Emotionsgeladene Bürgerversammlung zum geplanten Asylheim
Flüchtlinge im Soyener „Haus am See“ - Landrat in der Schusslinie: „Was tun Sie für uns?“
Es ist das vorherrschende Thema in Soyen: die geplante Unterbringung von Flüchtlingen im ehemaligen Hotel „Haus am See“. Auf der Bürgerversammlung entluden sich die Emotionen. Landrat Otto Lederer erntete heftige Kritik, aber auch verständnisvolle Worte.
Soyen - Schutz für geflüchtete Familien - oder alleinstehende junge Männer? Diese Frage trieb die Soyener am Abend des 16. Novembers bei der Bürgerversammlung in der Turnhalle der Grundschule um.
Geplante Asylunterkunft am Soyener See
„Im Idealfall sollen Familien aus den Containeranlagen in die neue Unterkunft ziehen“, betont Landrat Otto Lederer. Schwarz auf weiß aber könne er das aktuell den Soyenern aber nicht geben.
Als Landrat sei er weisungsbefugt, müsse im Landkreis nach Objekten Ausschau halten, die sich für Asylunterkünfte eignen könnten. Das „Haus am See“ sei im Internet zum ortsüblichen Mietpreis inseriert gewesen. So stieß die Behörde auf das Objekt.
Rufe nach „Demokratie“ werden laut
Im Juli wurde der erste Mietvertrag unterzeichnet. Es folgte eine Änderung, der neue Mietvertrag trägt das Datum vom September diesen Jahres: Mit einer Laufzeit von siebeneinhalb Jahren ab Einzug sollen die Zimmer des ehemaligen Hotels „Haus am See“ künftig als Asylunterkunft dienen.
Pläne, die das Dorf spalten: Vor allem die Tatsache, dass die Mietverträge bereits unterzeichnet waren, bevor Gemeinde und Bürger informiert wurden, stößt manchen sauer auf: „Demokratie“ hallte es durch die Turnhalle. „Herr Landrat, was tun Sie für uns?“ wollte ein Soyener von Otto Lederer direkt wissen.
„Müssen es so viele sein?“
Skepsis und Ängste herrschen in erster Linie bei Familie Kern aus der Alleestraße vor. Michaela Kern hat mit viel Herzblut und Fleiß Ferienwohnungen neben ihrem Elternhaus aufgebaut. Die befinden sich keine fünf Meter vom „Haus am See“ entfernt. Die 23-Jährige fürchtet nun um ihre Existenz und ihr Lebenswerk.
Sie empfinde es als „schade, was mit uns gemacht wird“. Ihre Mutter pflichtete emotionsgeladen bei: „Wir sind Zaun an Zaun - keiner hat uns gefragt, ob wir das möchten. Wir haben nichts gegen Flüchtlinge, aber müssen es so viele sein?“
Mit dieser Frage spielte sie an die bereits seit Jahren bestehende Containeranlage in Soyen an - ausgelegt für 48 Personen. Mit der neuen Unterkunft im „Haus am See“ könnten es mit einem Schlag 80 Asylsuchende mehr werden.
„Wut nicht an Asylsuchenden auslassen“
Der Landrat, nach den Vorwürfen sichtlich bemüht, die Contenance zu wahren, betonte, er könne Sorgen und Ängste der Bürger durchaus nachvollziehen. Auch Lederer sei „ganz und gar nicht zufrieden“ mit der Asylpolitik: „Meiner Meinung nach muss die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen, um die Zahl derer, die zu uns kommen, zu beschränken.“
Die hohe Zahl an Geflüchteten mache es schwierig, sie gerecht und adäquat unterzubringen. Turnhallen müssten eine Notlösung bleiben: „Wir haben die Aufgabe, zu helfen - daher bitte ich Sie eindringlich, Ihre Wut nicht an den Asylsuchenden auszulassen. Vielleicht sind viele Ihrer Ängste unbegründet.“
„Entsetzt, enttäuscht und erschüttert“ von Mitbürgern
Ein Appell, den auch der Helferkreis Asyl in Soyen unterschreibt. Integrationsbeauftragte Afra Zantner betonte, sie könne verstehen, dass das, was auf der Seeseite geschehe, für Anwohner rund um die Kerns „unheimlich“ erscheinen mag.
Andererseits seien die Flüchtlinge, die vor fünf, sechs Jahren in die Gemeinde gekommen seien, integriert und ins Dorfleben eingebunden - auch, dank des Engagements des Helferkreises.
Einsätze, unterstreicht auch der Leiter der Polizeiinspektion Wasserburg, Markus Steinmaßl, habe es seit knapp drei Jahren in Soyen nicht mehr gegeben. Zu Beginn sei die Polizei des Öfteren gerufen worden, wenn sich Streitigkeiten unterhalb der Bewohner der Containeranlage zu Handgreiflichkeiten entwickelt hätten.
„Entsetzt, enttäuscht und erschüttert“, äußerte sich Helmut Pypetz als Mitglied des Helferkreises über das Benehmen seiner Mitbürger. „Wir haben in Soyen seit 2016 Flüchtlinge, ich hatte noch nie Angst vor ihnen. Es ist mir schleierhaft, wie ihr euch bedroht fühlen könnt.“ Offen und ohne Vorurteile auf Geflüchtete zugehen, müsse die Devise sein, unterstrich auch Monika Bacher. Denn: Es gehe nur „Miteinander“.
Ersetzt das „Haus am See“ die Containeranlagen?
Thomas Schöberl, direkter Nachbar des ehemaligen Hotels, interessierten indes baurechtliche Fragen: Im „Haus am See“ seien Eternitplatten verbaut, zudem sei das Gebäude sanierungsbedürftig. In dem Fall seien wohl eher Containeranlagen vorzuziehen. Er würde da nicht wohnen wollen.
Sollte sich tatsächlich gesundheitsgefährdende Bereiche in dem Gebäude befinden, versicherte der Landrat, werde es natürlich zu keinem Mietverhältnis kommen. Dies werde prüfe das Landratsamt noch prüfen.
Soyens Bürgermeister Thomas Weber betonte, ihm - und in erster Linie auch den direkten Anwohnern - sei es wichtig, dass Familien ins „Haus am See“ einziehen - und das Gebäude womöglich die Containeranlagen ersetze. Der Vertrag mit den Containern laufe im Herbst 2024 aus - ob ein Rückbau oder ein Erhalt respektive eine Verlängerung des Mietverhältnisses angedacht ist, sei noch unklar.
Klar überzeugt ist der Bürgermeister vom Umstand, dass insgesamt knapp 150 Flüchtlinge für die verhältnismäßig kleine Gemeinde im Kreis Rosenheim „überdimensioniert“ seien. Am kommenden Dienstag werde das Thema nochmal im Gemeinderat behandelt. Webers Fazit: „Wir müssen das Beste draus machen.“
Abs
mb



