Landwirtschaft dominiert Familienbetrieb
Auch Erben will gelernt sein: Wie Ludwig von Cramer-Klett zum Aschauer „Baron“ wurde
Die Familie Cramer-Klett ist der größte Grund- und Waldbesitzer der Region – mit viel extensiver Almwirtschaft. Sohn Ludwig trat das Erbe mitten in der Corona-Pandemie an. Das war nicht einfach. Ludwig Freiherr von Cramer-Klett über seine große Verantwortung und was ihm Stärke verleiht.
Aschau im Chiemgau – Da unterscheiden sich Adel und Landwirt nicht: Der Älteste erbt. Den Besitz und die Verantwortung. „Und wenn Du die Verantwortung hast, dann musst Du sie auch übernehmen“, sagt der 46-jährige Ludwig von Cramer-Klett.
Schule, Studium, gut bezahlter Job in der Finanzwelt, später unter anderem zwei Lokale in Berlin. „Ich habe hart gearbeitet, um mich von diesem Betrieb finanziell unabhängig zu machen“, sagt Cramer-Klett. „Dieser Betrieb“ ist der Familienbetrieb im Priental. Die Familie Cramer-Klett ist der größte Grund- und Waldbesitzer weit und breit, verfügt allein über rund 1.500 Hektar Natur- und Schutzwald.
Rechte zum Teil aus dem Mittelalter
Die finanzielle Unabhängigkeit war und ist ihm wichtig. Als Ludwig von Cramer-Klett acht Jahre alt war, nahm ihn seine Mutter beiseite und sagte „Du, das könnte auch alles ganz schnell weg sein.“ Da hatte sein Vater Rasso gerade übernommen und die etwas ungeordnete Situation machte der Familie Angst. Wie schwer es ist, einen auf Grundbesitz basierenden Betrieb erfolgreich zu führen, erlebte die Familie in den folgenden Jahren und Jahrzehnten. „Land- und Forstwirtschaft unterliegen nun mal ziemlichen Schwankungen“, so Cramer-Klett. Wenn dann 70 Prozent der Landwirtschaft extensive Almwirtschaft ist – in ungezählten Rechtsformen und mit ungezählten Rechten, zum Teil aus dem 14. und 15. Jahrhundert – und die Hälfte des Waldes nicht zu bewirtschaften, wird es nicht einfacher.
„Wollte ein System, das es mir erlaubt, in Aschau und Berlin aktiv zu sein“
Im Alleingang ist es schon gar nicht zu machen. Ein Dutzend Frauen und Männer kümmern sich um Verwaltungsaufgaben, um Immobilien- und Bauangelegenheiten, um die Gastronomien in Berlin und auf der Hochries, um Land- und Forstwirtschaft und die Jagd. Dazu kommen noch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den gastronomischen Betrieben. Ludwig von Cramer-Klett trat das Erbe mitten in der Corona-Pandemie, im Januar 2021, an. Der Kontakt zu den Leitern der verschiedenen Bereiche funktionierte da am besten über Video-Konferenzen. Das hat sich bewährt, also blieb es dabei.
„Ich brauchte und wollte ein System, das es mir erlaubt, in Aschau und Berlin aktiv zu sein“, erklärt Cramer-Klett. Das System funktioniert, bestätigt Sepp Rinner, für die Land- und Forstwirtschaft, sowie die Jagd zuständig. „Die Zusammenarbeit mit den anderen Bereichen läuft gut, die Verzahnung passt“, sagt Rinner.
Gleichgesinnte gesucht und vorgefunden
Auch menschlich. Cramer-Kletts großes Thema ist die Nachhaltigkeit. Er sieht seinen Betrieb als privat verwaltetes Naturschutzgebiet, in dem es darum geht, die Interessen aller Pflanzen und Lebewesen im Gleichgewicht zu halten. Schon seine Lokale in Berlin verarbeiteten nur regionale Bioprodukte, als dies längst nicht so üblich war, wie heute. Und ein Waldbesitzer muss sowieso in Jahrzehnten denken. Mit der Priental-Stiftung gab er dem ganzen eine Form. Als Cramer-Klett übernahm, hat er einige Gleichgesinnte schon vorgefunden – wie Sepp Rinner – und sich andere gesucht. Wie Max Müller.
Den gebürtigen Laufener lernte er in Berlin kennen. Jetzt ist Müller nicht nur Küchenchef auf der Frasdorfer Hütte, sondern erledigt auch den gesamten Einkauf. Fährt lange vor Dienstbeginn zum Gärtner und zum Fischer. „Wenn ich regionale Bioprodukte verarbeiten will, kann ich doch beim Fischer nicht einfach 20 Kilo Hecht bestellen. Da muss ich doch schauen, was er gefangen hat und mich danach richten“, verdeutlicht Müller seine – und Cramer-Kletts – Philosophie.
Anders als in der Industrie
Rinner schmunzelt, als er seinem Kollegen zuhört. „Wir stecken hier Herzblut rein“, sagt er, „Arbeit und Freizeit verschmelzen. Das ist in diesem Betrieb eben anders als in der Industrie.“ „Die sind alle mit dem Herzen dabei. Und das macht es für mich auch schön“, sagt Cramer-Klett. Es hält ihm auch den Rücken frei, lässt ihm Zeit – vor allem für die zehnjährige fußballverrückte Tochter. „Aber ich freue mich auch immer, die zu sehen“, sagt er und grinst Rinner und Müller an. Die grinsen zurück.
Der Betrieb muss laufen. Denn er verursacht auch immense Kosten. Sanierung und Umbau der Frasdorfer Hütte, die baulich in keinem guten Zustand war und wo jeglicher Brandschutz fehlte, kosteten 1,7 Millionen Euro. „Mit Geldmacherei hat das nichts zu tun...“ kommentiert Cramer-Klett. Jetzt muss die Straße, die an der Hütte vorbeiführt, repariert werden. Die Hälfte, einen mittleren fünfstelligen Betrag, zahlt Cramer-Klett – obwohl es noch 44 Berechtigte gibt, die die Straße nutzen dürfen.
Wenn das Jubelpaar den Aufstieg nicht schafft
Dass es Cramer-Klett wenig erheitert, wenn der Verkehr auf der Straße nur der Frasdorfer Hütte und dem angebotenen Shuttle-Dienst zugeschrieben wird, ist nachvollziehbar. „Ja, wir bieten einen Fahrdienst an, versuchen aber immer, die Leute zum Laufen zu animieren“, erklärt er. Wenn aber bei einer Goldenen Hochzeit das Jubel-Paar den Aufstieg nicht mehr schafft oder ein Mensch, der in seiner Mobilität eingeschränkt ist, unter den Gästen ist oder in anderen Ausnahmesituationen, dann wird gefahren. Im Schnitt alle zwei Tage einmal, hat Cramer-Klett anhand der Unterlagen festgestellt.
„Aschau ist meine Heimat“
Dieses öffentliche Interesse an seiner Person, an seinem Tun, das findet Ludwig von Cramer-Klett manchmal stressig. Damit umzugehen, müsse er noch lernen, gibt er zu. Was hilft: Die Freunde und Bekannten aus Kinder- und Jugendtagen, die ihm den Rücken stärken. „Ja, ich habe lange in Berlin gelebt, pendele immer noch. Aber verwurzelt bin ich in Aschau. Hier ist meine Heimat.“
Das sehen seine Geschwister genauso. Der Bruder lebt in Kapstadt, die eine Schwester in Venezuela, die andere in München. „Die beiden Exoten sind für den Sommer eingeflogen“, freut sich der große Bruder. Denn das Gleichgewicht unter den Geschwistern ist längst wieder hergestellt. Obwohl es alle vier seit Kindesbeinen wussten, mussten sie sich zurechtruckeln, als Ludwig nach dem Tod des Vaters „Familienoberhaupt“ wurde. „Der Baron“ wurde.
Schirmherr für das Gautrachtenfest
Es gab und gibt Situation, wo Ludwig von Cramer-Klett klar wird, dass er nicht nur die Verantwortung für den Familienbetrieb übernommen hat, sondern auch gesellschaftliche Verantwortung. Weil die Rolle des Barons sich in Generationen bemisst, nicht in Jahren. „Das musste ich erstmal verarbeiten.“ Hat er: „Der Baron“ wurde gebeten, die Schirmherrschaft für das Gautrachtenfest 2024 zu übernehmen. Und nahm an.
Meditation hat ihn vor Burnout bewahrt
Tod der Großmutter, Tod des Vaters, in die Brüche gehende Ehe, Corona und geschlossene Lokale – „und dann wollen alle auf einmal was von Dir und Du weißt gar nicht, wie‘s läuft und wo dir der Kopf steht“, denkt Cramer-Klett an die Zeit vor zweieinhalb Jahren zurück. Da sei er kurz vor dem Burnout gewesen. Die seit Langem zu seinem Leben gehörende Meditation habe ihn davor bewahrt. Und heute? „Bin ich extrem glücklich mit dem, wie es jetzt ist“, sagt Ludwig Freiherr von Cramer-Klett, streckt die langen Beine aus und lacht.