Stress im Biber-Revier
Biber-Burg bei Edling zerstört: Warum dem Täter sogar Gefängnis drohen kann
Eine „dreiste Aktion“: Wieder haben Unbekannte eine Biber-Burg am Kesselseegraben bei Edling zerstört. Und das ohne ersichtlichen Grund findet Max Finster vom Bund-Naturschutz. Welche Lösungen es für Probleme mit dem Nager gibt und warum das Wegreißen kein „Kavaliersdelikt“ ist.
Edling/Wasserburg/Rosenheim – Früher war er ein beliebter Badeort, heute ist der gesamte Bereich um das Hochmoor am Kesselsee bei Edling ein Naturschutzgebiet. Seit 1982 gilt das Schwimmverbot und zwischen Anfang März und Mitte September ist das Betreten des Gebietes gänzlich untersagt, um seltene Tiere und Pflanzen nicht zu stören. Ein Tier, das unter Schutz steht und sich hier wohlfühlt, ist der Biber. Immer wieder baut er im Kesselseegraben seine Burgen.
Bund Naturschutz will Biber schützen
Doch das gefällt nicht jedem. Denn „schon wieder wurde ein Biber-Damm weggerissen“, sagt Max Finster, Vorsitzender der Ortsgruppe Wasserburg des Bund Naturschutz. Im vergangenen Jahr hat der Wasserburger Verein ein Grundstück gekauft, das an den Kesselseegraben angrenzt. „Die Biber-Burg wurde ohne Absprache mit uns entfernt. Die Reste liegen auf unserem Grundstück“, erklärt Finster. Diese „hemdsärmelige Aktion ist schon etwas dreist“, sagt Finster. Der Verein wolle den Biber schützen und für mehr Sensibilität in der Gesellschaft ihm gegenüber sorgen, betont der Vorsitzende. Dem Bund Naturschutz sei klar, dass es zu Nutzungskonflikten mit Menschen kommen könne, aber darüber lasse sich reden, ist er überzeugt. Es müsse jeder Fall einzeln geklärt werden.
Auch in Schnaitsee, Eiselfing und Kolbermoor steht das Tier immer wieder in der Kritik. Mit seinen Burgen staut der Biber das Wasser im Fluss auf, damit der Eingang geschützt ist und unter Wasser liegt. Dabei können angrenzende Felder, Wiesen oder Gärten überflutet werden. Laut dem Landratsamt Rosenheim kommt es meistens in einem Zehn-Meter-Umkreis um Gewässer zu Konflikten zwischen Menschen und Bibern.
Bedrohte Arten sollen Lebensraum finden
Trotzdem: Der Nager steht unter Artenschutz. Das Hochmoor am Kesselsee ist ein Naturschutz- und ein von der EU ausgewiesenes Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet). In diesen sollen seltene oder bedrohte Arten einen geschützten Lebensraum finden. Wer gegen eine Biber-Burg vorgehen wolle, müsse den Rechtsweg einhalten und sich an die Untere Naturschutzbehörde, also an das Landratsamt, wenden, erklärt Finster.
Zumal seien am Kesselseegraben keine landwirtschaftlich genutzten Wiesen oder Äcker vorhanden. „Hier fehlt mir schlichtweg das Verständnis für solche Aktionen“, betont der Vorsitzende der Wasserburger Ortsgruppe. Das Wegreißen eines Biber-Dammes sei „alles andere als ein Kavaliersdelikt“ und der Täter begebe sich rechtlich gesehen auf ein „Drahtseil“, warnt Finster.
Der Biber ist streng geschützt
Denn: Der Biber ist „gemäß Bundesnaturschutzgesetz und in Verbindung mit der FFH-Richtlinie nicht nur besonders, sondern sogar streng geschützt“, wie das Landratsamt auf Anfrage mitteilt. Das heißt, dass die Tiere weder gefangen, verletzt noch getötet werden dürfen. Für Biber-Dämme gilt, dass sie nicht aus der Natur entnommen, beschädigt oder zerstört werden dürfen, so die Untere Naturschutzbehörde. Denn es bestehe die Gefahr, dass ein Biberbau trocken falle. Besonders im Winter könnten die Nager dadurch erfrieren,so das Landratsamt.
Wer dennoch einen Biber-Damm entferne, begehe eine Ordnungswidrigkeit oder mache sich sogar strafbar. „Ob eine Straftat vorliegt, wird in einem Gerichtsverfahren beim zuständigen Amtsgericht entschieden“, so das Landratsamt. Eine Verurteilung könne zu einer Geld- oder zu einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren führen. Ob es sich um eine Ordnungswidrigkeit handle, entscheide die Untere Naturschutzbehörde. Bußgelder können laut Landratsamt bis zu 50.000 Euro betragen. Außerdem könne zum Beispiel Jägern der Jagdschein entzogen werden.
Polizei ermittelte bereits im August 2022
Auch die Polizei Wasserburg ging im Augusts 2022 einem „dringenden Tatverdacht“ nach. Damals hätte ein unbekannter Täter eine Biberburg im Kesselseegraben bei Edling zerstört. „Nach Einschätzung der Fachbehörde könnte dadurch die Flora und Fauna im Kesselseer Moor nachteilig verändert worden sein, weshalb vom Verdacht einer Straftat auszugehen war“, erklärt Polizeichef Markus Steinmaßl. Dabei hätten die Beamten einen Tatverdächtigen aus der Region ermitteln können, so Steinmaßl.
Seit dem 1. Januar 2024 seien der Unteren Naturschutzbehörde fünf Fälle gemeldet worden, bei denen ein Biber-Damm unerlaubterweise entfernt worden sei und die von der Polizei registriert und weiterverfolgt würden. Die Dunkelziffer der ungenehmigten Dammentfernungen liegt laut dem Landratsamt jedoch im höheren zweistelligen Bereich. Der Behörde in Rosenheim seien außerdem Fälle aus der Region bekannt, bei denen es zu Verurteilungen gekommen sei.
Prävention durch Bibermanagement
Das Landratsamt ist für das Bibermanagement im Landkreis zuständig und berät betroffenen Personen. Die Behörde klärt über den Biber auf, sorgt für Präventionsmaßnahmen und dokumentiert Schäden. „Nach den Bayerischen Richtlinien zum Bibermanagement sind Grund-Eigentümer dazu verpflichtet, Prävention zuzulassen und zu unterstützen“, erklärt das Landratsamt.
Für die Untere Naturschutzbehörde sind Biberberater ehrenamtlich tätig. Sie würden Lösungen mit den Betroffenen erarbeiten. „In den allermeisten Fällen klappt das sehr gut“, so das Landratsamt. Um Schäden durch den Nager zu vermeiden, würden sich zum Beispiel Zäune, Dammdrainagen oder Ultraschallgeräte eignen. Unter Umständen sei es jedoch auch möglich, eine Ausnahmegenehmigung zum Töten von Bibern zu erwirken. Wohnt der Nager in einem FFH-Gebiet, ist dafür jedoch die Höhere Naturschutzbehörde bei der Regierung von Oberbayern zuständig.
Freiwilliger Biberschadensfond
Sollte der Biber einen Schaden anrichten, gleiche der Freistaat jenen über den Biberschadensfond aus. Das leiste Bayern freiwillig, um die Akzeptanz des Nagetiers zu fördern, so das Landratsamt. Aus dem Fond würden Ausgleichszahlungen unter anderem für Fraß- und Vernässungsschäden an Feldfrüchten, Obst, Gemüse und auch Christbäumen oder für Beeinträchtigungen in der Flur und im Forst gezahlt werden. „Wie hoch die jeweilige Schadenerstattung ausfällt, wird der Unteren Naturschutzbehörde vorgegeben“, erklärt das Landratsamt.
Der Biber hat jedoch auch einen Nutzen. Laut dem Bayerischen Landesamt für Umwelt halten Biberteiche Sedimente zurück und reinigen das Wasser. Außerdem laufe hierbei das Wasser bei Starkregen langsamer ab und leite es so auf eine größere Fläche um. Durch den Rückstau entstehe neues Grundwasser und in Trockenzeiten komme das angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen zugute. Zudem würden sich in Biberteichen verschiedene Arten wie die Prachtlibelle, der Eisvogel oder der Laubfrosch wohlfühlen. Im Auwald bei Freising hat sich laut dem Bayerischen Landesamt für Umwelt die Anzahl der Fischarten aufgrund von Biberaktivitäten verdoppelt. Auch Finster ist überzeugt, der Biber trage einen Teil zur Moorrenaturierung bei, „und das zum Nulltarif“. Deshalb muss der Nager laut ihm in einem Naturschutz- und FFH-Gebiet seinen Platz haben dürfen.

