Zwickmühle am Waldhausener Bach
Biber versus Schnaitseer Kläranlage: Entnahme in der Schonzeit?
Dicke und dünne Äste, sorgfältig gestapelt und aufgetürmt - am Bach nahe der Schnaitseer Kläranlage haben sich seit einiger Zeit Biber häuslich eingerichtet. Warum das nicht jedem gefällt und was den pelzigen Nagern jetzt bevorsteht:
Schnaitsee - Viel Regen auf einen Schlag könnte in Schnaitsee plötzlich zu einer brenzligen Situation führen. Die Firma GTB, die für den Betrieb der Kläranlage beauftragt ist, äußerte gegenüber der Gemeinde erhebliche Bedenken, dass im Falle eines Starkregenereignisses mit daraus resultierendem Hochwasser der Betrieb der Anlage aufgrund von Biberburgen und -bauten beeinträchtigt sein könnte.
„Der Betrieb unserer Kläranlage muss zu 100 Prozent gewährleistet sein, wir können da nicht fahrlässig handeln“, betont Thomas Schmidinger, Bürgermeister in Schnaitsee. Daher habe man im Gemeinderat im Februar beschlossen, einen Antrag auf Entnahme der Tiere zu stellen.
Auch Beate Rutkowski, Vorsitzende der Bund-Naturschutz-Kreisgruppe Traunstein, zeigt sich bestimmt zur Sachlage: „Der Schutz der Kläranlage hat Priorität. Ob Biber und Kläranlage im Einklang leben können, muss die Behörde entscheiden. Sollte sich herausstellen, dass es keine Alternative für den Biber gibt, würden wir einer Entnahme zustimmen.“
Dem BN sei es lediglich wichtig, dass wirklich alle Möglichkeiten geprüft werden und ein Abschuss nicht zu früh ein eingeleitet wird: „Wir haben im Landkreis Traunstein eine flächendeckende Population, ist ein geeigneter Bachlauf gefunden, kann dort natürlich auch ein Biber siedeln.“
Fisch- und Krebssterben wegen geringen Wasserstands?
Nicht außer Acht gelassen werden dürfe darüber hinaus der Wasserstand im Bach. Die Gemeinde verpachtet einen Teil des Baches an einen Fischer. Dieser spreche bereits seit dem vergangenen Jahr von einem Fisch- und Krebssterben, da der Pegel des Bachlaufs nahezu austrockne. Ein Phänomen, das aus der Arbeit des Bibers resultiert?
Dies zieht wohl auch die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Traunstein in Erwägung. Die zuständige Behörde spricht von mindestens zwei Bibern, die am Waldhausener Bach leben - in unmittelbarer Nähe der Kläranlage.
Die Schutzwürdigkeit von Bibern in Bezug auf Grundwasserneubildung, Schaffung von Lebensräumen und der damit verbunden erhöhten Artenvielfalt stehe außer Frage. Jedoch seien diese positiven Aspekte mit der Sicherstellung des reibungslosen Betriebs der Kläranlage oder landwirtschaftlichen Schäden sowie dem angesprochenen Fisch- und Krebssterben bachabwärts aufgrund Wassermangel ins Verhältnis zu setzen.
Vergrämen, umsiedeln - oder Abschuss?
Die generelle Fangzeit für Biber beginnt am 1. September und endet am 15. März. Aus dem Landratsamt Traunstein heißt es, bisher konnten in Schnaitsee noch keine Biber entnommen werden: „Nach dem Bundesnaturschutzgesetz und der Richtlinie zum Bibermanagement können im Einzelfall bei unmittelbaren Gefährdungen auch Entnahmegenehmigungen über den 15. März hinaus in der Schonzeit erteilt werden.“
So wie es jetzt bei der Kläranlage als sensible Infrastruktur der Fall zu sein scheint. „Die Tiere bauen Dämme, die den Wasserabfluss des Bachs und damit insbesondere der Kläranlage erheblich erschweren“, erklärt der Referent des Landrats, Mathias Heinrichs. Deshalb sei für sie eine entsprechende Abfanggenehmigung ausgestellt wurde.
Eine Umsiedelung von Bibern finde in Deutschland und auch in anderen Ländern Europas nur in ganz wenigen Fällen statt. Denn Biber seien Revierverteidiger. Ansässige Biber würden daher umgesiedelte Tiere nicht tolerieren, erläutert Heinrichs. Frei werdende Reviere werden darüber hinaus von zur Abwanderung gezwungenen Jungtieren meist schnell nachbesetzt.
Umfassende Alternativen wurden geprüft
Die Ortsgruppe des Bund Naturschutzes regte an, ob nicht eine andere Ausleitung des Kläranlagenwassers möglich sei. Ihr Vorschlag war, im Hochwasserfall das gereinigte Wasser aus dem sogenannten Schönungsteich der Kläranlage abzupumpen und auf einer Fläche zwischen Kläranlage und Bach versickern zu lassen.
Die Gemeinde Schnaitsee, die Untere Naturschutzbehörde und das Wasserwirtschaftsamt Traunstein haben diese Anregung eingehend geprüft. „Im Endergebnis ist dieser Vorschlag aus verschiedenen Gründen nicht umsetzbar. Insbesondere das Wasserwirtschaftsamt hat sich in seiner Fachstellenbeteiligung dahingehend geäußert, dass eine Versickerung des ausgeleiteten Wassers nicht zu befürworten ist.“
Am Ende des Reinigungsprozesses in der Kläranlage herrsche noch eine ganz übliche Restbelastung im Wasser vor, die nur bei Einleitung in ein Fließgewässer abgebaut werde. Der Sauerstoffgehalt und damit die Selbstreinigungskraft sei in einem Bach nämlich höher als im Grundwasser.
Biberbestand im Landkreis Traunstein
Etwa 150 Reviere, circa 600 bis 700 Biber - so lautet der Bestand laut Schätzungen des Landratsamts im Kreis Traunstein. Im vergangenen Jahr wurden 65 Biber entnommen. „Durch gezielte Entnahmen wird sichergestellt, dass der Bestand konstant bleibt. Mit der angesprochenen Anzahl an genehmigten Entnahmen liegen wir sogar etwas unter der Reproduktionsrate der Tierart“, betont Heinrichs.
Der Biber hat sich aufgrund fehlender Fressfeinde in den letzten Jahrzehnten schnell verbreitet. Besiedlungsschwerpunkte liegen vor allem an Flüssen wie Alz oder Tiroler Ache sowie in Moorgebieten, beispielsweise in den Inzeller Filzen oder den Niedermoorgebieten zwischen Eggstätt und Seeon.
mb
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