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Landkreise Rosenheim und Mühldorf

„Als Erstes werde ich oft beschimpft”: Exklusiver Rundgang mit Biber-Berater Karl Günsche

Als Biberberater für die Landkreise Rosenheim und Mühldorf kümmert sich Karl Günsche um viele Biberfälle in der Region.
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Als Biberberater für die Landkreise Rosenheim und Mühldorf kümmert sich Karl Günsche um viele Biberfälle in der Region.

„Strenge gesetzliche Vorgaben sind ein Problem”: Als Biberberater der Landkreise Rosenheim und Mühldorf ist Karl Günsche für Biberfälle auf 5000 Quadratkilometer Fläche zuständig. Wie er mit Problemen umgeht, was Bauern in Rage bringt und warum das Abfangen und die Umsiedlung der Tiere meist keine Option ist.

Rosenheim/Mühldorf/Wasserburg – Ein Termin mit einem Biberberater beginnt in etwa so, wie man es sich wohl vorstellen würde. Unberührte Natur, die Sonne steht im Zenit und zwischen quakenden Fröschen und summenden Bienen ertönt der Ruf eines Kuckucks. „All das hat der Biber ermöglicht”, sagt Biberberater Karl Günsche und deutet auf einen rund 10.000 Quadratmetern großen Sumpf an der Inneren Lohe, nur wenige hundert Meter von Wasserburg entfernt. 

Zahlreiche Biberfälle in der Region

Doch so idyllisch, wie es das Szenario und Günsches niedliche Berufsbezeichnung vermuten lassen, ist das Thema rund um den Biber bei weitem nicht. Im Gegenteil: Als Biberberater für die Landratsämter Rosenheim und Mühldorf ist Günsche für rund 5000 Quadratkilometer Fläche in der Region zuständig und kümmert sich dort ehrenamtlich um sämtliche Biberfälle. Und davon gibt es mehr als genug. „Ich bin im Schnitt gut zwei volle Tage pro Woche mit dem Thema beschäftigt”, sagt der Pensionär, der vor rund fünf Jahren die Ausbildung zum Biberberater absolvierte. Mit einer Schulung von zwei Wochen beim Rosenheimer Landratsamt und seiner Begeisterung für das Thema lernte er mit der Zeit alles, was es über das Nagetier zu wissen gibt. Mit diesem Wissen will er vor allem eines: „Vor Ort helfen und ein Gleichgewicht schaffen zwischen dem Biber, der Umwelt und der Landwirtschaft“.  

Rund 10.000 Quadratmeter Fläche hat der Biber mit seinem Damm in der Inneren Lohe bei Wasserburg für die Tierwelt bewohnbar gemacht.

Keine leichte Aufgabe, wie ein Rundgang durch den von der Stadt Wasserburg offiziell ausgewiesenen „Lebensraum für Biber“ zeigt. „Vor ein paar Jahren floss hier nicht mehr als ein Rinnsal“, sagt der Biberberater aus Haag. Doch mit Hilfe zweier Dämme staute ein Biber das Wasser so auf, dass ein ganzes Areal für Frösche, Vögel oder Insekten entstand. Immer wieder hält Günsche kurz inne, horcht den unterschiedlichen Geräuschen und murmelt einen kurzen Satz, so als würde er den Tieren antworten.

Wanderweg teilweise mit Wasser bedeckt

Doch selbst hier, scheinbar mitten im Nirgendwo, musste der Biberberater eingreifen. Ein Wanderweg war teilweise geflutet und störte einige Fahrradfahrer und Spaziergänger. „Daher haben wir einen der Dämme teilweise aufgemacht, um den Wasserstand ein wenig zu senken”, erklärt der Berater. 

Mittlerweile wieder trocken: Der Wanderweg an der Streuobstwiese, wenige hundert Meter von Wasserburg entfernt, stand einige Tage unter Wasser.

Nur wenige hundert Meter weiter lässt sich ein klassischer Einsatz von Günsche und seinen Mitstreitern erkennen. Dort wurde ein rund fünf Meter langes Rohr in den Boden gesetzt, um das aufgestaute Wasser gezielt abzuleiten. Zuvor hatte sich ein Landwirt über das hochstehende Gewässer beschwert. „Über die Drainage konnten wir den Wasserstand absenken, ohne in den Lebensraum des Bibers einzugreifen“, erklärt Günsche. Das sei eine beliebte Lösung, um etwas zu bewirken, ohne die extrem hohen Schutzauflagen für das Nagetier zu verletzen.

Eine Drainage mit vielen Löchern, die der Biber nicht zubauen kann, soll den Wasserstand senken.

„Die strengen gesetzlichen Vorgaben sind ein Problem”, stellt Günsche klar. So sei beispielsweise zwischen Mitte März und September nicht nur das Tier, sondern auch dessen Bau und die direkte Umgebung streng geschützt. Jeglicher Eingriff könne mit einer Strafe zwischen 3.000 und 50.000 Euro belegt werden. „Das würde ich niemandem empfehlen”, sagt Günsche, der solche unerlaubten Aktionen von wütenden Landwirten schon erlebt hat.

Biberberater Karl Günsche hat zusammen mit einigen Mitarbeitern eine Drainage verlegt. Sie soll den Wasserstand des entstandenen Teichs senken.

Wohl kaum jemand kennt den Ärger aus der Landwirtschaft so gut wie der Haager Pensionär, der „glücklicherweise“ früher in Firmen als Krisenmanager arbeitete. „Als Erstes werde ich häufig beschimpft”, berichtet Günsche, wenn es um das erste Aufeinandertreffen mit den Landwirten geht. Oft gehe es dabei zunächst gar nicht um den Biber selbst, sondern um die generellen Sorgen in der Branche. Mit der Zeit ließe sich jedoch mit den meisten reden, auch wenn es nicht immer die perfekte Lösung gibt. 

Alle Reviere sind belegt

Denn so etwas wie das häufig erhoffte „Abfangen“, also das Töten der Tiere, sei so gut wie nie eine Option. Und auch bei der Umsiedlung tut sich der Berater schwer. „Alle Reviere hier sind belegt, die Tiere rücken sowieso schon immer dichter zusammen“, meint er. Einzelne Nager könnten nach Slowenien oder, zumindest vor dem Brexit, sogar nach England gebracht werden. Das sind jedoch Ausnahmen, wenn beispielsweise Fahrstraßen oder Bahnschienen und somit Menschenleben durch die Arbeiten des Bibers gefährdet werden. „Dann müssen wir wirklich schnell reagieren“, sagt Günsche. 

Der Blick des Experten: Vor wenigen Tagen hat Biberberater Karl Günsche einen Teil des Damms abgetragen. Mittlerweile hat der Biber ihn wieder aufgebaut.

Eine endgültige Lösung für das Biberproblem zu finden, fällt auch dem Experten nicht leicht. Selbst ein dauerhaftes „kontrolliertes Abfangen“, wie es rund um Jettenbach eine Zeit lang praktiziert wurde, würde wenig helfen. „Denn der nächste Biber, der das Revier übernimmt, baut sich seinen eigenen Damm und fängt wieder bei null an”, erklärt Günsche. Die Folge: Der Baumbestand wäre deutlich mehr in Gefahr, als wenn ein Biber seine Ruhe hat. 

Offiziell neun Berater für 300 Biberfälle im Jahr

Gegen etwas mehr Ruhe hätten auch Günsche und seine Kollegen nichts einzuwenden. Laut Michael Fischer, Pressesprecher des Rosenheimers Landratsamtes, sind aktuell neun Berater für 46 Gemeinden mit jährlich rund 300 Biberfällen beschäftigt. Auch wenn die meisten Diskussionen dabei friedlich ablaufen, so musste der Berater auch schon Gespräche abbrechen, weil sein Gegenüber nur Beleidigungen von sich gab. „Manch einer von uns wünscht sich mittlerweile sogar eine Bodycam“, sagt der Haager. 

Dennoch macht Günsche seinen Beruf gerne, wie er am Ende des Rundgangs betont. „Es ist schön zu sehen, wenn ich tatsächlich vor Ort etwas bewirken kann”, sagt der Biberberater und lässt seinen Blick über das Wasserburger Bibergebiet schwenken, das einmal als Rinnsal begann und das Karl Günsche mittlerweile so ins Herz geschlossen hat.  

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