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Freude und Ärger

„Schnapsidee“ oder „Gewinn für die Altstadt“? Warum der Wasserburger Busversuch spaltet

Es ist eng am Marienplatz, wenn der Stadtbus hält. Annemarie Zott (links) und Angelika Dörling aus dem Burgerfeld sind trotzdem sehr froh, dass es die Haltestelle gibt. Die Meinungen über Sinn und Unsinn gehen jedoch weit auseinander. Auch Bernd Meerstein (rechts oben), Stadtführerin Irene Kristen-Deliano und Feuerwehrkommandant Timo Paul sind unterschiedlicher Ansicht.
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Es ist eng am Marienplatz, wenn der Stadtbus hält. Annemarie Zott (links) und Angelika Dörling aus dem Burgerfeld sind trotzdem sehr froh, dass es die Haltestelle gibt. Die Meinungen über Sinn und Unsinn gehen jedoch weit auseinander. Auch Bernd Meerstein (rechts oben), Stadtführerin Irene Kristen-Deliano und Feuerwehrkommandant Timo Paul sind unterschiedlicher Ansicht.

Die einen freuen sich, dass der Stadtbus nun vor dem Rathaus hält, die anderen ärgern sich genau darüber. Kurz vor der Entscheidung, was aus dem Verkehrsversuch am Wasserburger Marienplatz wird, machen die Gegner jetzt mobil. So ist die Stimmung bei Befürwortern und Kritikern.

Wasserburg – „Das ist doch eine Schnapsidee“, sagt eine Bürgerin, die gemeinsam mit zwei weiteren Frauen Unterschriftenlisten gegen die versuchsweise eingerichteten Bushaltestellen am Marienplatz und am Heisererplatz ausgelegt hat. Sie will ebenso wie ihre Mitstreiterinnen anonym bleiben, aus Sorge, als Person in den Fokus zu rücken. Denn es gehe ihr um die Sache, sagt sie. Die Bushaltestelle am Marienplatz, seit Juli auf Probe im Angebot, sorge für Staus und damit für Lärm und Abgase.

Bei gutem Wetter würden die Gäste der Cafés quasi in den Auspuffgasen sitzen. Krankenwagen, Feuerwehr, Polizei und Lieferdienste würden behindert. Die auf der Straße haltenden Busse seien außerdem eine Gefahr, vor allem für Fußgänger, die den Marienplatz queren wollten.

Diese Argumente führt die Initiative auch in den Unterschriftenlisten auf. Diese würden ihnen aus der Hand gerissen, sagt eine der drei Initiatorinnen. Zahlreiche Läden in der Altstadt – unter anderem die Backstube Deliano in der Hofstatt, das Innkaufhaus, der Stechl-Keller, der Kramerladen, die Buchhandlung Herzog, Pfeiffer am Rathaus, Schuh Sax, der Bohnenröster Rechenauer, die Apotheken in der Ledererzeile und am Marienplatz – hätten sich sofort bereit erklärt, die Zettel auszulegen. Ziel sei es, bis zur Stadtratssitzung am Donnerstag, 21. Dezember, den Widerstand aus der Bevölkerung nachweisen zu können.

Entscheidung fällt am 21. Dezember

In der letzten Sitzung des Jahres fällt die Entscheidung über den Verkehrsversuch, beantragt von SPD und Grünen als Folge einer Verkehrsklausur. Der Beschluss war noch einmal verschoben worden, weil das begleitende Fachbüro die notwendigen Daten über Erfolg oder Misserfolg noch nicht komplett ausgewertet hatte. Am 21. Dezember sollen die Fakten vorliegen, Basis für die Entscheidung im Stadtrat. Er kann beschließen, dass die provisorischen Haltestellen wieder abgebaut werden oder dass sie bleiben, also verbindlich installiert werden.

Vielen Wasserburgern sei gar nicht bewusst, dass aus dem Experiment eine Dauerlösung werden könne, sagen die drei Wasserburgerinnen, die die Unterschriftenaktion gestartet haben. Oft würden Bürger mit dem Hinweis reagieren: „Das kommt doch wieder weg.“ Die Gegnerinnen sehen jedoch die Gefahr, dass genau das Gegenteil der Fall sein könnte: dass die Haltestellen bleiben.

Sie kritisieren auch die von ihnen angenommene Vorgehensweise bei der Datenermittlung für die Entscheidung im Stadtrat. Die Unterschriftensammlerinnen gehen davon aus, dass vor allem die Fahrgäste befragt würden, also jene Menschen, die den Bus und die Haltestelle nutzen und nicht diejenigen, die sich an der Lösung stören würden. „Alle Bürger sollten in diesem Fall eine Stimme haben“, finden sie. Mit der Unterschriftenaktion werde diesen Personen ein Podium gegeben.

Verkehrszählungen vorher und nachher

Andreas Hiebl, bei der Stadtverwaltung zuständig für den Stadtverkehr, erklärt auf Anfrage jedoch, dass es keine Umfragen gegeben habe, sondern Verkehrszählungen und Filmaufnahmen – vor und während des Verkehrsversuchs. Die Fachleute hätten ermittelt, wann es wo und wie lange zu Rückstaus gekommen sei, auch hierfür würden Vergleichszahlen vorliegen. Zu den Ergebnissen machte Hiebl noch keine Aussagen, sie werden am Donnerstag, 21. Dezember, im Stadtrat vorgestellt.

Timo Paul ist der Kommandant der Wasserburger Feuerwehr.

Zum Argument der Gegner, die zusätzlichen Bushaltestellen würden die Rettungswege blockieren, betont Wasserburgs Feuerwehrkommandant Timo Paul auf Nachfrage der Redaktion, die Einsatzkräfte hätten dazu noch keine Erfahrungswerte und Referenzberichte gesammelt. Grundsätzlich stehe fest, dass das Halten des Busses mit Ein- und Aussteigen der Gäste gefühlt nur wenig Zeit beanspruche, in der der Verkehr dahinter stoppen müsse. Angesichts der Hilfsfrist von zwölf Minuten, in der die Feuerwehr den Einsatzort erreichen sollte, komme es jedoch auf jede einzelne Minute an. Eine kleine Verzögerung mache da schon viel aus. Paul weist auch darauf hin, dass nicht nur Feuerwehrfahrzeuge warten müssten, sondern auch Einsatzkräfte, die in Zivil über den Marienplatz das Gerätehaus ansteuern würden.

Die Initiatoren der Unterschriftenaktion führen auch die Optik ins Felde. „Der schönste Punkt in der Stadt, vor dem Rathaus, wird durch die Haltestellen zum dreckigsten, lautesten und gefährlichsten Verkehrsknoten.“ Ein stehender Bus vor dem Rathaus sei eher ein Schandfleck. 50 Meter weiter gebe es die bisherige Haltestelle an der Max-Emanuel-Kapelle am Gries, das müsse doch ausreichen.

Irene Kristen-Deliano ist seit 38 Jahren Stadtführerin in Wasserburg.

So sieht das auch eine Gruppe aus Stadtführern. Irene Kristen-Deliano, seit 38 Jahren in dieser Funktion tätig, bestätigt, dass die Gruppe die Gegen-Argumente in zwei Briefen an die Stadt vorgetragen habe. Sie weiß zu würdigen, dass Stadtbaumeisterin Mechtild Herrmann die Stadtführer angehört hat. Kristen-Deliano verweist darauf, dass der Platz am Rathaus von Natur aus schon „sehr quirlig“ sei. Hier wäre es eher angebracht, zu entschleunigen, als noch eine weitere Nutzung wie eine Haltestelle hinzuzufügen. Der Platz sei ohnehin schon begrenzt durch die Motorradstellplätze und die Cafétische. Wenn sich hier eine Hochzeitsgesellschaft versammle, müssten die Stadtführer auf die Seite unter den Arkaden ausweichen. „Dort schiebt sich uns dann der Stadtbus in den Blick“, die Sicht auf das Wohnzimmer der Altstadt, den Marienplatz, sei beeinträchtigt. Etwa ein Drittel der Zeit einer Führung spiele sich jedoch in diesem Bereich ab.

„Trara um jedes Kunststoff-Fenster“

„Oft geht es bei uns in Wasserburg um den hochgelobten Ensembleschutz der Altstadt. Da wird um jedes Kunststofffenster, das private Bauherren errichten wollen, ein Trara gemacht. Warum gilt dieses Bewusstsein nicht für die Bushaltestellen?“, fragt Kristen-Deliano. Wasserburg lebe vom Städte- und Tagestourismus, die Stadt könne sich optische Problemstellen nicht leisten, ebenso wenig wie die Verschärfung von Nadelöhren wie jene an der Tränkgasse. „Die Leute eilen wie die verschreckten Hasen vor und hinter dem Bus über den Marienplatz“, sieht Kristen-Deliano auch Gefahren für die Sicherheit.

Bernd Meerstein ist begeisterter E-Bike-Fahrer und Altstadtbahn-Fan – ein Zwiespalt.

Bernd Meerstein, erklärter Verfechter des öffentlichen Personennahverkehrs (Pro Bahn) und leidenschaftlicher Radler, ist dagegen ein großer Fan der Haltestellen, wie er auf Anfrage mitteilt. Denn vor dem Verkehrsversuch habe der Stadtbus am Max-Emmanuel-Platz vor einem stillgelegten Brauereigebäude gehalten, der erste Eindruck von der historischen Altstadt sei beispielsweise für Touristen nicht gerade verlockend. Deshalb sei es wichtig, einen Ausstieg in der attraktiven Stadtmitte zu ermöglichen. Hier sei eine bessere Atmosphäre zu spüren als nahe dem großen Parkplatz am Gries. Das Warten auf den Bus gestalte sich angenehmer: „Man triff Bekannte, genehmigt sich vielleicht noch einen schnellen Kaffee“, meint er.

Was sind die Gründe für Staus?

Die Haltestelle am Marienplatz ist für Meerstein deshalb „ein Gewinn“ für die Stadt, auch, weil sie die Wege für Menschen mit Beeinträchtigungen beim Gehen deutlich verkürze. Das oft genannte Stau-Chaos habe er noch nicht feststellen können, schließlich halte der Stadtbus nur kurz. Komme es zur Verkehrsbeeinträchtigung, sei dies eher eine Folge der vielen haltenden Lieferanten. Für ihn sei ein kundenorientierter Bus-Service unerlässlich für die Attraktivität einer Einkaufsstadt. Diese dürfe sich nicht länger auf den Erhalt von Parkplätzen und möglichst flüssigen Autoverkehr fixieren, findet der Sprecher der Pro-Bahn-Ortsgruppe Wasserburg.

Es ist eng am Marienplatz, wenn der Stadtbus hält. Annemarie Zott (links) und Angelika Dörling aus dem Burgerfeld sind froh, dass es die Haltestelle gibt.

Und was sagen die Nutzer der neuen Bushaltestellen? Annemarie Zott aus dem Burgerfeld hofft, dass der Standort Marienplatz vor dem Rathaus bleibt. „Das ist ideal für mich“, sagt die Seniorin, „mir taugt`s. Und da bin ich nicht die einzige, die so denkt.“ Sie steige am perfekten Standort aus und ein, habe es nicht weit, um ihre Erledigungen in den Geschäften oder Arztbesuche zu machen. Dass es am Marienplatz zu Staus komme, liegt in ihren Augen nicht an den beiden Haltestellen, sondern an der Enge der Straße und den vielen am Rand haltenden Lieferwagen für Gastro und Geschäfte. Dass es mal stockt, findet sie außerdem nicht schlimm, „das ist im Stadtzentrum halt so, da müssen wir uns gedulden.“Angelika Dörling teilt ihre Meinung. Auch sie kommt aus dem Burgerfeld und steigt gerne am Rathaus aus und ein. „Jetzt kann ich die Altstadtgeschäfte viel leichter erreichen. Ich hoffe sehr, dass die Haltestellen bleiben.“

Awo-Senioren: „Bitte lassen Sie die Bushaltestellen vor dem Rathaus“

Diese Hoffnung teilt auch die Leiterin der Seniorengruppe bei der Awo, Anne von Loewenfeld. „Menschen, die Probleme beim Gehen haben (Rollator, Stock, schmerzende Beinen) sind sehr froh um die beiden Haltestellen (beide Richtungen), die sie problemlos zum Rathaus mit seinen vielen Beratungsangeboten und Dienststellen bringen. Der Weg vom Gries ist für viele schon viel zu weiter. Darum: Bitte lassen Sie die Bushaltestellen vor dem Rathaus!“

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