichtet der Sprecher.
Doch es sind nicht nur die Pkw, bei denen die Polizisten genau hinschauen. Besonders im Visier der Beamten sind auch Reisebusse. Warum zeigen die Zahlen: 45 Prozent der wegen versuchter unerlaubter Einreise angezeigten Migranten waren 2024 in Reisebussen unterwegs. Im Vorjahr waren es noch 30 Prozent. „Die Reisen aus den Heimatländern sind von den Schleusern oft etappenweise durchorganisiert“, erklärt Scharf als gerade ein Reisebus die Kontrolle durchquert. Besonders die Linienbusse wären eine günstige Methode, um die Migranten von A nach B zu bringen.
„Das ist menschenverachtend“
„In manchen Fällen werden die Personen dann in München wieder eingesammelt. Teils werden auch unterwegs die Preise für die Schleusung erhöht. Dann müssen die Migranten ihre Schulden abarbeiten, sofern sie diese nicht bezahlen können“, sagt Scharf. Die „Arbeiten“ bewegen sich dann in der Regel auch im illegalen Milieu – also Prostitution, Beschaffungskriminalität, Menschenhandel. „Es werden Unsummen verlangt für diese Schleusungen. Das ist menschenverachtend“, betont der Sprecher.
Etwa jeden vierten Tag hat die Bundespolizeiinspektion Rosenheim 2024 einen mutmaßlichen Schleuser festgenommen. 90 Personen wurden wegen dieses Delikts angezeigt. Im Vorjahr waren es noch 160. Aber: „Die rückläufigen Zahlen im Bereich der Schleusungskriminalität und irregulären Migration sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rosenheimer Bundespolizei im zurückliegenden Jahr durchgängig gefordert war“, betont Stefan Kurth, Leiter der Bundespolizeiinspektion Rosenheim. „Auch 2024 sind wir immer wieder mit skrupellosen Schleusern konfrontiert gewesen. Die unterbundenen Schleusungen, die zum Teil unter lebensgefährdenden oder unmenschlichen Bedingungen durchgeführt wurden, belegen die Notwendigkeit der Kontrollen unmittelbar an der Grenze sowie einer engmaschigen Fahndung im deutsch-österreichischen Grenzgebiet“, erklärt Kurth.
60 Prozent der illegal Eingereisten zurückgewiesen
Wer bei der unerlaubten Einreise erwischt wird, ist selten überrascht, erklärt Scharf. Nur in Einzelfällen würden die Personen Widerstand leisten. „Wessen Einreisegrund nicht auf Schutz und Asyl hindeutet, der wird nach eingehender Prüfung zurückgewiesen“, erklärt Scharf. Die Personen müssten allerdings nicht an der Autobahn entlang zurück nach Österreich laufen. Zur Prüfung geht es ohnehin vorerst auf die Dienststelle. Von dort aus wird dann – teils auch mittels Dolmetscher – überprüft, ob die Person zurückgewiesen wird. Ist das der Fall, geht es entweder per Zug, Auto oder Bus in ein anderes Land. In welches, ist vom Einzelfall abhängig. Rund 60 Prozent der illegal Eingereisten wurden 2024 zurückgewiesen. 2023 waren es noch 50 Prozent.
Doch es sind nicht nur unerlaubte Einreisen, mit denen sich die Bundespolizei in der Region beschäftigt. Auch Urkundendelikte (rund 210 Fälle), Betäubungsmitteldelikte (etwa 290 Fälle) und Haftbefehle (etwa 370 Fälle) gehörten zum Tagesgeschäft an der Grenze. Bei der genaueren Kontrolle der Personen, Autos und Lkw müssen die Beamten stets konzentriert sein, betont Scharf. „Neben den Fahrzeugpapieren wird auch das Auto auf mögliche Drogen, Waffen und gefälschte Urkunden kontrolliert“, erklärt der Beamte. „Dabei ist immer Vorsicht geboten. Wir hatten den Fall zwar glücklicherweise noch nie, aber man weiß nie, was jemand aus dem Handschuhfach zieht.“ An der Station der Grenzpolizei in Kiefersfelden wird schnell klar: Es handelt sich um deutlich mehr als an der Autobahn stehen und die Polizeikelle raushalten.


